Hartz IV: Neue BA Anweisung erlaubt Observation

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Neue fachliche Hinweise der Bundesagentur fรผr Arbeit (BA) fรผr den AuรŸendienst der Leistungstrรคger des SGB II – gegen Arbeitslosengeld II Empfรคnger. BA erlaubt u.a. das Ausspรคhen von Hartz IV Betroffenen

Mit Wirkung vom 20 Mai 2009 hat die BA eine neue Weisung fรผr den AuรŸendienst der Leistungstrรคger des SGB II (Hartz IV) herausgegeben. Auch diese strotzt wieder vor Anweisungen zu rechtswidrigen Datenerhebungen und Leistungsverweigerungen, die umfassend erweitert wurden – von bisher 2 auf 6 Seiten.

“Zeugenbefragung” durch Sozialfahner
Unter Rz 6.7, “Beweismitteln”, wird erlaubt, Zeugen und Sachverstรคndige zu “vernehmen”. Das suggeriert dem AuรŸendienst Befugnisse von Strafermittlungsbehรถrden, welche dieser aber nicht hat. Um diesen “Glauben” nicht zu zerstรถren, verzichtet die BA auch vorsorglich darauf, hinzuweisen, dass diese Personen nur dann befragt und angehรถrt werden dรผrfen, wenn Daten nicht anderst erhoben werden kรถnnen (ยง 67a Abs. 2 SGB II).

Unter Rz 6.10, “Prรผfanlรคsse”, wird genannt:
– “รœberprรผfung von Wohnungsverhรคltnissen, z. B. Wohnflรคche”, letzteres ist eindeutig rechtswidrig, denn die Leistungstrรคger haben weder lt. SGB II, noch einem anderen Gesetz, das Recht, vom Mietvertrag abweichende Wohnflรคchen festzulegen, so auch das Bundessozialgericht (BSG) in B 7b AS 10/06 R, B 7b AS 18/06 R u.v.m.;

– “Abgrenzung Bedarfsgemeinschaft/Haushaltsgemeinschaft”, hier widerspricht sich die BA selbst, denn sowohl in dieser Weisung unter Rz 6.17 als auch im “Leitfaden Ausendienst” weist die BA wiederholt darauf hin, dass ein Hausbesuch gerade dazu nicht geeignet ist und verweist stattdessen explizit auf die Anlage VE und andere Nachweis-/Beweismรถglichkeiten;

– “Indizienfeststellung zur Widerlegung der Vermutung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft”, das ansich ist gegenรผber Betroffenen schon ein schlechter Witz, denn in der Praxis wird i.d.R. genau das Gegenteil angestrebt; auch dies steht in eklatantem Widerspruch zu Rz 6.17 derselben Weisung und dem bereits genannten “Leitfaden Ausendienst”;

– “ggf. Vorsprachen bei Banken und Versicherungen”, das ist ein eklatanter VerstoรŸ gegen den Datenschutz, zumal weder Banken noch Versicherungen aus datenschutzrechtlichen Grรผnden Auskunft รผber ihre Vertragsverhรคltnisse geben dรผrfen;

– “ggf. Gesprรคche mit sonstigen Dritten, z. B. Nachbarn, Vermieter”, auch das ist i.d.R. unzulรคssig, da Daten nach ยง 67a SGB X zuerst beim Betroffenen zu Erheben sind und derartig bei Dritten ermittelte Daten letzlich auch keinerlei rechtliche Beweiskraft besitzen.

Observationen von Hartz IV Betroffenen
Unter Rz 6.11 werden “Observationen”, also heimliche Beobachtungen von ALG II Empfรคngern bei “Verdacht auf einen besonders schwerwiegenden Leistungsmissbrauch” ausdrรผcklich zugelassen.

D.h. es reicht eine anonyme Anzeige, um solche geheimdienstlichen MaรŸnahmen zu rechtfertigen, Beweise mรผssen keine vorhanden sein, es reicht ja der “Verdacht”. Damit hat der AuรŸendienst der ARGE laut BA deutlich mehr Rechte als die Strafermittlungsbehรถrden.

In welcher Form das so Erschnรผffelte dann beweiskrรคftig sein soll, ist hรถchst fraglich, da z.B. die Anfertigung von Fotos durch den AuรŸendienst als Beweis aufgrund des Rechts am eigenen Bild nicht nur unzulรคssig ist, sondern sogar eine Straftat darstellt, insbesondere, wenn es sich um Fotos von der Wohnung des Betroffenen handelt (ยง201a StGB).

Das Horrorszenario vom “glรคsernen Bรผrger” ist dagegen nur ein mรผder Abklatsch, wer sich dabei unangenehm an die Bespitzelung der DDR-Bรผrger durch die Stasi erinnert fรผhlt, liegt genau richtig.

Hausbesuche bei Hartz IV Beziehern
Unter Rz 6.22 weist die BA darauf hin, dass wegen Verweigerung eines Hausbesuches die Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung (ยง 66 SGB I) entzogen werden kann, verweist aber gleichzeitig darauf, dass man dem Betroffenen trotzdem wegen “nicht mรถglicher Sachverhaltsaufklรคrung” die Leistung ablehnen darf.

Im Fall einer der vielen sinnlosen, weil dazu u.a. auch lt. BA nicht aussagekrรคftigen, Feststellungen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mittels Hausbesuch, bedeutet das fรผr die Betroffenen aber immer eine komplette Leistungseinstellung mit dem damit einher gehenden Verlust aller Bรผrgerrechte (Verlust der Wohnung, Verlust der Krankenversicherung, Verlust der materiellen Existenzgrundlage).

Unter Rz 6.23 weist die BA darauf hin, dass der Betroffene das Recht hat, einen Hausbesuch jederzeit abzubrechen, dann aber dessen Leistung wegen nicht mรถglicher Sachverhaltsaufklรคrung abgelehnt werden muss (vgl. Rz 6.22).

Unter Rz 6.24 wird darauf hingewiesen, dass die Durchsuchung der Schrรคnke grundsรคtzlich unzulรคssig ist und nur mit ausdrรผcklicher Genehmigung des Betroffenen erfolgen kann, gleichzeitig wird wieder darauf hingewiesen, dass bei Weigerung wegen nicht mรถglicher Sachverhaltsaufklรคrung die Leistung abgelehnt werden darf (vgl. Rz 6.22).

Mit der einen Hand rรคumt die BA hier den Betroffenen Rechte ein, die sie ihm mit der anderen Hand sofort wieder entzieht. Das stellt unmissverstรคndlich klar, dass ALG II Empfรคnger in den Augen der BA keinerlei Bรผrgerrechte haben. Auch die Hinweise unter Rz 6.23, dass Betroffene vorab รผber den Verfahrensablauf eines Hausbesuches zu informieren sind und danach “auf Wunsch” eine Kopie des Prรผfprotokolls erhalten kรถnnen, kann รผber diesen Fakt nicht hinwegtรคuschen.

Das der AuรŸendienst generell die Pflichten hat, sich auszuweisen und einen entsprechenden Ermittlungsauftrag nachzuweisen, aus dem eindeutig hervor gehen muss, was warum ermittelt werden soll, das wird von der BA wohlweislich nicht erwรคhnt.

Auch schweigt sich die BA bewusst รผber die rechtlichen Voraussetzungen aus, die “ggf.” bestimmte Datenerhebungen zulassen. AuรŸendienstmitarbeiter sollen offenbar nicht unnรถtig mit ihren Pflichten konfrontiert werden und sich stattdessen in ihrer Handlungsweise vollkommen frei und รผber jeden Verdacht erhaben fรผhlen, um dem Leistungstrรคger mรถglichst viel Geld zu sparen – gerade das sind sie aber nicht!

Hinweise zu Rechten und Pflichten finden sich in: “Hinweise des ULD zur datenschutzgerechten Ausgestaltung von Hausbesuchen durch die Sozialleistungstrรคger im Bereich der Leistungsgewรคhrung nach den Vorschriften des SGB II und SGB XII” (Link). (01.06.2009)

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