Bürgergeld-Regelsatz: 725 Euro zuzüglich Strom sind Realität

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Zwar wurden die Regelleistungen zum ersten Januar 2023 deutlich erhöht, allerdings spiegelt die Erhöhung nur einen Inflationsausgleich wider. Demnach ist die Erhöhung lediglich eine Anpassung nach dem alten Hartz-IV-Prinzip. Dr. Andreas Aust vom Paritätischen Wohlfahrtsverband erklärt, warum die Regelleistungen im Bürgergeld eigentlich 725 Euro (Eckregelsatz, Single-Haushalt) plus Stromkosten betragen müssten.

Das untere Einkommensfünftel

Um die Regelleistungen im SGB II zu berechnen, wird ein Statistikmodell herangezogen. Die Methodik ist, das untere Fünftel der Einkommen in Deutschland zur Berechnung zu verwenden.

Das “untere Fünftel” bedeutet, dass auch Tagelöhner, Armutsrentner oder Studenten in die Berechnungen mit einfließen. Demnach werden die unteren Einkommensschichten verwendet, die jeden Tag aufs Neue rechnen müssen, um sich überhaupt über Wasser zu halten.

Realer Regelbedarf bei mindestens 725 Euro

Der Sozialexperte Dr. Aust berechnete anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes aus, dass eben jenes “untere Fünftel” etwa 725 Euro im Monat ausgibt. Die Ausgaben für Strom sind in dieser Berechnung sogar noch unberührt geblieben.

Die Stromkosten müssen jedoch aus den Regelleistungen getragen werden, was die Situation der Leistungsbeziehenden noch einmal verschärft. Trotz dem Preisdeckel bei den Stromkosten sind diese laut Aust kaum bezahlbar.

Reale Ausgabenpositionen werden einfach gestrichen

Wie aber kommt die Bundesregierung auf die Idee, statt 725 Euro nur 502 Euro für den monatlichen Verbrauch eines Bürgergeld-Beziehenden zu veranschlagen? Die Antwort ist sehr einfach: Die Bundesregierung streicht einfach viele Ausgabenpositionen aus dem Regelbedarf, weil diese als “nicht relevant” angesehen werden. Nicht relevant bedeutet, dass diese Posten eigentlich grundlos gestrichen werden, um den Regelbedarf künstlich klein zu rechnen.

Bei der Berechnung der Regelleistungen wird in einem Maße vom Statistikmodell abgewichen, “das das ganze Verfahren ad absurdum führt”, kritisiert Aust gegenüber der Tageszeitung “Junge Welt”.

50 Prozent weniger für Kultur

Die Referenzgruppe gibt zum Beispiel rund 100 Euro für kulturelle Aktivitäten aus. Das Bürgergeld sieht für den Posten “Sport und Kultur” lediglich 11,85 Euro pro Monat vor. Bei Zeitungen und Magazinen sind es gerade einmal 6,17 Euro und für Bücher bleiben dann noch 4,27 Euro übrig.

Kein Auto und keine Versicherung

Weil zur Berechnung Haushalte mit einem Auto einfach herausgenommen werden, wird auch der Posten PKW und Versicherungen pro Haushalt gestrichen. “Die Ausgaben der Referenzgruppe für Mobilität zum Beispiel werden dadurch von 102,66 auf 45,02 Euro gebracht”, so Aust.

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Bildung auf ein Minimum gekürzt

Obwohl Bildung ein wichtiger Schlüssel sein könnte, um den Sozialleistungsbezug zu verlassen, wird auch hier gespart. Laut des statistischen Modells würde der monatliche Betrag pro Person bei 8,13 Euro liegen. Im Bürgergeld sind allerdings nur 1,81 Euro vorgesehen.

Bürgergeld-Bezieher dürfen kein Laster haben

Ganz gestrichen sind Tabakwaren und Alkohol. Diese Posten wurden bereits 2011 gestrichen. Zu damaliger Zeit wurde das Argument angebracht, “sollen Hartz-IV-Bezieher das Geld versaufen?”. Fakt ist aber, dass allein durch das Streichen dieses nicht unerheblichen Postens der realen Referenzgruppe, ein nicht unerheblicher Ausgabebereich gestrichen wurde, um den Regelbedarf künstlich kleinzurechnen.

Bürgergeld-Bezieher selbst dienen als Referenzgruppe

Wer gedacht hätte, dass Hartz IV bzw. Bürgergeld-Bezieher für die Referenzgruppe ausgeschlossen sind, liegt falsch. Um den Bedarf noch weiter nach unten zu drücken, wird das Einkommen auch von “Aufstockern” mit in die Berechnung mit einbezogen. Das sind Betroffene, die trotz Erwerbsarbeit mit dem Bürgergeld aufstocken müssen, weil sie ansonsten unter das Existenzminimum fallen.

Ebenso werden alle Personengruppen für die Methodik verwendet, die eigentlich einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben, allerdings aufgrund von Scham oder Unwissen keinen Antrag auf Sozialleistungen stellen.

Die Anzahl der Betroffenen, die eigentlich einen Anspruch geltend machen könnten, wird auf einige Hundertausend Menschen geschätzt.

Die gleiche Methodik wie bei Hartz IV

Im Ergebnis zeigt sich, dass auch beim Bürgergeld die gleiche Taktik verwendet wird, wie es bei Hartz IV bereits der Fall war. Der Regelbedarf soll möglichst gering berechnet sein, damit Kosten gespart werden. Die Leidtragenden sind diejenigen, die täglich darum kämpfen müssen, ihr Überleben zu sichern. Der Eckregelsatz müsste demnach mindestens 725 Euro zuzüglich Strom betragen.