Rentenversicherer kürzt plötzlich die Rente

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Der Schock kommt meist per Brief: Seit einigen Jahren erhalten zahlreiche Menschen in Deutschland Post von ihren Versicherern mit der Nachricht, dass die ursprünglich vereinbarte private Rente stark gekürzt werden muss.

In vielen Fällen sind die Kürzungen so massiv, dass sie einen vier- bis fünfstelligen Verlust über die gesamte Rentenlaufzeit bedeuten können. Durchschnittsverdienerinnen und -verdiener sehen sich plötzlich mit Beträgen konfrontiert, die um bis zu 25 Prozent geringer ausfallen als ursprünglich geplant.

Das kann nach einer langjährigen Beitragszahlung in eine private Renten- oder Lebensversicherung die gesamte Altersplanung ins Wanken bringen und große finanzielle Lücken aufreißen.

Was steckt hinter den drohenden Rentenkürzungen?

Grundlage für die Höhe einer monatlichen privaten Rente ist oft der sogenannte Rentenfaktor. Dieser Wert legt fest, wie viel monatliche Auszahlung für einen bestimmten Betrag an angespartem Kapital gezahlt wird. Wenn der Versicherer diesen Rentenfaktor einseitig nach unten anpasst, sinkt die Rente entsprechend.

Wer beispielsweise im Rentenbezug für 100.000 Euro Kapital bisher einen monatlichen Betrag von 400 Euro erwarten konnte, würde nach einer Kürzung um 25 Prozent nur noch 300 Euro erhalten.

Diese Differenz summiert sich über die Jahre schnell zu einem Betrag, der die persönliche Finanzplanung empfindlich stört. Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen mit solch einer Versicherung einen wesentlichen Teil ihrer Altersvorsorge abdecken, führen derartige Einschnitte zu großen Unsicherheiten.

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Warum können Versicherer den Rentenfaktor reduzieren?

Versicherer verweisen häufig auf das lang anhaltende Niedrigzinsumfeld, das die Renditen der Versicherungsportfolios und Kapitalanlagen jahrelang stark gedrückt hat.

Da die Kapitalerträge geringer ausfallen als ursprünglich kalkuliert, wollen manche Anbieter diese Verluste durch eine Reduzierung des Rentenfaktors an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Rechtlich argumentieren sie mit Klauseln, die in den Verträgen eine Anpassung des Rentenfaktors ermöglichen. Immer mehr Gerichte befassen sich jedoch kritisch mit dieser Vorgehensweise.

Das Landgericht Köln stellte im Jahr 2023 in einem Urteil klar, dass nachlassende Renditen und niedrige Zinsen ein unternehmerisches Risiko der Versicherer sind und nicht einfach auf die Versicherten abgewälzt werden dürfen.

Ob und in welchem Umfang Kürzungen überhaupt zulässig sind, wird letztlich erst der Bundesgerichtshof endgültig entscheiden.

Welche Versicherungsprodukte sind besonders betroffen?

Während manche Verträge einen vertraglich garantierten Rentenfaktor einschließen, enthält ein großer Teil der fondsgebundenen Rentenversicherungen und einiger Riester- oder Rürup-Produkte lediglich variable Zusagen.

Das bedeutet, dass Versicherer sich in den Bedingungen vorbehalten, den vereinbarten Rentenfaktor anzupassen. Ebenfalls betroffen sein kann die betriebliche Altersvorsorge in Form bestimmter Direktversicherungen oder Pensionskassen, sofern auch dort die garantierten Leistungen nicht eindeutig im Vertrag festgesetzt sind.

Welche Rolle spielt die aktuelle Rechtsprechung?

Inzwischen haben mehrere Gerichte die Praxis der einseitigen Anpassung infrage gestellt. Das bereits erwähnte Urteil aus Köln verdeutlicht den Trend, dass zumindest die Erstinstanzen zuungunsten der Versicherer entscheiden können, wenn eine Kürzung ohne eindeutige vertragliche Grundlage oder unter Umgehung der Interessen der Versicherten vorgenommen wird.

Noch ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob höhere Instanzen dieser Auffassung folgen. Betroffene sollten die Entwicklungen beobachten, um zu sehen, wie der Bundesgerichtshof das Thema bewertet.

Falls dieser ebenfalls urteilt, dass die Versicherer zu Unrecht kürzen, könnten die Chancen für Verbraucherinnen und Verbraucher erheblich steigen, verlorene Ansprüche zurückzuerlangen oder Kürzungen abzuwenden.

Was sollten betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher unternehmen?

Obwohl eine endgültige Entscheidung derzeit noch aussteht, ist es wenig ratsam, als Versicherter abzuwarten, ob sich das Problem von selbst erledigt. Wer eine Mitteilung über eine geplante oder bereits erfolgte Rentenkürzung erhält, sollte die entsprechenden Unterlagen genau überprüfen lassen.

Die Unterstützung durch spezialisierte Anwältinnen und Anwälte oder Verbraucherzentralen kann wertvolle Hinweise liefern. Fachleute, die sich auf Versicherungsrecht konzentrieren, kennen die typischen Argumentationslinien der Versicherer und wissen, welche Vertragspassagen besonders kritisch zu bewerten sind.

Eine frühzeitige Prüfung ist nicht nur ratsam, um Rechtsansprüche zu wahren, sondern auch, um mögliche Verjährungsfristen nicht zu versäumen.

Dabei empfiehlt es sich, alle Schriftwechsel und Vertragsunterlagen strukturiert zu sammeln.

Auch sollte vor einer übereilten Kündigung oder dem Abschluss eines Vergleichs genau abgewogen werden, ob das eigene Recht damit möglicherweise verspielt wird. Insbesondere in Fällen, in denen es um existenzielle Teile der privaten Altersabsicherung geht, ist es sinnvoll, professionellen Rat einzuholen, bevor irreversible Schritte eingeleitet werden.

Wann ist mit klaren Entscheidungen zu rechnen?

Das endgültige Wort in dieser Auseinandersetzung wird voraussichtlich erst dann gesprochen, wenn höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen. Bis dahin können sich laufende Gerichtsprozesse in die eine oder andere Richtung bewegen.

Die aktuelle Tendenz zeigt, dass Versicherte in etlichen Fällen erfolgreich Einspruch erheben und zumindest vorläufige Teilerfolge verzeichnen. Dennoch bleibt ein Restrisiko bestehen, solange keine klärenden Urteile des Bundesgerichtshofs vorliegen.

Währenddessen bemühen sich auch Verbraucherzentralen und Initiativen, Sammelklagen oder gemeinsame Strategien zu entwickeln, um den versicherten Personen mehr Schlagkraft gegenüber den großen Versicherungskonzernen zu verschaffen.

Ob sich daraus ein stärkerer Druck auf die Versicherungswirtschaft ergibt, wird davon abhängen, wie geschlossen die Geschädigten auftreten und wie deutlich die Gerichte die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken.