Ein Grad der Behinderung (GdB) wird vom zustรคndigen Versorgungsamt in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 festgelegt. Ab einem Wert von 50 spricht man formal von einer Schwerbehinderung, die zahlreiche Nachteilsausgleiche und Leistungen ermรถglicht. Ein GdB von 60 ordnet sich ebenfalls in diesen Bereich ein und bietet damit erweiterte Rechte in Bereichen wie Arbeit, Steuern und Alltagsbewรคltigung.
Inhaltsverzeichnis
Warum ist ein Antrag erforderlich?
Der GdB wird nicht automatisch festgestellt. Betroffene mรผssen beim Versorgungsamt einen Antrag stellen. Fรคllt die gesundheitliche Beeintrรคchtigung stรคrker aus, kann ein Neufeststellungsantrag (auch Verschlechterungs- oder Verschlimmerungsantrag genannt) sinnvoll sein. Bei einer als zu niedrig empfundenen Einstufung besteht die Mรถglichkeit, Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls zu klagen.
Schwerbehindertenausweis als wichtiges Nachweisdokument
Mit einem GdB von 60 kann ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Er dient zum einen als offizieller Nachweis รผber die Schwerbehinderung, zum anderen ermรถglicht er die Inanspruchnahme verschiedener Vergรผnstigungen. Bei Bedarf kรถnnen im Ausweis auch Merkzeichen vermerkt sein, die bestimmte Rechte erรถffnen.
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Wichtige Merkzeichen bei GdB 60
- G (โerhebliche Gehbehinderungโ): Unter Umstรคnden bereits ab GdB 60 mรถglich.
- aG (โauรergewรถhnliche Gehbehinderungโ): Erfordert mindestens GdB 80 und erfรผllt wesentlich strengere Kriterien.
- H (โhilflosโ): Kommt bei GdB 60 selten vor, zumeist bei Personen mit sehr umfassendem Unterstรผtzungsbedarf oder Minderjรคhrigen.
Die Merkzeichen bestimmen hรคufig, welche speziellen Parkerleichterungen oder รPNV-Vergรผnstigungen in Anspruch genommen werden kรถnnen. Beispielsweise dรผrfen Personen mit dem Merkzeichen G und GdB 60 tatsรคchliche Pendelkosten geltend machen, wรคhrend das Merkzeichen aG zum blauen Behindertenparkplatz berechtigt.
Oranger Parkausweis bei Darmerkrankungen
Bei bestimmten Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kann ein GdB von 60 den orangen Parkausweis ermรถglichen. Er erlaubt unter anderem das zeitweise Parken in Bereichen, in denen Parken sonst nicht gestattet ist (z. B. Halteverbote oder Anwohnerparkplรคtze), allerdings nicht auf Behindertenparkplรคtzen, die fรผr den blauen Ausweis vorgesehen sind.
Steuerliche Vorteile bei GdB 60
Personen mit einem Grad der Behinderung von 60 kรถnnen verschiedene Steuervergรผnstigungen beanspruchen, sofern sie รผber ein steuerpflichtiges Einkommen verfรผgen.
Behinderten-Pauschbetrag
Bei GdB 60 liegt der jรคhrliche Pauschbetrag bei 1.440 Euro. Dabei handelt es sich nicht um eine direkte Auszahlung, sondern um eine Reduzierung der steuerlich relevanten Einkรผnfte. Wer jedoch bereits ein sehr geringes Einkommen bezieht und keine Steuern zahlt, profitiert finanziell nicht von dieser Pauschale.
Fahrtkostenpauschale
Ist zusรคtzlich das Merkzeichen H vermerkt, kann eine jรคhrliche Pauschale von 4.500 Euro fรผr private, behinderungsbedingte Fahrten geltend gemacht werden. Da das Merkzeichen H in Verbindung mit GdB 60 jedoch selten vergeben wird, trifft dieser Vorteil nur auf wenige Betroffene zu.
Pendelkosten ohne Begrenzung
Liegt bei GdB 60 das Merkzeichen G vor, kรถnnen tatsรคchliche Pendelkosten als Werbungskosten abgesetzt werden, sofern sie รผber der regulรคren Entfernungspauschale liegen und keine Nutzung รถffentlicher Verkehrsmittel mรถglich ist. Damit entsteht eine hรถhere Steuerentlastung als bei der gewรถhnlichen Pendlerpauschale.
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Verbesserte Arbeitsbedingungen: Kรผndigungsschutz und Zusatzurlaub
Besonderer Kรผndigungsschutz
Beschรคftigte mit einem GdB von 60 profitieren von einem erweiterten Kรผndigungsschutz. Vor einer Kรผndigung ist die Zustimmung des Integrations- bzw. Inklusionsamts einzuholen. Diese Regelung soll Diskriminierung verhindern und eine sichere Arbeitsumgebung fรถrdern.
Freistellung von Mehrarbeit
Menschen mit Schwerbehinderung sind nicht verpflichtet, รผber die tarifvertragliche oder gesetzliche Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit zu leisten. In der Praxis bedeutet das in der Regel maximal acht Stunden Arbeit pro Tag. Fรผr Teilzeitbeschรคftigte kann es dennoch zu รberstunden kommen, solange die im Arbeitsvertrag festgehaltene Grenze nicht erreicht ist.
Zusatzurlaub
Das Gesetz sieht bei einer Schwerbehinderung eine zusรคtzliche Urlaubswoche pro Jahr vor. Angestellte mit GdB 60 kรถnnen also fรผnf Tage mehr pro Kalenderjahr freinehmen (bzw. anteilig je nach vereinbarter Wochenarbeitszeit).
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Ausgleichsabgabe und begleitende Hilfen
Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitenden sind verpflichtet, fรผnf Prozent ihrer Stellen mit Menschen mit Schwerbehinderung zu besetzen. Wird dies nicht erfรผllt, entsteht eine Ausgleichsabgabe. Aus diesen Mitteln finanzieren Integrations- oder Inklusionsรคmter begleitende Hilfen im Arbeitsleben.
Zu diesen gehรถren unter anderem Arbeitsassistenz, technische Umbauten am Arbeitsplatz oder Hilfsmittel fรผr eine barrierefreie Ausstattung. Auch Selbststรคndige mit GdB 60 kรถnnen diese Angebote beantragen.
Frรผherer Rentenbezug bei GdB 60
Ab einem GdB von 50 besteht die Mรถglichkeit, zwei Jahre vor der regulรคren Altersgrenze in die Rente zu gehen, ohne Abschlรคge hinnehmen zu mรผssen. Dieses Recht gilt entsprechend auch bei GdB 60.
Wer hingegen mehr als zwei Jahre vor dem regulรคren Rentenalter in Rente geht, muss anteilige Rentenkรผrzungen in Kauf nehmen. Eine genaue Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung hilft, die individuellen Auswirkungen zu รผberprรผfen.
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Sozialwohnung und Wohngeld
Mit einem GdB ab 50 kann der Bezug einer Sozialwohnung oder von Wohngeld unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert sein. Entscheidend ist dabei oft auch ein anerkannter Pflegegrad.
Bei Kombination von GdB 60 und einem Pflegegrad werden Einkommensgrenzen fรผr den Erhalt von Wohngeld oder die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung angehoben. Zustรคndige Stellen geben Auskunft zu den jeweils gรผltigen Grenzwerten.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universitรคt Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen fรผr ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.