Gesetzlich Versicherte profitieren bei einem erneuten Rentenbezug häufig von besonderen Schutzmechanismen. Diese greifen, wenn eine sogenannte Folgerente beansprucht wird. Sie erhalten dadurch mindestens so viele Entgeltpunkte, wie bei einer vorangegangenen Rente zugrunde lagen.
Dieses Prinzip soll verhindern, dass die künftige Rente sinkt, wenn jemand nach einem bereits abgeschlossenen Rentenbezug noch einmal Leistungen benötigt. Im Folgenden erfahren Sie, wie dieser Schutz genau funktioniert und worauf Sie achten können, um keine Ansprüche zu verschenken.
Inhaltsverzeichnis
Dynamischer Besitzschutz: Grundprinzip und Rechtsgrundlage
Der Gesetzgeber sichert den Erhalt Ihrer zuvor erarbeiteten Entgeltpunkte über § 88 SGB VI ab. Diesen Vorteil nennt man „dynamischen Besitzschutz“. Damit steigen die dem Konto gutgeschriebenen Punkte grundsätzlich mit jeder Rentenanpassung und bleiben auch für spätere Renten erhalten.
Sie müssen sich also keine Sorgen machen, dass einmal erreichte Entgeltpunkte in einer Folgerente plötzlich reduziert werden.
Bei einem nahtlosen Übergang von einer Rente zur nächsten oder bei einem schnellen Wechsel innerhalb von 24 Kalendermonaten kommt dieser Schutz besonders zur Geltung. Das bedeutet: Sie erhalten mindestens die bisher erreichte Punktzahl auch für Ihre neue Rente.
Folgerenten für Versicherte: Wann gilt der Bestandsschutz?
Wird eine bereits bestehende Versichertenrente (zum Beispiel eine Altersrente oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) beendet und innerhalb von 24 Monaten wieder eine Rente aus demselben Versicherungskonto bezogen, können Sie den Schutz Ihrer bisher erworbenen Entgeltpunkte nutzen.
In diesen Fällen greift § 88 Abs. 1 SGB VI. Wer also nach einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Altersrente beziehen möchte, profitiert von diesem Mechanismus. Das Gleiche gilt, wenn man etwa unmittelbar nach einer Erziehungsrente erneut eine Versicherungsrente in Anspruch nimmt.
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Kurze Übersicht möglicher Konstellationen
- Altersrente folgt direkt oder innerhalb von zwei Jahren auf eine Erwerbsminderungsrente.
- Altersrente folgt direkt oder innerhalb von zwei Jahren auf eine Erziehungsrente.
- Neue Altersrente entsteht nach dem Ende einer vorherigen Altersrente.
- Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beginnt nach dem Ende einer Altersrente.
- Erziehungsrente wird nach einer Altersrente in Anspruch genommen.
- Erwerbsminderungsrente folgt auf eine vorhergehende Erwerbsminderungsrente, wiederum im engen zeitlichen Abstand.
Treffen diese Bedingungen nicht zu, sinkt der Rentenanspruch eventuell auf die neue, individuell berechnete Punktzahl. Das ist der Fall, wenn Sie länger als 24 Kalendermonate zwischen zwei Renten verstreichen lassen. Dann verfällt der Besitzschutz und die Rentenversicherung ermittelt Ihre Entgeltpunkte für den neuen Anspruch neu.
Beispiel aus der Praxis
Stellen Sie sich vor, ein Versicherter hat bis zum 30. April 2024 eine Altersrente bezogen. Hierfür wurden ihm 41,5 persönliche Entgeltpunkte gutgeschrieben. Ab 1. Juli 2025 bezieht er erneut eine Altersrente. Die Rentenversicherung würde in diesem zweiten Verfahren eigentlich nur 40,2 Entgeltpunkte festsetzen.
Da der Betroffene jedoch die Rente nicht erst nach einem langen Zeitraum anfordert, sondern innerhalb der Zwei-Jahres-Frist, gilt der Besitzschutz. Er darf daher seine ursprünglich zugeteilten 41,5 Punkte behalten und erhält seine Folgerente auf dieser Grundlage.
Hinterbliebenenrenten: Witwen, Witwer und Waisenrenten
Auch Witwen, Witwer und Waisenrenten können Folgerenten sein. Dann greift § 88 Abs. 2 SGB VI, sofern die neue Hinterbliebenenrente spätestens 24 Monate nach dem Ende einer vorherigen Rente antritt. Das betrifft zwei typische Situationen:
1. Überleitung von Versichertenrente auf Hinterbliebenenrente
Stirbt eine Person, die schon eine Rente bezog, stehen ihren Hinterbliebenen mindestens die bisherigen Entgeltpunkte zu. Dieser Schutz greift, wenn die Hinterbliebenenrente innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Ende der Rente des Verstorbenen beginnt.
2. Erneute Hinterbliebenenrente
Wer bereits eine Witwen- oder Witwerrente erhalten hat und anschließend eine neue Hinterbliebenenrente beansprucht, bekommt zumindest die bisher erreichte Punktzahl gutgeschrieben – sofern auch hier die Wartezeit von zwei Jahren nicht überschritten wird.
Die Idee dahinter ist simpel: Hinterbliebene sollen finanziell nicht schlechter dastehen, wenn sie kurz hintereinander Ansprüche geltend machen müssen. Dieser Grundgedanke schützt sowohl die Versichertenrente eines Verstorbenen als auch mögliche Folgerenten derselben Hinterbliebenen.
Beiträge während des Rentenbezugs: Zusätzliches Plus an Entgeltpunkten
Wer während einer bereits laufenden Altersrente weiterarbeitet, zahlt möglicherweise weiter Rentenbeiträge. Diese zusätzlichen Beiträge erhöhen aber nicht immer automatisch die bisherige Rente. § 88 Abs. 3 SGB VI stellt jedoch klar, dass solche Beiträge beim Übergang zu einer neuen Rente berücksichtigt werden, sofern sie die Folgerente steigern können.
Ein typisches Beispiel: Eine Person bezieht mit 63 Jahren eine vorgezogene Altersrente und bleibt dennoch im Berufsleben. Da sie vor Erreichen der Regelaltersgrenze weiter rentenversicherungspflichtig ist, sammelt sie zusätzliche Entgeltpunkte.
Wenn diese Person später in eine reguläre Altersrente wechselt, zählt die Rentenkasse die angesammelten Punkte zu den bisherigen hinzu. Auf diese Weise steigt das Gesamtniveau der neuen Leistung.
Gerade seit 1. Januar 2023 hat diese Regel an Bedeutung gewonnen, weil es bei vorgezogenen Altersrenten keine starre Hinzuverdienstgrenze mehr gibt. Viele Rentnerinnen und Rentner nutzen ihre größere Flexibilität, arbeiten in Teilzeit und zahlen weiterhin Beiträge ein.
Wann kommt § 88 SGB VI nicht zum Tragen?
Auch wenn der Gesetzgeber den Besitzschutz in vielen Fällen zusichert, gibt es Ausnahmen. Sobald die neue Rente von sich aus mehr Entgeltpunkte ergibt als die alte, ist die Bestimmung irrelevant. Denn dann erhalten Sie ohnehin eine höhere Leistung.
Falls zwischen dem Ende einer Vor-Rente und dem Beginn der Folgerente mehr als 24 Kalendermonate liegen, entfällt der Besitzschutz ebenfalls. Die Versicherung berechnet Ihre Ansprüche dann komplett neu. Das kann insbesondere bei längeren Auslandsaufenthalten, einer Phase ohne Rentenantrag oder anderen Verzögerungen passieren.
Für Versicherte, die sowohl Entgeltpunkte West als auch Ost gesammelt haben, gilt außerdem eine Besonderheit: Wäre die neue Rente niedriger als die alte, bleibt gemäß § 88 SGB VI zumindest die bisherige Monatsrente gesichert. In diesem Fall zahlt die Rentenkasse weiter den zuvor erreichten Betrag.
Teilrente: Besonderheiten beim Übergang auf eine Voll- oder Hinterbliebenenrente
Manche Personen wählen eine Teilauszahlung ihrer Altersrente, um flexibel zu bleiben. Sollte später eine Vollrente oder eine Hinterbliebenenrente fällig werden, ermittelt die Rentenversicherung zunächst, wie viele Entgeltpunkte man für eine Vollrente angesammelt hätte.
Auf dieser Basis wird dann geprüft, ob ein Besitzschutz greift. Dadurch stellt die Rentenkasse sicher, dass eine frühere Entscheidung für nur 50 oder 70 Prozent Rentenauszahlung niemanden schlechter stellt.
Praktische Tipps für Versicherte und Hinterbliebene
1. Zeitraum im Blick behalten: Planen Sie einen nahtlosen Übergang oder eine schnelle Wiederaufnahme der Rentenbezüge, damit Ihr Anspruch auf die bisherige Punktzahl bestehen bleibt.
2. Beiträge während der Rente nutzen: Wenn Sie parallel zum Rentenbezug arbeiten, investieren Sie in zusätzliche Entgeltpunkte. Sie können Ihre Folgerente spürbar verbessern.
3. Aktuelle Rentenauskunft anfordern: Das Dokument der Rentenversicherung zeigt Ihnen, wie viele Entgeltpunkte Sie haben und wie die Regelungen in Ihrem Fall angewandt werden könnten.
4. Bei Übergang auf Hinterbliebenenrente: Prüfen Sie, ob die Frist von 24 Monaten nach dem Tod des Versicherten oder nach einer vorherigen Hinterbliebenenrente eingehalten wird.
5. Erhöhungen mitnehmen: Dynamische Anpassungen sorgen dafür, dass Ihre entgeltpunktemäßige Ausgangslage in der Regel weiter ansteigt.