Viele Studierende sind knapp bei Kasse. Nach Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes gelten etwa vier von zehn Studierenden in Deutschland als armutsgefährdet. Damit liegt die Armutsquote weit über dem Durchschnitt der allgemeinen Bevölkerung. Auch die bescheidene BAföG-Erhöhung im Jahr 2024 ändert daran nicht viel.
Inhaltsverzeichnis
Wie können Studenten finanziell unterstützt werden?
Bis 2016 waren Studierende weitestgehend – außer in wenigen Ausnahmefällen – von der Grundsicherung für Arbeitsuchende (heute Bürgergeld) ausgenommen. Seitdem wurden die Ausschlussregelungen zwar nicht vollständig aufgehoben, aber in wesentlichen Punkten entschärft.
Welche Studierenden sind also unter welchen Umständen anspruchsberechtigt und welche nicht? Der folgende Artikel bietet eine umfassende Übersicht zu den Regelungen, die für Studierende gelten, die Bürgergeld in Anspruch nehmen wollen.
Einführung: Was ist das Bürgergeld?
Das Bürgergeld ist eine staatliche Grundsicherung für Menschen, die arbeitsfähig sind, aber entweder keine Erwerbstätigkeit finden oder deren Einkommen nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dies betrifft etwa Minijobs oder Teilzeitbeschäftigungen.
Die rechtliche Grundlage für das Bürgergeld ist das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Das Ziel ist es, den Lebensunterhalt durch Leistungen wie den Regelbedarf, Unterkunftskosten, Heizkosten sowie eventuelle Mehr- und Einmalbedarfe zu sichern.
Wie kann man Bürgergeld beantragen?
Ein Antrag auf Bürgergeld kann beim örtlichen Jobcenter oder online gestellt werden. Der Antrag wirkt rückwirkend ab dem Ersten des Monats, in dem er gestellt wurde. Die Auszahlung erfolgt monatlich am Monatsanfang. In der Regel werden Leistungen für ein Jahr bewilligt und müssen danach erneut beantragt werden.
Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?
Bürgergeld wird Menschen ab 15 Jahren gewährt, die sowohl erwerbsfähig als auch hilfebedürftig sind. Erwerbsfähigkeit bedeutet, dass der Antragsteller in der Lage ist, mindestens drei Stunden pro Tag zu arbeiten.
Hilfebedürftigkeit liegt vor, wenn jemand den eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familie nicht selbst bestreiten kann. Auch nicht erwerbsfähige Haushaltsmitglieder (z. B. Kinder unter 15 Jahren) können Bürgergeld erhalten, wenn sie in einem Haushalt mit einem leistungsberechtigten Erwachsenen leben.
Karenzzeit von einem Jahr
Bestehendes Vermögen wird beim Bezug von Bürgergeld berücksichtigt. Im ersten Bezugsjahr gilt eine sogenannte Karenzzeit, in der nur erhebliches Vermögen angerechnet wird (40.000 Euro für die antragstellende Person und 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt).
Nach Ablauf dieser Karenzzeit gelten niedrigere Freibeträge (150 Euro pro Lebensjahr plus einmalig 750 Euro je leistungsberechtigter Person im Haushalt).
Der Regelsatz des Bürgergelds
Der Regelsatz deckt grundsätzliche Bedarfe wie Lebensmittel, Strom, soziale Teilhabe und kleinere Anschaffungen ab. Ab dem 1. Januar 2024 gelten folgende monatliche Regelsätze:
Bedarf | Bürgergeld ab 2024 |
Regelbedarf für Alleinstehende/ Alleinerziehende (Regelbedarfsstufe 1) |
563 € |
Volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft (Regelbedarfsstufe 2) |
506 € |
Erwachsene Behinderte in stationären Einrichtungen (Regelbedarfsstufe 3) |
451 € |
RL unter 25-Jährige im Haushalt der Eltern (Regelbedarfsstufe 3) |
451 € |
Kinder 14 bis 17 Jahre (Regelbedarfsstufe 4) |
471 € |
Kinder von 6 bis 13 Jahre (Regelbedarfsstufe 5) |
390 € |
Kinder 0 bis 5 Jahre (Regelbedarfsstufe 6) |
357 € |
Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten
Das Jobcenter übernimmt grundsätzlich die Unterkunftskosten, wobei dies in den ersten 12 Monaten des Bezugs uneingeschränkt gilt. Nach der Karenzzeit werden nur noch als angemessen bewertete Mietkosten übernommen, die sich nach Haushaltsgröße und Wohnort richten.
Für bestimmte Personengruppen (z. B. Menschen mit Behinderungen) gelten Sonderregelungen.
Auch die Heizkosten müssen vom Jobcenter übernommen werden, sofern sie als angemessen gelten. Es gibt jedoch keine Karenzzeit, sodass die Heizkosten ggf. schon nach sechs Monaten des Leistungsbezugs angepasst werden können.
Das Jobcenter orientiert sich hierbei häufig an den Werten des bundesweiten Heizspiegels von “co2online“.
Mehrbedarfe im Bürgergeld
Zusätzlich zum Regelsatz können sogenannte Mehrbedarfe gewährt werden. Diese können für besondere Umstände wie Schwangerschaft, Alleinerziehung oder bestimmte Erkrankungen beantragt werden.
Solche Mehrbedarfe decken unter anderem den Bedarf an spezieller Ernährung oder den Mehraufwand für Alleinerziehende ab.
Mehrbedarfe | ||
Mehrbedarf für Schwangere
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Ab der 13. Schwangerschaftswoche |
17 % des Regelsatzes (ca. 95,71 Euro)
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Mehrbedarf für Alleinerziehende | Je nach Anzahl und Alter der Kinder |
Siehe individuelle Berechnung
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Mehrbedarf für besondere Ernährung | Medizinisch notwendige Ernährung bei Krankheit |
Variabel, Attest notwendig
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Mehrbedarfe für Alleinerziehende 2024
Die Mehrbedarfe für Alleinerziehende werden als Prozentsatz der Regelleistung berechnet.
Anzahl und Alter der Kinder | Prozentualer Anteil des maßgeblichen Regelbedarfs als Mehrbedarf für Alleinerziehende |
Tatsächlicher Mehrbedarf bei einem Regelsatz von 563 EUR
|
Ein Kind bis 7 Jahre | 36 % | 202,68 EUR |
Ein Kind über 7 Jahre | 12 % | 67,56 EUR |
Zwei Kinder unter 16 Jahren | 36 % | 202,68 EUR |
Zwei Kinder über 16 Jahre | 24 % | 135,12 EUR |
Ein Kind über 16 und ein Kind unter 16 Jahren | 24 % | 135,12 EUR |
Drei Kinder | 36 % | 202,68 EUR |
Vier Kinder | 48 % | 270,24 EUR |
Fünf Kinder und mehr | 60 % | 337,08 EUR |
Mehrbedarf bei dezentraler Wasserversorgung
Falls das Warmwasser nicht zentral bereitgestellt und stattdessen über einen Durchlauferhitzer oder eine Gastherme erzeugt wird, kann ein Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserbereitung gewährt werden.
Dieser Anspruch ist jedoch gestaffelt: Kinder erhalten einen geringeren Prozentsatz als Erwachsene, da angenommen wird, dass ihr Wasserverbrauch deutlich niedriger ist.
Der Zuschuss für die Warmwassererzeugung wird als Pauschale ausgezahlt, unabhängig von den tatsächlichen Mehrkosten. Angesichts der steigenden Energiekosten der letzten Jahre könnten die realen Kosten jedoch deutlich über dieser Pauschale liegen.
Es besteht auch die Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten zu übernehmen, allerdings muss dabei exakt nachgewiesen werden, wie viel Strom der Durchlauferhitzer verbraucht. Da jedoch selten ein separater Zähler ausschließlich für den Durchlauferhitzer vorhanden ist, kommt dies in der Praxis kaum vor.
Mehrbedarf dezentraler Warmwassererzeugung 2024:
Personengruppe | Regelbedarf | Prozentsatz | EUR |
Bürgergeld Regelsatz (Single-Haushalt) | 563 EUR | 2,3 % | 12,95 EUR |
Partner in der Bedarfsgemeinschaft | 506 EUR | 2,3 % | 11,64 EUR |
18- bis 24-jährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (= volljährige Kinder) | 451 EUR | 2,3 % | 10,37 EUR |
14- bis 17-jährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft | 471 EUR | 1,4 % | 6,59 EUR |
Kinder ab 6 bis einschl. 13 Jahre | 390 EUR | 1,2 % | 4,68 EUR |
Kinder bis einschl. 5 Jahre | 357 EUR | 0,8 % | 2,86 EUR |
Einkommensanrechnung im Bürgergeld
Prinzipiell wird jegliches Einkommen, das dem Lebensunterhalt dient, auf das Bürgergeld angerechnet. Einige Einkommensarten sind jedoch ausgenommen, wie etwa Mutterschaftsgeld oder geringe Zinseinnahmen.
Studierende, die BAföG erhalten, können einen Pauschalbetrag von 100 Euro monatlich als ausbildungsbedingte Kosten absetzen. Zudem können zusätzliche Ausgaben, z. B. für Lehrmaterialien, abgesetzt werden, wenn diese nachgewiesen werden.
Der Erwerbstätigenfreibetrag beträgt zusätzlich für jeden Euro über 100 Euro netto:
Einkommensbereich (Netto)
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Freibetrag (%)
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Von 100 bis 520 Euro | 20 % |
Von 520 bis 1.000 Euro | 30 % |
Von 1.000 bis 1.200 Euro | 10 % |
Von 1.200 bis 1.500 Euro |
10 % (nur für Personen mit mindestens einem minderjährigen Kind)
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Für Schülerinnen, Auszubildende und Studierende unter 25 Jahren gibt es einen erhöhten Freibetrag von bis zu 538 Euro netto monatlich, der vollständig anrechnungsfrei ist.
Studierende und das Bürgergeld – Wer hat Anspruch?
Grundsätzlich gehören Studierende nicht zur Zielgruppe des Bürgergelds, da sie in der Regel keine vollzeitige Erwerbstätigkeit anstreben. Es gibt jedoch Ausnahmen:
Teilzeitstudium
Studierende in einem offiziellen Teilzeitstudium können Bürgergeld beantragen, sofern sie maximal 20 Stunden pro Woche studieren und damit einer Teilzeittätigkeit nachgehen können. Ein Teilzeitstudium sollte von der Hochschule offiziell bestätigt werden, um Missverständnisse mit dem Jobcenter zu vermeiden.
Promotion
Promovierende sind meist nicht BAföG-berechtigt, da eine Promotion außerhalb der Regelstudienzeit liegt. Sie können unter Umständen Bürgergeld beziehen, da die Promotion als nebenberuflich gilt.
Urlaubssemester
Studenten, die aufgrund von Krankheit oder der Geburt eines Kindes ein Urlaubssemester einlegen, können Bürgergeld erhalten, sofern sie bedürftig sind. Auch in Fällen einer allgemeinen Sinnkrise oder zur Durchführung eines Praktikums können Leistungen beantragt werden. Ein Urlaubssemester ist in der Regel auf maximal zwei aufeinanderfolgende Semester beschränkt.
Freischuss
Studierende, die eine Wiederholungsprüfung zur Verbesserung ihrer Note ablegen (z. B. im Jurastudium), haben ebenfalls Anspruch auf Bürgergeld, da diese Zeit nicht mehr als reguläre Ausbildungszeit gilt.
Studium generale
Der Besuch von Veranstaltungen des Studium generale ist trotz Bürgergeldbezug möglich, da diese Veranstaltungen freiwillig und nicht verpflichtend sind.
Bürgergeld als Ergänzung zum BAföG
Unter bestimmten Bedingungen können Studierende, die BAföG erhalten, zusätzlich Bürgergeld beziehen. Dies gilt insbesondere für Studierende, die bei ihren Eltern wohnen und deren BAföG nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Das Jobcenter kann aufstockendes Bürgergeld bewilligen, wenn BAföG-Einkommen und Unterhaltsbeiträge nicht den Bedarf decken.
Übergangsweise Leistungen
Wenn Studierende einen BAföG-Antrag stellen, aber noch auf eine Entscheidung warten, können sie Bürgergeld als Übergangsleistung erhalten. Der Anspruch endet in dem Monat, in dem der BAföG-Bescheid eintrifft.
Härtefallregelungen
In bestimmten Härtefällen können Studierende Bürgergeld in Form eines Darlehens oder als Zuschuss erhalten. Beispiele für Härtefälle sind:
- Schwerbehinderte Studierende: Wenn aufgrund der Behinderung ein Studium erforderlich ist, um den Lebensunterhalt langfristig zu sichern.
- Lang andauernde Krankheit: Studierende, deren Studium sich aufgrund einer Krankheit, Behinderung oder der Geburt eines Kindes deutlich verzögert, können weiterhin Bürgergeld beziehen, auch wenn der BAföG-Anspruch endet.
- Unmittelbar bevorstehender Studienabschluss: Studierende im letzten Semester haben Anspruch auf Bürgergeld, da sie sich auf die Abschlussprüfung konzentrieren und keine Erwerbstätigkeit ausüben können.
- Erziehung eines Kindes unter drei Jahren: Für Studierende, die ein Kind unter drei Jahren erziehen, ist eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar. Dies gilt insbesondere für Alleinerziehende.
Studienstarthilfe von 1.000 Euro
Ab dem Wintersemester 2024/2025 wird eine neue Studienstarthilfe in Höhe von 1.000 Euro für Studierende aus einkommensschwachen Haushalten eingeführt. Dies gilt für Haushalte, in denen folgende Leistungen bezogen werden:
- Bürgergeld
- Kinderzuschlag
- Sozialhilfe oder Grundsicherung für dauerhaft Erwerbsunfähige und Rentner*innen nach dem SGB XII
- Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
- Leistungen für Kriegsopfer und deren Hinterbliebene gemäß § 27a Bundesversorgungsgesetz
- Wohngeld
Die Bundesregierung möchte mit dieser Unterstützung die Entscheidung für ein Studium erleichtern. Diese Studienstarthilfe wird nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet und muss nicht zurückgezahlt werden.
Für viele Betroffene sind die mit einem Studium verbundenen Kosten, wie etwa für Fachliteratur, einen Laptop oder den Beitrag zum Studierendenwerk, eine erhebliche finanzielle Hürde. Diese Barriere soll nun verringert werden.
Studierende haben die Möglichkeit, bis zum Ende des Monats, der auf den Beginn der Ausbildung folgt, einen Antrag auf diese Starthilfe zu stellen. Der Antrag soll über das digitale Portal „BAföG Digital“ eingereicht werden.
Personen, die keinen digitalen Antrag stellen können, erhalten Unterstützung vom zuständigen Amt für Ausbildungsförderung oder einer anderen hierfür verantwortlichen Stelle.
Weitere Informationen
Wir haben einen detaillierten Beitrag zum Thema Bürgergeld-Regelsatz 2024 – Regelbedarf, Mehrbedarf und Mietkosten geschrieben, in dem zusätzliche Inhalte vorhanden sind.
Quellen:
Sozialgesetzbuch II (SGB II)
Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.