Erbschaft und Bürgergeld – Das gilt zu beachten

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Während Hartz IV galt ein Erbe als Einkommen. Das führte dazu, dass Leistungsempfangende einen Großteil des Erbes aufbrauchen mussten, bevor sie wieder Anspruch auf Sozialleistungen hatten.

Seit Juli 2023 gelten Erbschaften im Bürgergeld jedoch nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen. Eine Erbschaft ist somit besser vor einer Anrechnung auf das Bürgergeld geschützt, da für Vermögen höhere Freibeträge von 15.000 Euro pro Person gelten, beziehungsweise im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges sogar 40.000 Euro.

Wann wird ein Erbe auf das Bürgergeld angerechnet?

Seit dem 01.07.2023 wird eine Erbschaft nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen gewertet. Das hat für Bürgergeld-Empfangende den Vorteil, dass höhere Freibeträge gelten.

Denn Einkommen wird bereits ab 100 € auf das Bürgergeld angerechnet. Für Vermögen gelten hingegen Freibeträge von 15.000 Euro pro Person. Im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges hat die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft sogar einen Vermögensfreibetrag von 40.000 Euro. Nähere Informationen hierzu finden Sie in dem Artikel: „Bürgergeld und Vermögen – diese Ersparnisse bleiben erhalten“.

Eine Erbschaft wird somit nur auf das Bürgergeld angerechnet, wenn die durch das Erbe erhaltene Summe den Freibetrag von 15.000 Euro, beziehungsweise 40.000 Euro im ersten Jahr, übersteigt. Ersparnisse, die vor dem Erbe bereits vorhanden sind, werden natürlich zu diesem Freibetrag hinzugerechnet.

Wer also Bürgergeld bezieht und vor einer Erbschaft ein Vermögen von 5.000 Euro besitzt und dann 20.000 Euro erbt, hat danach ein Vermögen von 25.000 Euro. 15.000 Euro von dieser Summe werden nicht auf das Bürgergeld angerechnet. Die restlichen 10.000 Euro würden auf das Bürgergeld angerechnet werden.

Im ersten Jahr des Bezuges würde die komplette Summe nicht angerechnet werden, da die 25.000 Euro nicht den Freibetrag von 40.000 Euro übersteigen.

Erbschaften gelten nun pauschal als Vermögen

Vor dem Jahr 2023 wurden Erbschaften als Einkommen gewertet. Bürgergeld-Beziehende haben jedoch nur einen Freibetrag von 100 Euro im Monat auf ein Einkommen.

Alles Geld, welches darüber hinaus als Einkommen eingenommen wird, wird auf das Bürgergeld angerechnet und reduziert die erhaltenen Leistungen. Um dies zu verhindern, haben sich früher viele Bezieherinnen und Bezieher von dem Arbeitslosengeld II vorrübergehend abgemeldet, wenn sie ein Erbe erhielten. Denn nach einer vierwöchigen Pause galt die Erbschaft nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen. Dies ist beim Bürgergeld nicht mehr notwendig, da eine Erbschaft seit Juli 2023 generell als Vermögen gilt.

Muss eine Erbschaft beim Jobcenter gemeldet werden?

Wenn Sie eine Erbschaft erhalten und Bürgergeld-Leistungen beziehen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie diese Erbschaft dem Jobcenter umgehend melden. Diese Pflicht wird gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB I) ausdrücklich vorgeschrieben.

Wenn Sie es versäumen, eine Erbschaft anzuzeigen, und das Jobcenter erfährt davon auf anderem Wege, kann die Sozialbehörde unter bestimmten Umständen die Genehmigung zur Einsichtnahme in die Nachlassakten beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. Dies kann erhebliche Unannehmlichkeiten und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Das Versäumnis, die Erbschaft dem Jobcenter zu melden, stellt eine strafbare Handlung dar und kann mit einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden, was mit einem Bußgeld von bis zu 5.000,00 EUR geahndet werden kann. In einigen Fällen könnte der Leistungsträger sogar eine Strafanzeige wegen Betruges gemäß § 263 des Strafgesetzbuches in Betracht ziehen.

Dürfen Erbschaften während des Bürgergeld-Bezuges abgelehnt werden?

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine geerbte Hinterlassenschaft abzulehnen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn die Erbschaft Schulden enthält. Das Ausschlagen einer Erbschaft mit Schulden hat keine Auswirkungen auf die Bürgergeld-Leistungen und bleibt ohne Konsequenzen.

Die Situation ändert sich jedoch, wenn Sie eine Erbschaft ablehnen, bei der Sie tatsächliche finanzielle Vermögenswerte erben würden. Dies könnte das Jobcenter als absichtliche oder grob fahrlässige Beeinflussung Ihrer eigenen Bedürftigkeit auslegen, was Folgen auf Ihren Anspruch auf Bürgergeld-Leistungen haben könnte und möglicherweise auch auf bereits erhaltene Sozialleistungen.

Wie wirken sich vererbte Immobilien auf den Bürgergeld-Bezug aus?

Das Erbe kann nicht nur aus Geld bestehen, sondern auch aus Immobilien wie beispielsweise einem Haus. Doch wie beeinflussen solche Erbschaften Ihre Bürgergeld-Leistungen? Es gibt mehrere Szenarien.

Eine Möglichkeit besteht darin, das geerbte Haus selbst zu nutzen, ohne dass dies Ihre Bürgergeld-Leistungen beeinträchtigt. Diese Option steht Ihnen offen, solange die Größe des Hauses als angemessen gilt. Wenn das Haus nicht für den eigenen Bedarf in Frage kommt und sein Wert Ihren Vermögensfreibetrag übersteigt, müssten Sie es in Erwägung ziehen zu verkaufen.

Wenn Sie emotional an dem Haus hängen und es deshalb nicht verkaufen möchten, können Sie überlegen, es zu vermieten. Allerdings kann dies dazu führen, dass Ihr Anspruch auf Bürgergeld-Leistungen sinkt oder entfällt.

Falls der Verkauf oder die Vermietung keine Option für Sie darstellen, das Haus aber als unangemessen groß betrachtet wird, können Sie es dennoch unter bestimmten Voraussetzungen selbst bewohnen. In diesem Fall müssen Sie den Sozialbehörden nachweisen, dass ein Verkauf wirtschaftlich unzumutbar ist oder dass sich die Immobilie nicht oder zumindest nicht innerhalb eines genehmigten Zeitraums verkaufen lässt.

Hartz IV-Urteil: Mutter darf ihr Erbe behalten

Im Streitfall auf dem Jahr 2018 hatte eine alleinerziehende Mutter in Hamburg ihren Hartz IV-Antrag nicht gezielt zurückgenommen, die Unterbrechung im Leistungsbezug hatte sich zufällig ergeben. Denn zwischenzeitlich hatte sie für knapp ein Jahr Anspruch auf Arbeitslosengeld I vom Arbeitsamt. Danach beantragte sie beim Jobcenter wieder Hartz IV (heute Bürgergeld).

Schon während des ersten Hartz IV-Bezugs starb der Großvater der Mutter, und sie wurde Miterbin eines Grundstücks. Bis das Grundstück verkauft und der Erlös auf die Erben aufgeteilt war, dauerte es aber einige Zeit. Erst gut zweieinhalb Jahre nach dem Tod des Großvaters, als die Mutter und ihr Sohn erneut im Hartz IV-Bezug standen, wurden ihr 5.330 EUR ausbezahlt.

Das Jobcenter wollte das Erbe als Einkommen anrechnen und die Leistungen entsprechend aussetzen. Zur Begründung verwies es auf das „Zuflussprinzip”, wonach Hartz IV Einnahmen dann als Einkommen gelten, wenn sie dem Arbeitslosen zufließen.

Ausnahmen vom Zuflussprinzip

Hierzu betonte nun das BSG, dass es Ausnahmen vom „Zuflussprinzip” gibt, wenn rechtlich ein anderer Termin maßgeblich ist. Das sei bei einer Erbschaft der Fall. Denn laut Bürgerlichem Gesetzbuch gehe das Vermögen „mit dem Tod” auf die Erben über. Zudem gilt nach bisheriger BSG-Rechtsprechung aber auch, dass Jobcenter eine Erbschaft erst dann anrechnen dürfen, wenn das Geld den Erben tatsächlich als „bereite Mittel” zur Verfügung steht.

Im Streitfall konnte das Jobcenter die Erbschaft nach dem Tod des Großvaters während des ersten Hartz IV-Bezugs noch nicht anrechnen, weil das Geld der Mutter noch nicht zur Verfügung stand. Nach dem Kasseler Urteil war im Zeitpunkt des zweiten Leistungsantrags nach der Arbeitslosengeld-Unterbrechung das Erbe aber bereits zum Vermögen geworden, weil der Anspruch darauf bereits am Todestag des Großvaters bestand.

Entsprechend hatte in der Vorinstanz auch schon das Landessozialgericht Hamburg entschieden (Urteil vom 22. Februar 2018, Az.: L 4 AS 194/17; JurAgentur-Meldung vom 9. April 2018). Umgekehrt kann nach einem früheren BSG-Urteil das Jobcenter ohne Leistungsunterbrechung eine Erbschaft komplett als Einkommen anrechnen und Leistungen zudem schon in Erwartung auf die Auszahlung nur als Darlehen bezahlen (Urteil Az.: B 14 AS 101/11 R).

Abmeldung vom Bürgergeld-Bezug jederzeit möglich

Wer kein Bürgergeld mehr bekommen möchte, kann sich jederzeit von den Leistungen abmelden. Laut Sozialgesetzbuch kann auf Bürgergeld-Leistungen ein Anspruch bestehen, es besteht aber keine Pflicht, diesen Anspruch wahrzunehmen.

Mit anderen Worten: Niemand kann Sie zwingen, Geld vom Jobcenter zu beziehen. Leistungsberechtigte können daher ihren Leistungsantrag jederzeit zurücknehmen und sich aus dem Bürgergeld-Bezug abmelden.

Dass eine Abmeldung vom Arbeitslosengeld auch dann zulässig ist, wenn sie nur erfolgt, um Sperrzeiten zu vermeiden, hat das Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen 2010 bestätigt. Wer sich aus dem Leistungsbezug abmeldet, um ein Nebeneinkommen dem Zugriff des Jobcenters zu entziehen, sollte aber Vorsicht walten lassen. Dann darf das Jobcenter die Einkünfte trotzdem anrechnen, das hat das LSG Berlin 2012 entschieden.

Warum sollten Sie Bürgergeld kündigen?

Sie können jederzeit entscheiden, dass Sie keine Leistungen mehr erhalten möchten, dazu reicht ein formloses Schreiben aus. Wichtig ist nur, dass Sie das Schriftstück unterschreiben.

Eine Kündigung des Bürgergeld-Bezugs ist streng genommen nicht nötig. Denn Sie sind verpflichtet, dem Jobcenter alle Einkünfte mitzuteilen. Wenn das Jobcenter dann feststellt, dass Sie – beispielsweise weil Sie Arbeit gefunden haben – keine Hilfe mehr brauchen, wird es die Zahlungen von allein einstellen und zu viel gezahltes Geld von Ihnen zurückfordern.

Aus einigen Gründen kann es sich aber trotzdem lohnen, sich vom Bürgergeld-Bezug abzumelden. Das sind beispielsweise:

  • Sie haben Arbeit gefunden und wissen, dass Sie bald nicht mehr hilfsbedürftig sein wollen. Sie möchten Rückforderungen vermeiden.
  • Sie ziehen mit einer Partnerin oder einem Partner zusammen. Ihr Partner verdient genug, um den Lebensunterhalt von Ihnen beiden zu sichern. Vorsicht: Wenn Sie mit jemandem länger als ein Jahr zusammen wohnen oder gemeinsame Kinder haben, geht das Jobcenter automatisch davon aus, dass Sie eine Bedarfsgemeinschaft bilden und rechnet das Einkommen der anderen Person an.
  • Sie möchten einen längeren Urlaub machen. Drei Wochen im Jahr können Sie nach Absprache mit dem Jobcenter verreisen und währenddessen Leistungen bekommen. Wenn Sie länger wegfahren möchten, können Sie vorher mit dem Jobcenter absprechen, dass Sie länger weg sind, und sich für die zusätzliche Zeit vom Bürgergeld-Bezug abmelden.

Quellen