122 € Rente pro Kind – Warum das in der Praxis meist nicht stimmt

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Auf Plattformen wie TikTok oder YouTube kursieren derzeit zahlreiche vereinfachte und teils irreführende Aussagen zur sogenannten Mütterrente bzw. zu den Kindererziehungszeiten. Tatsächlich gibt es für Eltern pro Kind bis zu drei Entgeltpunkte – was rechnerisch einer Bruttorente von rund 122 Euro entspricht.

Doch: Der Anspruch ist an komplexe Voraussetzungen gebunden und führt in der Praxis nur selten zu einer so hohen Auszahlung. Rentenberater Peter Knöppel hat dieses Thema auf seinem YouTube-Kanal genauer betrachtet.

Kindererziehungszeiten: Was Eltern tatsächlich erwarten dürfen

Die gesetzliche Rentenversicherung erkennt die Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren als sogenannte Kindererziehungszeit an. Für Kinder, die ab dem 1. Januar 1992 geboren wurden, kann ein Elternteil hierfür bis zu drei Entgeltpunkte erhalten. Das entspricht – mit dem aktuellen Rentenwert von 40,97 Euro ab Juli 2025 – theoretisch einer Bruttorente von knapp 122,91 Euro pro Kind.

Allerdings gilt: Dieser Betrag stellt eine rechnerische Obergrenze dar. Die tatsächliche Auszahlung hängt von mehreren Faktoren ab.

Anspruch nicht automatisch für beide Elternteile

Ein weitverbreiteter Irrtum betrifft die Verteilung der Rentenansprüche: Entgegen zahlreicher Social-Media-Beiträgen erhalten nicht beide Elternteile die vollen drei Entgeltpunkte pro Kind. Die Punkte werden nur einem Elternteil zugeordnet – standardmäßig der Mutter.

Eine Aufteilung ist nur auf Antrag und mit Zustimmung beider Eltern möglich. Ohne diese Zustimmung bleibt es bei der einseitigen Zuweisung. Die gesetzliche Grenze bleibt auch bei Aufteilung bestehen: Maximal drei Entgeltpunkte pro Kind.

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Abschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn

Wer früher in Rente geht, muss mit Kürzungen rechnen. Diese betreffen auch die Rentenanteile aus Kindererziehungszeiten. Ein Beispiel: Eine Mutter mit drei Kindern (jeweils nach 1992 geboren) kann auf neun Entgeltpunkte kommen.

Geht sie mit einem Abschlag von 10,8 % in Rente, reduziert sich der Rentenwert dieser Punkte entsprechend – also auch die Kindererziehungsrente.

Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge werden abgezogen

Ein weiterer Punkt, der häufig unter den Tisch fällt: Die genannten 122 Euro pro Kind sind Bruttowerte. Bei pflichtversicherten Rentnern werden hiervon Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung abgezogen – in der Regel rund 11 Prozent. Das bedeutet: Netto bleiben etwa 109 Euro übrig – und das auch nur unter optimalen Voraussetzungen.

Zusatzeinkommen kann Rentenanspruch schmälern

Nicht selten sind Eltern während der Kindererziehung erwerbstätig. Dabei kann es zu einer sogenannten „additiven Anrechnung“ kommen: Die Rentenversicherung begrenzt die jährlich erreichbaren Entgeltpunkte. Wird diese Obergrenze durch das Einkommen bereits erreicht oder überschritten, werden die Entgeltpunkte aus der Kindererziehung anteilig gekürzt.

Mütterrente, Kinderberücksichtigungszeiten & Formulare: Eine unübersichtliche Gemengelage

Neben den Kindererziehungszeiten gibt es auch die sogenannten Kinderberücksichtigungszeiten. Diese haben jedoch keinen direkten Einfluss auf die Rentenhöhe, sondern werden bei bestimmten Rentenarten (z. B. Erwerbsminderungsrente) berücksichtigt.

Für die Beantragung der Kindererziehungszeiten ist das Formular V0800 der Deutschen Rentenversicherung notwendig. Auch hier besteht häufig Verwirrung: Viele glauben, der Antrag sei eine reine Formsache. Tatsächlich kommt es regelmäßig zu Rückfragen und fehlerhaften Eintragungen, die die Rentenfeststellung verzögern können.

Drei typische Missverständnisse auf Social Media

  1. „Eltern bekommen 122 Euro extra – automatisch.“
    Falsch: Die 122 Euro sind ein Maximalbetrag, der zudem nur einem Elternteil zusteht und von Nettoabzügen betroffen ist.
  2. „Beide Elternteile können je 122 Euro pro Kind erhalten.“
    Falsch: Die Entgeltpunkte werden pro Kind vergeben – insgesamt maximal drei Punkte, nicht sechs.
  3. „Ein Antrag reicht, um das Geld zu bekommen.“
  4. Teilweise falsch: Ja, ein Antrag ist notwendig. Aber oft bedarf es weiterer Nachweise, vor allem bei abweichender Aufteilung der Erziehungszeiten.

Expertenrat: Lassen Sie sich professionell beraten

Viele Irrtümer ließen sich vermeiden, wenn Ratsuchende sich frühzeitig mit der Rentenversicherung oder einem Rentenberater zusammensetzen würden. Die Deutsche Rentenversicherung bietet kostenfreie Beratungen an. Alternativ können gerichtlich zugelassene Rentenberater helfen – gegen Honorar, dafür aber mit individueller Betreuung.