Achtung Kontrolle: Jobcenter überprüft Haushaltsgeräte von Bürgergeld-Beziehern

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In einem aktuellen Fall, von dem der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt berichtet, beantragte eine Bürgergeld-Bezieherin ein Darlehen beim Jobcenter für den Kauf einer neuen Waschmaschine. Ihre alte war irreparabel kaputtgegangen, sodass sie nicht mehr in der Lage war, Kleidung zu waschen.

Ein Darlehen beim Amt zu beantragen ist in solchen Situationen gängige Praxis, da das Jobcenter diesen Betrag normalerweise in Form kleinen monatlichen Raten vom Regelsatz zurückfordert.

Doch statt einer zügigen Abwicklung schickte das Jobcenter einen Außendienst in die Wohnung der Betroffenen.

Dr. Utz Anhalt ist fassungslos

Warum ist das Vorgehen des Jobcenters problematisch?

Die Betroffene wartete zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Wochen auf eine Entscheidung. Das bedeutet konkret: Seit rund einem Monat konnte sie ihre Wäsche nicht mehr zu Hause waschen.

Dass Mitarbeiter des Jobcenters persönlich vor Ort prüfen sollten, ob das Gerät wirklich nicht funktioniert, erscheint vielen wie eine völlig überzogene Kontrollmaßnahme. Schließlich handelt es sich „nur“ um ein Darlehen, das die Antragstellerin später in kleinen Beträgen zurückzahlen muss.

Darüber hinaus mutet dieses Vorgehen paradox an, da die Jobcenter selbst gebetsmühlenartig predigen, Leistungsberechtigte müssten in allen Lebensbereichen möglichst sparsam sein. Doch gerade das Beauftragen eines Außendienstes ist eine kostspielige Angelegenheit. Anhalt sieht in solchen Einsätzen eine “unverhältnismäßige Geldverschwendung, die in keinem Verhältnis zum möglichen Missbrauch steht”.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Solche Verzögerungen und aufwendigen Prüfungen stellen für Leistungsbeziehende eine enorme Belastung dar. “Wer ohnehin mit einem knappen Budget lebt, dem fehlt oft das Geld, um auf eigene Faust ein neues Haushaltsgerät zu finanzieren – selbst, wenn es sich um dringend benötigte Dinge wie eine Waschmaschine handelt”, so Dr. Anhalt.

Zusätzlich kommen die stressigen Besuche oder Aufforderungen des Jobcenters hinzu: Das Gefühl, unter Generalverdacht zu stehen und sich permanent rechtfertigen zu müssen, löst bei vielen Menschen großen Druck und Verunsicherung aus. Statt sich auf die Arbeitssuche zu konzentrieren und das eigene Leben zu stabilisieren, sind Betroffene gezwungen, Zeit und Nerven in Widersprüche, Anträge und eventuelle Klageverfahren zu investieren.

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Jobcenter kontrollieren und betreiben bürokratischen Aufwand

Politisch wird das Bürgergeld immer wieder als zu teuer kritisiert. Parteien wie AfD, CDU, CSU und FDP thematisieren ständig die vermeintlich hohen Kosten, die mit dem Bezug sozialer Leistungen einhergehen. Häufig wird dabei suggeriert, Leistungsberechtigte seien für diese finanziellen Belastungen verantwortlich.

Allerdings zeigen Fälle wie dieser, “dass das Geld oft in bürokratische Kontrollen fließt, anstatt sinnvoll zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt eingesetzt zu werden”, so der Sozialrechtsexperte.

Die Jobcenter unterhalten teils aufwendige Kontrollmechanismen, die nicht nur Personalressourcen binden, sondern auch hohe Kosten verursachen. Dieser „Überwachungswahn“ steht in keinem Verhältnis zum durchschnittlichen Umfang eines Darlehens für eine Waschmaschine oder andere notwendige Anschaffungen.

Gerichte müssen immer wieder entscheiden

In vielen Fällen müssen Gerichte entscheiden, ob das Jobcenter richtig gehandelt hat oder nicht. Eine wichtige Rolle spielen hierbei Sozialgerichte, die bei Streitigkeiten über Leistungen des Bürgergeldes angerufen werden können.
Ein Beispiel ist ein Urteil des Sozialgerichts Kiel: Dort wurde entschieden, dass das Jobcenter einem Mann aus Schleswig-Holstein die Kosten für eine neue Waschmaschine sowie den Transport übernehmen muss – und zwar nicht nur als Darlehen, sondern als einmaligen Mehrbedarf.

Das Gericht sah es als erforderlich an, den Mann zu unterstützen, weil die defekte Waschmaschine eine unzumutbare Situation für ihn darstellte (Az: S35 AS 35/22).

Welche Rechte haben Bürgergeld-Leistungsberechtigte?

  • Anspruch auf Darlehen oder Zuschuss: Wenn ein unverzichtbares Haushaltsgerät wie eine Waschmaschine kaputtgeht und keine finanziellen Rücklagen vorhanden sind, kann entweder ein Darlehen oder in bestimmten Fällen sogar ein Zuschuss beantragt werden.
  • Verweis auf Gerichtsurteile: Es ist hilfreich, bereits im Antrag gegenüber dem Jobcenter auf einschlägige Urteile wie das des Sozialgerichts Kiel zu verweisen. Solche Urteile verdeutlichen, dass Gerichte in vergleichbaren Situationen zugunsten der Leistungsberechtigten entscheiden.
  • Dokumentation des Schadens: Fotos oder kurze Videos, die den Defekt deutlich machen, können bei der Antragstellung helfen. So lässt sich der Zustand des Geräts belegen und das Jobcenter hat weniger Anlass für aufwendige Prüfungen.
  • Rechtsbeistand einschalten: Stellt sich das Jobcenter weiterhin quer oder verzögert die Bearbeitung erheblich, kann ein Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin eingeschaltet werden. Kostenlose Beratungs- oder Prozesskostenhilfe ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Öffentlichkeit informieren: Gerade dann, wenn es zu unverhältnismäßigen Kontrollen kommt, hilft es, die Erfahrungen zu teilen – etwa über soziale Medien, Selbsthilfeorganisationen oder Projekte wie „Gegen Hartz“. Öffentlicher Druck kann dazu beitragen, dass die Behörden ihre Entscheidungspraxis überdenken.

Wie kann man sich vor überzogenen Maßnahmen schützen?

Wichtig ist, die eigenen Rechte zu kennen und sich nicht einschüchtern zu lassen. Zwar haben die Jobcenter im Zuge ihrer Ermittlungspflichten manchmal das Recht, Sachverhalte zu prüfen. Dennoch sollte jede Maßnahme verhältnismäßig sein.

Ein Außendienstbesuch wegen einer defekten Waschmaschine mutet unverhältnismäßig an, zumal die Behebung des Problems in aller Regel keine hohen Summen erfordert und die Kosten am Ende ohnehin vom Leistungsempfänger in Raten zurückgezahlt werden.
Leistungsberechtigte sollten sich bewusst machen, dass sie bei ungerechtfertigten Einschränkungen oder Eingriffen in die Privatsphäre durchaus rechtliche Schritte einleiten können.

Außerdem empfiehlt es sich, jegliche Kommunikation mit dem Jobcenter schriftlich festzuhalten – so lassen sich später eventuelle Unklarheiten oder Versäumnisse leichter belegen.

Weshalb ist Öffentlichkeit so wichtig?

Häufig sind es Fälle wie dieser, die zeigen, wie wichtig ein kritischer Blick auf behördliche Praktiken ist. Sobald solche Vorfälle publik werden, geraten die Jobcenter unter Druck, ihr Vorgehen zu erklären und zu begründen. Eine Berichterstattung in sozialen Medien, Blogs oder bei Initiativen wie „Gegen Hartz“ kann dazu beitragen, dass sich etwas ändert.

Je mehr Menschen von ähnlichen Erfahrungen berichten und sich zusammenschließen, desto stärker fällt der öffentliche Protest aus. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Politik und Behörden bestehende Richtlinien überdenken und die Bürokratie in angemessenere Bahnen lenken.