Arbeitslosigkeit vor Renteneintritt kann die Rente gefährden

Lesedauer 3 Minuten

Arbeitslosigkeit kurz vor dem geplanten Renteneintritt kann erhebliche Auswirkungen auf den Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente für besonders langjährig Versicherte haben.

Diese Rente ist normalerweise ab 63 Jahren für diejenigen möglich, die 45 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und damit abschlagsfrei vorzeitig in den Ruhestand gehen möchten.

Wird man jedoch in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld, zählt diese Zeit nur dann zur erforderlichen Wartezeit, wenn die Arbeitslosigkeit aufgrund einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers eingetreten ist.

Achtung: Wer ohne diese Voraussetzung arbeitslos wird, läuft Gefahr, die 45 Jahre nicht mehr voll zu bekommen.

Wieso zählt Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren nur bei Insolvenz oder Geschäftsaufgabe?
Die Wartezeit von 45 Jahren umfasst Zeiten, in denen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet werden. Darüber hinaus können bestimmte andere Zeiträume angerechnet werden, etwa der Bezug von Arbeitslosengeld.

Allerdings hat der Gesetzgeber für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn eine Einschränkung vorgesehen: Nur wenn die Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum insolvenz- oder geschäftsaufgabebedingt ist, werden die entsprechenden Monate auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet.

Damit soll verhindert werden, dass Versicherte strategisch kurz vor Rentenbeginn in die Arbeitslosigkeit wechseln, um eine sonst nicht erreichte Wartezeit zu füllen. In der Praxis führt diese Regelung jedoch immer wieder zu komplexen Einzelfällen, die genau geprüft werden müssen.

Praxisbeispiel: Der Fall von Herrn Ylmaz

Herr Ylmaz möchte die um zwei Jahre vorgezogene Rente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, weil er fast 45 Jahre Wartezeit erfüllt hat. Kurz vor seinem Rentenziel gerät sein langjähriger Arbeitgeber jedoch in eine Insolvenz und kann ihn nicht weiterbeschäftigen.

Durch einen befristeten Vertrag in einer Transfergesellschaft lässt sich die unmittelbare Arbeitslosigkeit zunächst abwenden, bis schließlich nur noch fünf Monate fehlen, um die 45 Jahre zu vollenden. Danach findet Herr Ylmaz keine neue Beschäftigung und wird arbeitslos.

Vor 2021 hätte nicht sicher festgestanden, ob sein Arbeitslosengeldbezug insolvenzbedingt anerkannt wird, weil zwischen Insolvenz und der tatsächlichen Arbeitslosigkeit ein Jahr in der Transfergesellschaft lag.

Ein Urteil des Bundessozialgerichts hat diese Rechtsfrage jedoch geklärt und bestätigt, dass die Insolvenz auch dann der Grund für die Arbeitslosigkeit sein kann, wenn der Arbeitnehmer zunächst in einer Transfergesellschaft arbeitet.

Für Herrn Ylmaz bedeutet das, dass seine fünf Monate Arbeitslosengeldbezug in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn als insolvenzbedingt gelten und somit zur Wartezeit zählen. Er kann die 45 Jahre also vollenden und seine abschlagsfreie Rente antreten.

Praxisbeispiel Herr Müller

Herr Müller erlebt eine ähnliche Situation, allerdings ohne Insolvenz oder Geschäftsaufgabe. Er verliert seine Stelle betriebsbedingt, weil sein Arbeitgeber lediglich eine Abteilung schließt, aber das Unternehmen selbst weiterführt.

Bei Herrn Müller fehlen noch zwei Monate, um auf 45 Beitragsjahre zu kommen. Sein Arbeitslosengeldbezug in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn kann nicht anerkannt werden, weil er nicht auf eine Insolvenz zurückzuführen ist. Mit dem Arbeitslosengeld allein kann er die fehlende Wartezeit daher nicht füllen.

Warum helfen freiwillige Beiträge nicht immer weiter?

Eine Möglichkeit, die letzten Monate zu überbrücken, sind freiwillige Rentenbeiträge. Seit dem 1. Juli 2014 werden solche Beiträge auch für die Wartezeit von 45 Jahren berücksichtigt, sofern der Versicherte mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge entrichtet hat.

Dieses Kriterium ist bei Herrn Müller längst erfüllt, da er viele Jahre versicherungspflichtig gearbeitet hat.

Ein Problem entsteht jedoch, wenn er in genau diesen zwei Monaten Arbeitslosengeld bezieht. Denn freiwillige Beiträge in den letzten zwei Jahren vor dem Rentenbeginn zählen nicht zur 45-jährigen Wartezeit, wenn während derselben Zeit eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vorliegt.

Anrechnungszeiten sind zwar bei der 35-jährigen Wartezeit relevant, beispielsweise für eine vorgezogene Rente mit Abschlägen, aber eben nicht für die Rente nach 45 Jahren ohne Abschläge.

Würde Herr Müller auf sein zweimonatiges Arbeitslosengeld verzichten, könnte er diese Lücke mit freiwilligen Beiträgen schließen, büßte jedoch eine nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung ein.

Ist ein Minijob die bessere Lösung?

Um beides zu vereinen – den Erhalt des Arbeitslosengeldes und gleichzeitig die Erfüllung der Wartezeit – kann ein Minijob die rettende Lösung sein. Wenn Herr Müller einen solchen Minijob findet und den Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung nicht abwählt, zählen diese Beschäftigungsmonate zur Wartezeit.

Er darf allerdings nicht mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten, da sonst die Agentur für Arbeit das Arbeitslosengeld nicht weiter bewilligen würde. Verdient er mehr als 165 Euro, wird die Leistung zudem gekürzt. Mit einem geeigneten Minijob kann er dennoch die nötigen Monate vervollständigen und rechtzeitig in die abschlagsfreie Rente starten.

Alle, die kurz vor der Altersrente für besonders langjährig Versicherte stehen und von Arbeitslosigkeit bedroht sind, sollten ihre Optionen genau prüfen.

Wer insolvenzbedingt arbeitslos wird, hat bessere Chancen, dass die letzte Phase des Arbeitslosengeldbezugs für die Wartezeit anerkannt wird.

Liegt hingegen keine Insolvenz oder Geschäftsaufgabe vor, kann es sinnvoll sein, Alternativen wie Minijobs oder – in Einzelfällen – den Verzicht auf Arbeitslosengeld zu erwägen. Auch freiwillige Beiträge können helfen, sofern sie nicht gleichzeitig mit einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit zusammentreffen.

Lesen Sie auch:

– Rente: Finanzamt verärgert Rentner – Ab jetzt sogar vierteljährlich zahlen

Fazit: Arbeitslosigkeit kann die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Rentenversicherte gefährden

Arbeitslosigkeit kann die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte gefährden, wenn sie unmittelbar vor dem geplanten Rentenbeginn eintritt.

Die rechtlichen Voraussetzungen sind dabei komplex und hängen maßgeblich von der Ursache der Arbeitslosigkeit ab. Betroffene sollten sich möglichst früh beraten lassen, ob Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs angerechnet werden oder ob ein Minijob beziehungsweise freiwillige Beiträge sinnvoll sind.

So lassen sich finanzielle Nachteile vermeiden, und der Übergang in die Rente kann trotz unerwarteter Jobverluste möglichst reibungslos gestaltet werden.