Bürgergeld-Bezieherin deckt Jobcenter Schmiergeld Affäre auf

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Noch ist es ein Verdacht. Ein Mitarbeiter des Jobcenters in Remscheid soll Sozialleistungen gegen Schmiergeld ausgezahlt haben. Aufmerksam wurden die Ermittler, weil eine zuvor Bürgergeld-Berechtigte ein kriminelles Angebot meldete, das der Angestellte der Behörde gemacht hatte.

Anruf des Mitarbeiters statt Bescheid vom Jobcenter

Die Betroffene hatte zusammen mit ihrem Ehemann Leistungen des Bürgergelds (in Zukunft Neue Grundsicherung) bezogen. Ihr Mann hatte den Weg hinaus aus der Erwerbslosigkeit geschafft und sich selbstständig gemacht.

Deshalb bestand voraussichtlich kein Anspruch der beiden mehr auf die zuvor bezogene Sozialleistung. Dem Ehepaar war das bewusst. Statt jetzt aber einen Bescheid vom Jobcenter zu erhalten, dass sie in Zukunft keine Grundsicherung, mehr erhalten würden, rief der zuständige Mitarbeiter bei Ihnen an.

Jobcenter Mitarbeiter bietet Grundsicherung gegen Bezahlung

Er bot dem Ehepaar an, dafür zu sorgen, dass sie weiterhin Grundsicherung bekämen. Im Gegenzug sollten sie ihm 1.500 Euro zahlen. Statt auf diesen Deal einzugehen oder ihn zu ignorieren, zeichnete die Frau das Gespräch auf.

Die Aufnahmen leitete sie an die Amtsleitung weiter. Diese erstattete Anzeige und die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Amtsträger. Die Ermittler untersuchten das Reihenhaus des Angestellten, und sie wurden fündig. Sie beschlagnahmten sein Mobiltelefon, untersuchten es und fanden Daten mit Namen und Geldsummen.

Ermittlungen in acht Fällen

Sie glichen diese Dateien mit den Daten der Bundesagentur für Arbeit ab, und so stellten sie fest, von welchen Kunden vermutlich welche Gelder an den Angestellten geflossen waren. Außer dem Angebot an die ehrliche bisherige Empfängerin von Sozialleistungen fanden sie sieben weitere Fälle.

Konkreter Verdacht besteht

Bis zu einem Urteilsspruch gilt die Unschuldsvermutung. Allerdings besteht gegen den Mitarbeiter ein konkreter Verdacht wegen Bestechlichkeit in bisher acht Fällen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft in Wuppertal. Aus den offenen Beträgen und Namen der Liste geht hervor, dass der Angestellte mit den Betroffenen eine Ratenzahlung vereinbart hatte.

Bei Bestechung drohen mehr als sechs Jahre Haft

Es handelt sich bei einer Verurteilung nicht um ein Kavaliersdelikt. Als Angestellter dieser Behörde ist der Mitarbeiter ein Amtsträger. Kommt es jetzt im Verfahren zu einem Schuldspruch wegen Bestechung, dann sind bis zu fünf Jahre Haft möglich, selbst bei einem geringen Strafmaß drohen immerhin noch sechs Monate Gefängnis.

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Ähnlicher Fall in Osnabrück im Jahr 2022

Ein Leistungssachbearbeiter in Osnabrück stand 2022 vor dem Amtsgericht. Der Vorwurf lautete:
„In sieben Fällen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Untreue“.

Der Bearbeiter kürzte einem von Grundsicherung Abhängigen die Leistung und schlug ihm vor, ihm wieder den vollen Satz gewähren gegen Zahlung einer Summe. Der Betroffene händigte ihm 380,00 Euro aus.

Einem anderen Leistungsberechtigten bewilligte er eine zu hohe Kostenerstattung und ließ sich davon 340,00 Euro auszahlen. Von einer weiteren Leistungsberechtigten trieb er insgesamt 2.200 Euro ein.

Ein-Euro-Jobber zur Arbeit im Privatgarten gezwungen

In diesem Fall handelt es sich noch um einen Verdacht. Allerdings wurden Sachbearbeiter vom Jobcenter in der Vergangenheit bereits rechtskräftig verurteilt. So zwang die ehemalige Leiterin des Jobcenters Halle, Ein-Euro-Jobber in der Grundsicherung zu Garten- und Landschaftsaftsarbeiten auf ihrem Privatgrundstück und drohte den Betroffenen mit Sanktionen, falls sie diese private Ausbeutung verweigern würde.

Die kriminellen Praktiken der Jobcenter-Leiterin waren, laut Mitarbeitern der Behörde, kein Geheimnis. Erst als die betroffenen Ein-Euro-Jobber an die Öffentlichkeit gingen und die Presse die gesetzwidrigen Machenschaften publizierte, begannen Ermittlungen, welche zur Entlassung der Dame führten.

Zahlungen des Jobcenters auf eigenes Konto überwiesen

Auch die Stadt Peine hat Erfahrungen mit Kriminellen im Jobcenter. Ein dortiger Mitarbeiter sorgte dafür, dass Zahlungen für vermeintliche Leistungen der Behörde auf sein eigenes Konto überwiesen wurden. Der Schaden, den er verursachte, lag bei rund 37.000 Euro.

Der Kreissprecher Henrik Kühn kommentierte seinerzeit den Fall: „Bei den inzwischen festgestellten Betrugsfällen kommen eine anzunehmende hohe kriminelle Energie und Insiderwissen zusammen, was dazu geführt hat, die Manipulationen vorübergehend den systematischen Prüfsystemen zu entziehen.“

Auf Kosten der Schwächsten

Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, zählen zu den finanziell am stärksten benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft. Für sie machen die Leistungen des Jobcenters oft den entscheidenden Unterschied – etwa zwischen einer warmen Mahlzeit und leerem Kühlschrank, zwischen einer beheizten Wohnung und dem Leben in der Kälte.

Wenn jedoch Personen mit kriminellem Hintergrund über die Vergabe dieser existenziellen Leistungen entscheiden, kann das gravierende Folgen für die Betroffenen haben – sowohl finanziell als auch menschlich.