Ein Umzug von alleinerziehenden Müttern kann unzumutbar sein bei Unterstützungsleistungen von Dritten.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II sind die tatsächlichen Mietaufwendungen – soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen – als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.
In jedem Einzelfall ist vom Jobcenter zu prüfen, ob sich aus Einzelfallumständen ein abweichender Leistungsanspruch ergibt.
Insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle können es als unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen.
Maßgebend sein können hier die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld von minderjährigen schulpflichtigen Kindern, die Rücksichtnahme auf eine besondere Infrastruktur bei Alleinerziehenden (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R – ).
Gerade in letzter Zeit melden sich bei gegen-hartz.de immer mehr alleinerziehende Mütter, welche eine Kostensenkungsaufforderung vom Jobcenter bekommen haben, ehrlich gesagt ein Trauerspiel, denn diese Mütter mit ihren Kindern haben große Existenzängste und können sich aus eigener Kraft kaum helfen.
Mein Name ist Detlef Brock, bekannt bin ich als Redakteur und Ersteller vom Rechtssprechungsticker von Tacheles e. V.
Was kann ich diesen Menschen, verängstigten Frauen raten?
Als 1. immer versuchen Ruhe zu bewahren und die Kinder nicht zu beunruhigen.
Liebe Mütter, meistens Laien des Sozialrechts, erhaltet ihr eine Kostensenkung vom Jobcenter, nehmt eure Unterlagen und lasst diese prüfen von einem Rechtsanwalt für Sozialrecht, denn in sehr vielen Fällen ist die Senkung eurer Mietkosten – unwirksam – rechtswidrig!
Das ist zum Beispiel bei Erhaltung des sozialen und schulischen Umfelds der minderjährigen Kinder der Fall!
1. weil das Jobcenter den Einzelfall nicht richtig untersucht hat und z. Beispiel das schulische Umfeld der Kinder nicht berücksichtigt hat ( LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.07.2023 – L 5 AS 643/22 – ).
2. Bei schulpflichtigen Kindern müssen Jobcenter auch Ermittlungen anstellen zu Alternativ Wohnungen, wird dies unterlassen, ist die Aufforderung zur Kostensenkung mangelhaft
3. Die Kostensenkungsobliegenheiten müssen vom Jobcenter auf die individuellen Verhältnisse angepasst werden, etwa durch Verweis auf anmietbare Wohnungen im Einzugsbereich der Schule, wenn dies aktenkundig beim Jobcenter ist ( LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.07.2023 – L 5 AS 643/22 -).
zum Beispiel bei Wegfall der Betreuungsleistungen oder Hilfe von Dritten ( (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – )
Auch der Umstand der Alleinerziehung kann als Regelbeispiel beachtlich für die subjektive Unzumutbarkeit eines Umzugs sein, wenn etwa eine vorhandene und benötigte Betreuungsstruktur nicht im gesamten Vergleichsraum zugänglich ist.Ist das Vorliegen solcher Umstände im Ausgangspunkt aktenkundig, sind diese vom Träger der Grundsicherungsleistungen und den Gerichten im Einzelnen aufzuklären und die Konsequenzen von Amts wegen zu beachten.
Die individuellen Umstände müssen vom Jobcenter erfasst und berücksichtigt werden.
Zum Beispiel, weil das Nähere soziale Umfeld Alleinerziehender, Kinder vom Jobcenter nicht beachtet wurde!
Denn auch ein Umzug für – Alleinerziehende muss zumutbar sein ( LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.07.2018 – L 6 AS 105/18 B ER – ).
So kann ein Umzug unzumutbar sein für eine Mutter und ihre minderjährigen Kinder, weil sie seit vielen Jahren Unterstützungsleistungen von Nachbarn und Dritte bei der Betreuung ihrer Kinder erhält, denn sie macht gerade eine Umschulung. Bei einem Wohnungswechsel in entferntere Stadtteile würde ein Rückgriff auf die bestehende Infrastruktur verloren gehen. Hierdurch würde sich die Situation der Familie deutlich verschlechtern. Der Rückgriff auf das soziale Umfeld wäre nicht mehr möglich.
Fazit
Wenn das Jobcenter zum Absenken der Mietkosten auffordert, muss es nach gängiger Rechtsprechung eins immer beachten
In jedem Einzelfall ist vom Jobcenter zu prüfen, ob sich aus Einzelfallumständen ein abweichender Leistungsanspruch ergibt. Insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle können es als unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen.
Praxistipp: Kinderwohngeld beantragen
Besonders bei Alleinerziehenden ist zu berücksichtigen, dass wenn die Kinder einen sogenannten Anspruch auf Kinderwohngeld haben, die Kinder kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mehr sind und sich dadurch die kopfanteilge Mietobergrenze für den Rest der Bedarfsgemeinschaft erhöht.
Da durch kann der Sonderfall entstehen, dass die Wohnung doch angemessen wird und die Kostensenkungsaufforderung damit nichtig ist.
Kinderwohngeld kommt dann in Betracht, wenn die Alleinerziehende Bürgergeld bezieht und das Kind, welches im gleichen Haushalt wohnt, eigenes Einkommen bezieht und bislang Teil der Bedarfsgemeinschaft ist. Als Einkommen des Kindes werden u.a. Kindergeld, Unterhalt, Unterhaltsvorschuss oder auch Halbwaisenrente angerechnet.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.