Eine gute Vorbereitung auf das Gespräch mit dem Sachbearbeiter im Jobcenter kann viel Stress und Ärger für Bürgergeld-Bezieher ersparen und vor möglichen Sanktionen schützen. Dabei greifen manche Leistungsberechtigte auf unterschiedliche „Gesprächstechniken“ zurück, um sich weder übervorteilen zu lassen noch unnötige persönliche Informationen preiszugeben.
In diesem Beitrag schauen wir uns die neu vorgestellte Methode, die sogenannte „Endlos-drauflosquatschen-Technik“, genauer an und gehen darauf ein, wie sie funktioniert, welche Vor- und Nachteile sie birgt und in welchen Situationen sie am sinnvollsten angewandt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es bei den monatlichen Meldeterminen im Jobcenter?
Die Jobcenter laden Leistungsbeziehende häufig zu kurzen Terminen ein, bei denen unter anderem folgende Punkte besprochen werden:
- Aktuelle Lebenssituation: Wie ist der Stand auf dem Arbeitsmarkt, wurden Bewerbungen verschickt, gab es Vorstellungsgespräche?
- Vermittlungsangebote: Maßnahmen, Ein-Euro-Jobs oder Weiterbildungsangebote, die zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt beitragen sollen.
- Rechtsfolgen: Bei Weigerung, bestimmte Angebote anzunehmen oder mangelnder Kooperation drohen möglicherweise Leistungskürzungen oder Sanktionen.
In letzter Zeit haben sich die Termine für einige Betroffene sogar intensiviert, sodass manch einer fast monatlich zum Gespräch gebeten wird. Umso wichtiger ist es, eine eigene Gesprächsstrategie zu haben, um nicht ständig denselben Erklärungsdruck zu erleben oder sich in Widersprüche zu verstricken.
Was sind Jobcenter-Gesprächstechniken und warum sind sie wichtig?
Gesprächstechniken für den Jobcenter-Termin sind Methoden, die Leistungsbeziehende anwenden können, um das Gespräch inhaltlich zu steuern und Konfliktsituationen zu entschärfen.
Ziel ist meist, so wenig verwertbare oder kritische Informationen über sich selbst preiszugeben, die zu Sanktionen führen könnten. Auf diese Weise behalten Betroffene die Kontrolle und fühlen sich sicherer im Umgang mit ihrer Sachbearbeitung.
Wichtig ist hierbei, dass niemand zu einem „Vollverweigerer“ werden sollte. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter haben ihre Vorgaben und stehen oft selbst unter Druck.
Eine gewisse Bereitschaft zur Kooperation oder wenigstens eine freundliche, kommunikative Oberfläche kann die Situation entschärfen und unnötige Spannungen vermeiden.
Welche bekannten Gesprächstechniken existieren bereits?
In der „Jobcenter Academy“ sind bereits mehrere Methoden vorgestellt worden, darunter etwa:
- Nicht einschüchtern lassen: Sich nicht einschüchtern lassen, freundlich, aber bestimmt auf seine Rechte hinweisen.
- Mundfauler Elo: Wenig reden, nur das Nötigste preisgeben, um nicht angreifbar zu sein.
- Kein Gelaber – keine Zusage-Technik: Keine verbindlichen Zusagen machen, sondern eher ausweichend bleiben und Zeit gewinnen.
- Nichts-sagende-Technik: Gar nichts mehr sagen und sich notfalls sanktionieren lassen (was jedoch sehr riskant ist und in der Praxis nicht empfohlen wird).
Jede dieser Methoden hat ihre Stärken und Schwächen. Sie können helfen, einen eigenen Gesprächsstil zu entwickeln und besser mit Stress oder Druck umzugehen.
Was ist die Endlos-drauflosquatschen-Technik?
Die Endlos-drauflosquatschen-Technik basiert auf der Idee, den Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin mit einer Flut von irrelevanten, jedoch unverfänglichen Informationen zu „überwältigen“. Anstatt zu schweigen oder sich in einer Diskussion um strittige Themen zu verhaken, wird ohne Punkt und Komma geredet – jedoch möglichst ohne etwas wirklich Wichtiges preiszugeben.
Elemente dieser Methode:
- Sehr viel und sehr lange sprechen
- Vom Hundertsten ins Tausendste kommen
- Themenwechsel in schneller Abfolge, sodass sich kein konkreter Kern herausfiltern lässt
- Keine persönlichen Details, die gegen einen verwendet werden könnten
Wie kann man die Technik konkret anwenden?
1. Direkter Einstieg bei der Begrüßung
Wenn die Fachkraft am Anfang fragt, wie es Ihnen geht, ist das der ideale Moment:
- Setzen Sie mit einer persönlichen, aber unverfänglichen Geschichte an (z.B. über Nachbarn, Bekannte oder Familienmitglieder).
- Verlieren Sie sich in kleinen Details, doch achten Sie darauf, dass Sie selber kaum verwertbare Informationen liefern.
2. Politik, Fußball oder Gott
Klassische Themen mit großem Smalltalk-Potenzial sind Politik, Religion oder auch Sport. Man kann schnell abschweifen und Anekdoten erzählen, ohne persönlich oder angreifbar zu werden.
3. Sorge um den Arbeitsmarkt
Ein häufiges Gesprächsthema im Jobcenter ist natürlich Arbeitssuche und Weiterbildung. Sie können die Chance nutzen und ausführen, wie die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet, wie KI viele Stellen ersetzt und warum das Sie persönlich sehr beschäftigt – ohne dabei zu sagen, dass Sie selbst aktiv keinen Job suchen.
4. Persönliche Geschichten anderer
Wenn konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden, können Sie ausführlich erzählen, welche Erfahrungen „ein Bekannter Ihres Onkels“ oder „die Freundin Ihrer Cousine“ damit gemacht hat und wie schlecht diese Maßnahmen angeblich organisiert waren.
Wie lässt sich diese Technik bei drohenden Maßnahmen nutzen?
Das Jobcenter ist bekannt dafür, verstärkt Maßnahmen zu vergeben: Weiterbildungen, Qualifizierungsangebote, Coachings oder Ein-Euro-Jobs. Oft wird schnell Druck aufgebaut, verbunden mit dem Hinweis auf Kürzungen bei Weigerung.
Strategie:
- Nicht direkt verweigern: Ein schlichtes „Nein“ kann den Anschein des Nichtmitwirkens erwecken.
- Stattdessen Endlosquatschen: Wenn das Gespräch auf eine Maßnahme gelenkt wird, erzählen Sie Anekdoten über dubiose Träger, ineffiziente Kurse oder Schicksale anderer, die nie etwas davon hatten.
- Zeit schinden: Wenn Ihr Gesprächspartner ständig unterbricht, ignorieren Sie dies dezent. So vergeht die für Sie vorgesehene Zeit rasch, ohne dass ein konkretes Ergebnis erzielt wurde.
Am Ende kann Ihre Sachbearbeiterin oder Ihr Sachbearbeiter frustriert aufgeben oder das Thema vertagen – mit etwas Glück wird die Einladung für weitere Termine seltener.
Welche Vor- und Nachteile hat diese Technik?
Vorteile
- Stressreduktion: Wer „Drauflosquatscht“, hat weniger das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden.
- Vermeidbare Sanktionen: Durch das Sprechen verhalten Sie sich kooperativ und umgehen das Image des „Vollverweigerers“.
- Zeitgewinn: Die vorgegebene Gesprächszeit lässt sich leicht „absitzen“, ohne konkrete Zusagen machen zu müssen.
Nachteile
- Hoher Energieaufwand: Es ist nicht jedermanns Sache, so viel zu reden. Viele fühlen sich dabei unwohl.
- Mögliche Genervtheit des Gegenübers: Die Sachbearbeitung kann das als Provokation empfinden; das kann sich langfristig negativ auswirken.
- Riskante Gratwanderung: Wer zu transparent erscheint, läuft Gefahr, doch persönliche Details zu offenbaren.
Für wen eignet sich die Endlos-drauflosquatschen-Technik?
Diese Methode ist besonders für Menschen geeignet, die sich in Situationen, in denen viel gesprochen wird, wohlfühlen. Wer gerne redet und leicht ins Plaudern kommt, kann diese Technik relativ glaubwürdig anwenden.
Allerdings lässt sie sich auch gezielt üben, beispielsweise indem man sich zu Hause oder mit einer Vertrauensperson darauf vorbereitet. Wichtig ist ein gutes Gespür für Smalltalk-Themen, die nicht auf Sie selbst zurückfallen oder als persönliche Angaben ausgewertet werden können.
Immer einen Beistand zum Jobcenter mitnehmen
Eines der wichtigsten Elemente bei Jobcenter-Terminen ist der Beistand. Nach § 13 SGB X hat jede Leistungsberechtigte das Recht, zum Termin eine Vertrauensperson mitzunehmen. Dieser Beistand kann:
- Mitschreiben, wenn wichtige Informationen besprochen werden.
- Selbst eingreifen, wenn das Gespräch unsachlich wird.
- Die Gesprächstechnik unterstützen, zum Beispiel durch eigene Einwürfe, um das „Drauflosquatschen“ zu beleben und Unklarheiten einzustreuen.
Wenn es darum geht, die Sachbearbeitung mit vielen Informationen und Anekdoten zu „versorgen“, kann der Beistand diese Taktik verstärken, indem er weitere kleine Geschichten erzählt oder auf andere Erfahrungen hinweist.
Fazit: Eine von vielen Methoden – aber nicht für jeden geeignet
Die Endlos-drauflosquatschen-Technik ist eine mögliche Strategie im Umgang mit dem Jobcenter. Sie kann dabei helfen, Drucksituationen zu entschärfen und sich Zeit zu verschaffen, ohne offen als Verweigerer dazustehen.
Andererseits erfordert sie eine gewisse Redelust und die Fähigkeit, schnell von einem harmlosen Thema zum nächsten zu springen, ohne sich selbst in Widersprüche zu verwickeln.
Ob man sich damit tatsächlich Einladungstermine ersparen oder unangenehme Maßnahmen abwehren kann, hängt immer von den Umständen, der Persönlichkeit und der jeweiligen Sachbearbeitung ab.
Für manche kann es eine humorvolle oder zumindest weniger belastende Art sein, den Besuch im Jobcenter zu überstehen – für andere kann es anstrengend oder sogar kontraproduktiv sein.
In jedem Fall lohnt sich ein bewusster Umgang mit den eigenen Rechten und Pflichten im Jobcenter. Ein guter Mix aus grundlegender Kooperationsbereitschaft, sachlichem Wissen über die eigenen Ansprüche und einer ausgewählten Kommunikationstechnik kann helfen, diese Termine selbstbewusster und sicherer zu gestalten.
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