Bislang muss das Jobcenter jede noch so kleine überzahlte Summe zurückfordern. Das soll sich beim Bürgergeld verändern.
So kommt es auch zu wirtschaftlich völlig unsinnigen Forderungen, die unter dem Wert der Briefmarke(n) liegen, mit der sie verschickt werden. Beispielsweise gibt es “Hartz IV”-Forderungen über 0,34€ – 34cent, frankiert mit 0,85€. Für eine Rückforderung sind sogar mehrere Schreiben erforderlich:
- Anhörung
- Änderung des Bescheids
- Aufrechnungsbescheid
Die Rückforderung von Kleinbeträgen ist völlig unwirtschaftlich und belastet auch die Verwaltung massiv. Es war höchste Zeit für eine diesbezügliche Veränderung! Diese kommt nun endlich mit dem Bürgergeld.
Inhaltsverzeichnis
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Einführung Bagatellgrenze im Bürgergeld
Ab 1.1. wird eine Bagatellgrenze von 50€ für Rückforderungen mit §40 Abs1 S3-5 SGB II (neu ab 1.1.23) eingeführt.
Parallel wird diese 50€ Bagatellgrenze auch bei endgültigen Bescheiden nach einer vorläufigen Bewilligung nach §41a SGB II gelten.
Daher wurde §41a Abs6 S3 SGB II entsprechend angepasst:
Die neue Regelung sagt in beiden Fällen aus, dass Forderungen unter 50€ je Prüfvorgang und für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nicht zurückgefordert werden sollen. Dieses “je Prüfvorgang” ist wichtig!
Bagatellgrenze je Prüfvorgang
Es geht um die Rückforderung die durch eine Prüfung entsteht, nicht um die Rückforderung, die in einem Bewilligungsabschnitt entsteht.
Insbesondere §40 Abs1 S4 SGB II ist da eindeutig:
“Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen.”
Erklärung anhand eines Beispiels:
Jana arbeitet und hat ein schwankendes Einkommen. Ihr wurden daher nur vorläufige Leistungen bewilligt.
Sie reicht ihre Lohnabrechnung für Januar ein
– es ergibt sich eine Überzahlung von 43€
Es wird gerechnet, aber aufgrund der Bagatellgrenze nicht zurückgefordert.
Sie reicht die Lohnabrechnung für Februar ein
– es gibt eine Überzahlung von 14€
Wieder keine Rückforderung.
Veränderung des Beispiels:
Jana reicht die beiden Lohnabrechnungen gemeinsam ein.
Es ergibt sich für Januar eine Überzahlung von 43€ (siehe oben), für Februar von 14€. Die Gesamtforderung beträgt 57€, diese liegt über der Bagatellgrenze und wird zurückgefordert.
Hier wird deutlich, was es bedeutet, dass es um den einzelnen Prüfvorgang, den einzelnen Vorgang beim Sachbearbeiter geht.
Hintergrund dieser ungleichen Handhabung ist, dass es nicht um den Rechtsschutz für den Leistungsberechtigten geht, sondern lediglich um eine Vereinfachung für die Verwaltung.
Daraus resultiert ein gewisser Handlungsspielraum für den einzelnen Sachbearbeiter, denn er bestimmt, wie er einen Prüfvorgang abgrenzt.
Verrechnung von Erstattungen und Nachzahlungen
Bei einem Prüfvorgang werden alle Erstattungen und auch Nachzahlungsvorgänge zusammengerechnet und das Ergebnis bestimmt dann, ob eine Rückforderung erfolgt.
Dies geht aus der Gesetzesbegründung eindeutig hervor:
Denkbar sind hier eine Vielzahl von Vorgängen zB:
- höherer Lohn
- Neben- /Heizkostenguthaben oder -nachzahlungen
- kleine Geldgeschenke
- weniger/mehr Umgangstage beim umgangsberechtigten Elternteil
Dabei spielt das Verschulden von Rückforderungen keine Rolle!
Tipps zum Umgang mit der Bagatellgrenze
- Bei höherem Lohn als vorausberechnet, Lohnabrechnungen normalerweise monatlich einreichen, wenn die Rückforderung unter 50€ bleiben wird.
- Kleine Rückforderungsvorgänge schnell und einzeln einreichen
- Vor nächster Einreichung Bearbeitung abwarten
- Größere Rückforderungen geschickt mit kleinen Nachzahlungen kombinieren. Z.B. Nebenkostenguthaben von 55€ – zusammen mit der Lohnabrechnung einreichen, die normalerweise zu einer Nachzahlung von 10€ führen würde.
Ergebnis: 45€ – keine Rückforderung
Rechtsgrundlagen
§40 Abs1 SGB II (Fassung ab 1.1.23)
§41a Abs6 SGB II (Fassung ab 1.1.23)
Die Neufassung des SGB II ist konsolidiert abrufbar bei Tacheles hier.
Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
Ein kritischer Artikel zur sog. Bagatellgrenze findet sich auch hier.
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de