Aktuell gilt bei Hartz IV das Sanktionsmoratorium -Sanktionen sind nur bei wiederholten Meldeversäumnissen und bis maximal 10% möglich. Ab 1.Januar 2023 kehren Sanktionen mit dem Namen “Leistungsminderung” im Rahmen der Bürgergeld-Einführung zurück.
Inhaltsverzeichnis
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Das Sanktionsmoratorium
Das Sanktionsmoratorium (§84 SGB II) sollte Sanktionen nach §31 SGB II ursprünlich bis zum 1.Juli 2023 komplett aussetzen. Nur noch für wiederholt nicht wahrgenommene Termine (Meldeversäumnisse) gibt es danach eine Sanktion von maximal insgesamt 10% des Regelbedarfs des Betroffenen.
Ursprünglich sollte das Sanktionsmoratorium bis zum 1.Juli 2023 gelten, nun aber haben CDU und CSU im Vermittlungsausschuss dafür gesorgt, dass die Angst vor Kürzungen schon am 1. Januar 2023 wieder in das Leben von Leistungsberechtigten zurückkehrt.
Leistungsminderungen im Bürgergeld
Die Gründe für Sanktionen / Leistungsminderungen sind in §31 SGB II bzw. für nicht wahrgenommene Termine in §32 SGB II geregelt. An den Voraussetzungen für eine Kürzung ändert sich im Verhältnis zum Arbeitslosengeld vor der Einführung des Sanktionsmoratoriums nichts.
3 Stufen der Leistungsminderung
Geändert werden lediglich die rechtlichen Folgen.
Es gibt im Bürgergeld 3 Stufen der Leistungsminderung:
1. Stufe: 10% Minderung für 1 Monat
2. Stufe: 20% Minderung für 2 Monate
3. Stufe: 30% Minderung für 3 Monate
(Kombination von §31a Abs1 mit §31b Abs2 SGB II)
Leistungminderung der Stufe 1 gibt es für eine erste Pflichtverletzung, Stufe 2 bei einer weiteren Pflichverletzung und Stufe 3 bei jederen weiteren Pflichtverletzung.
“Weitere Pflichtverletzung”
Aber wann handelt es sich um eine “weitere Pflichtverletzung”?
1. Der Beginn der letzten Minderund ist höchstens 1 Jahr her. §31a Abs1 S5 SGB II
2. Die Leistungsminderung für die vorherige Pflichtverletzung wurde bereits festgestellt. §31a Abs1 S4 SGB II
Das Urteil des BSG vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R konkretisiert das: Die Sanktion muss bekanntgegeben sein.
Bevor die vorherige Sanktion mitgeteilt wurde, kann es keine höhere Sanktionsstufe geben. Der Betroffene muss auf die erste Sanktion zu reagieren können.
Um eine Sanktion bekanntzugeben ist zunächst eine Anhörung erforderlich, die nach §31a Abs2 SGB II auf Antrag sogar persönlich erfolgen soll.
Es kommt ein Anhörungsschreiben, mit Reaktionsfrist. Erst wenn diese abgelaufen ist, darf ein Sanktionsbescheid erlassen werden.
Dieser Sanktionsbescheid muss erst den Sanktionierten erreichen (bekanntgegeben sein), dies wird 3 Tage nach Versand (Postlaufzeit) als gegeben angenommen. Erst für Pflichtverletzungen/versäumte Termine nach diesem Zeitpunkt ist eine Sanktion der nächsten Stufe möglich.
Beispiel zur weiteren Pflichtverletzung
Paul arbeitet Teilzeit in einem Imbiss und verdient netto 1100€ Netto. Die Wohnung kostet 448€.
Er erhält ergänzend 250€ vom Jobcenter.
Er hat ein Stellenangebot zugeschickt bekommen und sollte sich bewerben. Das hat er nicht getan.
Eine Woche später läuft die Frist ab, bis zu der er sich bei einer Maßnahme anmelden sollte.
Das Jobcenter darf, wenn es vor Fristablauf noch keine Sanktion bekanntgegeben hat (unmöglich wg. Anhörung), trotz zweier Sanktionsgründe nur Stufe 1 anwenden. ABER: Lies weiter!
Beschränkungen der Sanktionsmöglichkeiten
Es gibt aber noch einige weitere Regelungen zu den Sanktionen:
1. Wenn der Sanktionierte seine Pflicht nachholt, dann wird die Sanktion (egal welche Stufe) zu diesem Zeitpunkt aber frühstens nach 1 Monat aufgehoben. Das ist wichtig für Stufe 2+3.
2. Wenn der Sanktionierte “ernsthaft und nachhaltig” erklärt, seinen Pflichten ab jetzt nachzukommen, wird die Sanktion (frühstens nach 1 Monat) aufgehoben.
Wie “nachhaltig” zum Zeitpunkt der Erklärung eingeschätzt werden soll, bleibt völlig unklar.
§31a Abs1 S6 SGB II
3. Vor Erlass einer Sanktion muss der Betroffenen angehört werden.
Auf Verlangen soll die Anhörung persönlich stattfinden.
Soll = Abweichung nur mit Begründung
Bei Sanktionen der Stufe 2 und 3 soll die Anhörung auch ohne Wunsch persönlich stattfinden.
§31a Abs2 SGB II
4. Härtefallregelung:
Es wird nicht sanktioniert, wenn durch die Sanktion eine besondere Härte eintreten würde.
Beispiele:
– Ratenzahlung aufgrund von Stromnachzahlung
– Wohnkosten müssen wg. Unangemessenheit zum Teil vom Regelbedarf gezahlt werden
§31a Abs4 SGB II
5. Eine verspätete Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit wird beim Jobcenter wie ein Meldeversäumnis mit 10% für einen Monat bestraft.
§31a Abs1 S7 SGB II
6. Die Leistungen werden maximal um 30% des Regelbedarfs der einzelnen Person gesenkt.
§31a Abs4 S1 SGB II
7. Es darf nicht in die Kosten der Unterkunft hinein sanktioniert werden.
Wer als Aufstocker weniger vom Jobcenter erhält als seine Wohnkosten, für den gibt es keine Leistungsminderungen.
Über diese wichtige Regelung wird es einen eigenen Artikel geben
§31a Abs4 S2 SGB II
Für Paul aus dem Beispiel bedeutet das:
Er erhält nur 250€ vom Jobcenter, seine Wohnkosten betragen 450€. Folglich erhält er nur noch Kosten der Unterkunft vom Jobcenter. Dies schließt eine Sanktion durch das Jobcenter komplett aus. Er muss sich keine Sorgen machen.
Anmerkung zur Sprache:
Hier werden dir Begriffe “Sanktion” und “Leistungsminderung” bewusst als Synonyme verwendet.
Die Kürzungen sollen zur Einhaltung von Normen zu zwingen. Damit sind die “Leistungsminderungen” eindeutig weiterhin Sanktionen.
Die Umbennung ändert nichts.
Rechtsgrundlagen
§31 SGB II (ab 1.1.) – Sanktionsgründe
§31a SGB II (ab 1.1.) – Folgen einer Pflichtverletzung
§31b SGB II (ab 1.1.) – Beginn+Dauer der Sanktion
§32 SGB II (ab 1.1.) – Meldeversäumnis
Den Gesetzestext ab 1.1. in der konsolidierten Fassung von Tacheles e.V.:
https://tacheles-sozialhilfe.de/files/Aktuelles/2022/SGB-II-Konsolidiert-zum-01-01-2023-V-6.pdf
Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de