Rückforderungen und Darlehen betreffen meist die gesamte Bedarfsgemeinschaft – damit entstehen auch Schulden auf den Namen der Kinder.
Die minderjährigen Kinder haften dadurch mit ihrem Ersparten auch für Fehler, die entweder das Amt oder die Eltern gemacht haben.
Inhaltsverzeichnis
Regelung im Arbeitlosengeld 2 bis 31.12.22
Schon heute ist es so, dass mit dem 18.Geburtstag alle Schulden des Kindes, die zB beim Jobcenter entstanden sind, weg sind. Aber das Kind muss mit seinem Vermögen haften – es startet also mit 0€.
Bisher gilt §1629a BGB “so wie er ist” auch im SGB II – das Kind muss also mit seinem vollen Vermögen für Überzahlungen, Rückforderungen und ähnliches haften, die von den Eltern verursacht wurden.
§1629a BGB
“Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern (…) mit Wirkung für das Kind begründet haben(…) beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes… “
Das bedeutet nichts anderes, als, dass ein Geburtstagskind am Morgen seines 18.Geburtstag, ohne Schulden aufwacht. Egal durch was diese entstanden sind (Ausnahme ist nur eine eigene Selbstständigkeit – kommt äußerst selten vor).
Beispiel
Jakob hat eine Ausbildung begonnen, der erste Lohn kam am 30.9.. Daher hat das JC die Leistungen für Jakob zurückgefordert. Außerdem bestehen beim Amt weitere Forderungen gegen ihn aus Nebenkostenguthaben und Überzahlungen wegen schwankendem Einkommen der Eltern.
Es bestehen beim Jobcenter Schulden auf seinen Namen in Höhe von insgesamt 1965€ (Stand 30.10.)
Jakob wird am 1.11. 18 Jahre alt. Am Morgen des Geburtstags hat er 1200€ auf dem Konto und 65€ in bar.
Aufgrund der beschränkten Minderjährigenhaftung belaufen sich die Schulden über Nacht auf nur noch auf sein Vermögen. Dieses besteht aus 1200€ Guthaben +65€ Bar. Folglich sind bis 31.12. nur noch 1265€ beim Jobcenter zu zahlen, der Rest (700€) entfällt.
Geschenke, die er an seinem 18 Geburtstag bekommt, bleiben außer Betracht.
Jakob ist zwar die (ihm meist nicht bewussten) Schulden los, aber gleichzeitig auch sein Erspartes.
Verbesserung durchs Bürgergeld
Zum 1.1.2023 mit der Einführung des Bürgergelds verbessert sich dies deutlich. Jakob müsste nur noch mit seinem Vermögen über 15.000€ für Schulden haften.
Dies ist in §40 Abs9 SGB II (ab 1.1.23) geregelt.
Jakob aus dem Beispiel hat kein Vermögen über 15.000€ (das wird nahezu kein Kind im SGB II haben) daher muss er mit 0€ haften und darf sein Erspartes in Höhe von 1265€ behalten und die 1965€ Forderung des Jobcenters können nicht mehr gegen ihn geltend gemacht werden.
Handhabung beim Jobcenter
Leider wird bezüglich dieser Regelung beim Jobcenter häufig weder beraten noch sie vom Amts wegen umgesetzt, sondern sie wird erst angewendet wenn es eingefordert wird.
Dies entspricht nicht den Vorgaben aus dem Urteil des BSG vom 18.11.2014 – B 4 AS 12/14 R – RN 13
Dadurch haben Jugendliche aus armen Verhältnissen häufig unnötigerweise noch schlechtere Startbedingungen.
Formulierungsvorschlag (18.Geburtstag bis 31.12.):
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit mache ich die beschränkte Minderjährigenhaftung nach §1629a BGB geltend.
Anbei ein Kontoauszug meines Kontos. Bar besaß ich beim Eintritt in die Volljährigkeit …€. Weiteres Vermögen war nicht vorhanden. Ich fordere Sie daher auf, alle über diesen Betrag hinausgehenden Forderungen gegen mich fallen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Formulierungsvorschlag (18.Geburtstag ab 1.1.23):
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit mache ich die beschränkte Minderjährigenhaftung nach §1629a BGB in Verbindung mit §40 Abs9 SGB II geltend.
Anbei ein Kontoauszug meines Kontos. Bar besaß ich beim Eintritt in die Volljährigkeit …€. Weiteres Vermögen war nicht vorhanden. Damit lag mein Vermögen unter 15.000€. Ich fordere Sie daher auf, alle Forderungen gegen mich fallen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Rückforderung bereits beglichener Forderungen oder Forderungsteile
Es ist mit einem Überprüfungsantrag bereits bezahltes Geld, für Forderungen die eigentlich nicht bestanden (wegen der beschränkten Minderjährigenhaftung) wieder zurück zu erhalten. Dies ist in diesem speziellen Fall sogar für Forderungen bis 4 Jahre rückwirkend vor dem laufenden Jahr möglich.
Das Jobcenter zahlt zwar nach §40 Abs1 Nr2 SGB II nur für ein Jahr nach, aber hier handelt es sich nicht um eine Nachzahlung, sondern um die Erstattung eigentlich bewilligter aber nicht ausgezahlter Leistungen (bzw. in die Forderung hinein gezahlte Leistungen).
Somit ist es aktuell (2022) noch möglich aufgerechnete Leistungen bis Januar 2018 doch noch zu erhalten.
Rechtsgrundlage
§1629a BGB
Für die Änderung ab 1.1.2023:
§40 Abs9 SGB II
Am besten abrufbar bei Tacheles unter:
https://tacheles-sozialhilfe.de/files/Aktuelles/2022/SGB-II-Konsolidiert-zum-01-01-2023-V-6.pdf
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Simon alias “Sozi Simon” ist Sozialarbeiter aus Leidenschaft. Kämpfer für mehr Gerechtigkeit und gegen das Verschweigen/Verweigern von staatlicher Unterstützung. Er ist Mitautor des SGB II & SGB XII Leitfadens von A-Z. Simon ist insbesondere bei Twitter für seine Ratgeber-Tweets bekannt und seit 2022 freier Autor bei Gegen-Hartz.de