Ein jüngst von Sanktionsfrei e.V. veröffentlichter Fall von A. und seiner Familie zeigt ein Problem, das in Deutschland nach wie vor wenig beachtet wird: Ersatzfreiheitsstrafen treffen vor allem Menschen, die in bitterer Armut leben müssen.
Was ist passiert?
Laut Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei bezieht A. Bürgergeld und konnte ein Bußgeld von 40 Euro nicht bezahlen. Einen Antrag auf Ratenzahlung lehnte die Behörde ab.
Kurz darauf erschien die Polizei bei ihm zu Hause, nahm ihn fest und brachte ihn in eine Justizvollzugsanstalt. Dort sollte er 15 Tage bleiben, was exakt dem Geldbetrag entsprach, den er schuldig war.
Nach einigen Tagen im Gefängnis kaufte ihn seine Partnerin frei, doch das Geld dafür musste sie aus den ohnehin knappen Mitteln der Familie aufbringen. A., seine Partnerin und ihre gemeinsamen Kinder standen plötzlich ohne Geld da.
Weder Strom noch Lebensmittel konnten in diesem Monat bezahlt werden, und eines der Kinder hatte zudem Geburtstag. Da im engen familiären Umfeld niemand aushelfen konnte, war die Notlage akut.
Die Inhaftierung von A. brachte nicht nur die emotionale Belastung der plötzlichen Trennung mit sich, sondern führte auch unmittelbar zu finanziellen Schwierigkeiten.
Seine Partnerin sah sich gezwungen, das Bußgeld aufzubringen, um ihren Lebensgefährten frei zu kaufen.
Diese Summe fehlte nun an anderer Stelle im Familienbudget. Die Sorgen um Lebensmittel, Stromkosten und Geburtstagsgeschenke für das Kind traten schlagartig in den Vordergrund.
Da A. in dieser Zeit nicht für die Familie sorgen konnte und kein soziales Netz existierte, das hätte eingreifen können, geriet die Familie in eine existentielle Krise.
Ersatzfreiheitsstrafen treffen meistens nur arme Menschen
Ersatzfreiheitsstrafen kommen zum Tragen, wenn jemand eine Geldstrafe oder ein Bußgeld nicht zahlen kann und weder Ratenzahlungen noch gemeinnützige Arbeit akzeptiert oder genehmigt werden.
Betroffene werden dann für eine gewisse Anzahl von Tagen inhaftiert. Bei Menschen mit niedrigem Einkommen oder Bezieherinnen und Beziehern von Sozialleistungen ist ein geringer Geldbetrag oft schon eine kaum überwindbare Hürde.
Können sie die Summe nicht begleichen, zieht das Gesetz die Haft als letztes Mittel heran. Obwohl dies nur als Ausnahmesituation gedacht ist, geraten Betroffene in einem schlecht funktionierenden System besonders leicht in diese Lage.
200 Euro pro Tag für Haftstrafe
Die Unterbringung im Gefängnis verursacht Kosten von bis zu 200 Euro pro Tag. Damit liegt der finanzielle Aufwand für den Steuerzahler deutlich über dem Bußgeld, dessen Nichtzahlung zur Haft geführt hat.
Dass hier eine tagelange Inhaftierung angeordnet wird, obwohl im Vorfeld eine Ratenzahlung oder eine anderweitige Lösung möglich gewesen wäre, wirkt unverhältnismäßig.
Darüber hinaus verschärft die Haft in vielen Fällen die ohnehin bereits prekäre Lage der Betroffenen. Wer hinter Gittern sitzt, verliert oft den Job, verpasst Zahlungstermine und kehrt in eine noch größere finanzielle Misere zurück.
Was sagt Sanktionsfrei e.V. und wie kann man helfen?
Sanktionsfrei e.V. unterstützt Menschen wie A., indem der Verein in Notsituationen kurzfristig Hilfe aus einem sogenannten „Solitopf“ anbietet. Damit können akute Engpässe überbrückt werden, um zu verhindern, dass sich die finanzielle Schieflage weiter zuspitzt.
Im Fall von A. und seiner Familie war ein Darlehen notwendig, um Strom- und Lebensmittelkosten sowie den Geburtstag des Kindes sicherzustellen. Doch diese Hilfe kann nur ein erster Schritt sein. Sanktionsfrei e.V. macht auf die Probleme aufmerksam und fordert Reformen, die Ersatzfreiheitsstrafen in ihrer jetzigen Form abschaffen oder zumindest deutlich entschärfen.
Wer das Engagement von Sanktionsfrei e.V. unterstützen möchte, findet weitere Informationen unter sanktionsfrei.de/support.
Spirale aus Schulden und fortschreitender Armut
Der Fall von A. zeigt, wie schnell Menschen, die am Existenzminimum leben, in eine Spirale aus Schulden, Haft und sozialer Ausgrenzung geraten können.
Für Außenstehende mag ein Bußgeld von 40 Euro trivial erscheinen, doch für Menschen in Armut ist selbst ein solch geringer Betrag eine oft unüberwindbare Hürde.
Die Ersatzfreiheitsstrafe verschärft diese Lage zusätzlich und bindet staatliche Ressourcen in einem Ausmaß, das in keinem Verhältnis zum Auslöser steht. Viele Betroffene berichten, dass sich die Situation durch die Haft oft langfristig verschlechtert. Damit wird nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch dem sozialen Umfeld erheblicher Schaden zugefügt.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.