Die Ampel-Koaliton hat sich bei der Kindergrundsicherung geeinigt. Diese war in den letzten Wochen hart zwischen FDP, SPD und Grünen diskutiert worden. Ab 2025 werden für die Kindergrundsicherung 2,4 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist weit unter den 12,4 Milliarden, die die grüne Familienministerin Lisa Paus ursprünglich gewollt hatte. Finanzminister Lindner (FDP) hatte hingegen nur 2 Milliarden als Richtwert genannt. Helena Steinhaus von Sanktionfrei e.V. befürchtet hingegen eine Mogelpackung wie beim Bürgergeld.
„Antwort auf Kinderarmut“
Paus zufolge gäbe es mit der neuen Regelung nach Jahrzehnten der Diskussion endlich eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland. Möglicherweise könne der Gesetzesentwurf bereits am 13. September auf den Weg gebracht werden.
„Umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren“
Paus nennt die beschlossene Kindergrundsicherung die „umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren“. Weiter sagt sie: „Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekommen dadurch die Leistungen schneller, einfacher und direkter.“ Dies gälte auch für Familien, die vorher nicht gewusst hätten, dass sie (überhaupt) ein Recht auf diese Leistungen haben.
Was ist neu an der Kindergrundsicherung?
Die Kindergrundsicherung fasst bisherige Einzelleistungen wie Kindergeld, Bürgergeld für Kinder und Kinderzuschläge unter einem Dach und soll durch eine zentrale Plattform auch niedrigschwellig wirken, also Familien erreichen, die bis jetzt keine Gelder abriefen, die ihnen zustehen – aus Unkenntnis oder wegen bürokratischer Hürden.
„Große Bedeutung für den Arbeitsmarkt“
Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr sagte: „Es wird in Zukunft mehr Arbeitsanreize geben. Insofern ist diese Reform auch von großer Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Das ist aus meiner Sicht ein echter Paradigmenwechsel. Nach wie vor ist das größte Armutsrisiko für Kinder die Arbeitslosigkeit der Eltern. Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund sprechen die Zahlen für sich.“
Habeck spricht von Systemwechsel
Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck äußerte sich gegenüber DPA folgendermaßen: „Sie (die Kindergrundsicherung) vollzieht einen Systemwechsel und wird vielen Kindern aus der Armutsfalle helfen. Das ist auch ökonomisch geboten. Das System wird einfacher, schneller und besser zugänglich, alle wichtigen Leistungen für Kinder werden gebündelt, es wird Leistungsverbesserungen geben.“
Erst einmal keine große Sozialreform mehr
Finanzminister Lindner sagte, die Kindergrundsicherung koste 2025 400 Millionen Euro mehr als geplant. Er prognostizierte, „dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.“ Laut Lindner werde die Kindergrundsicherung für viele Tausend Familien einen Unterschied machen.
Christian Dürr erklärte besonders die schneller zugänglichen Verfahren zur Verbesserung im Vergleich mit den bestehenden Gesetzen:„Wir entbürokratisieren, wir digitalisieren, wir vereinfachen die Familienleistungen in Deutschland. Insofern ist das ein echter Fortschritt.“
Mogelpackung Kindergrundsicherung?
Helena Steinhaus hingegen sieht die Einigung bei der Kindergrundsicherung zwischen den Koalitionsparteien kritischer. Immerhin werden nun deutlich weniger Gelder für die Kindergrundsicherung zur Verfügung gestellt, als zuvor geplant.
“Die Kindergrundsicherung ist der FDP zum Opfer gefallen. Lindner zahlt 400 Millionen € Schweigegeld, damit die brutale Ignoranz gegenüber Kindern in Armut nicht länger debattiert wird. Die Ampel spricht unisono von Erfolg, um den krassen internen Konflikt zu vertuschen”, so Steinhaus auf X.
Einiziger Hoffnungsschimmer sei das Versprechen, “den echten Bedarf für Kinder spezifisch zu ermitteln”. Das sei längst überfällig. Aber bis wann das passieren soll, unklar. Wer das wie berechnet wird, sei noch ungewiss. Und was dann dabei raus kommt ebenso. “Die Kindergrundsicherung ist, genau wie das Bürgergeld, eine Mogelpackung. Neuer Name für die Medien, aber für die Ärmsten macht es keinen Unterschied.”
Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes sagte: “Die Eckpunkte sind enttäuschend. Die Angaben zur Höhe des Kindergeldes sind vage. Die veranschlagten 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten gehen wohl eher für Verwaltung drauf.”
Ebenso negativ sieht es Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK: “”Ein Mini-Reförmchen wurde heute als der große Wurf präsentiert, aber das Gesamtvolumen und die dahinterstehenden Details sind mehr als enttäuschend.”
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.