Wennn ihre Leistungsfähigkeit bei der Arbeit stark nachlässt, Sie aus gesundheitlichen Gründen immer häufiger und länger krank geschrieben werden, und Sie zudem rentenversicherungspflichtig erwerbstätig sind, dann haben Sie möglicherweise Anspruch auf eine (volle oder teilweise) Erwerbsminderungsrente.
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Viele Anträge werden abgelehnt
Viele Anträge auf Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente lehnt die Deutsche Rentenversicherung jedoch ab, 2020 waren es immerhin 29.000. Um keine böse Überraschung zu erleben, können Sie bereits im Vorfeld prüfen, ob ihr Antrag Aussicht auf Erfolg haben könnte, oder ob es sich um Aufwand für nichts handelt.
Denn es sind vor allem drei Punkte, wegen denen die Rentenversicherung einen Antrag ablehnt. Zumindest zwei davon können Sie bereits vor dem Stellen des Antrags zu ihren Gunsten beeinflussen.
Punkt 1: Die Wartezeit
Ein Grund, warum die Rentenversicherung Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente ablehnt, wird von vielen Menschen übersehen oder ist ihnen nicht bekannt. Es reicht nicht, dass Sie die körperlichen Voraussetzungen erfüllen, um eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten.
Sie müssen außerdem mindestens fünf Jahre angerechnete Zeiten bei der Deutschen Rentenversicherung nachweisen, und davon mindestens 36 Monate Pflichtversicherungszeit. Wenn Sie diese nicht erreicht haben, dann haben Sie auch keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente – außer in Ausnahmen.
An dieser Regelung gibt es nichts zu rütteln. Kommen Sie nicht auf die erforderlichen fünf Jahre als Versicherter, dann sollten Sie keinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen. Die Rentenversicherung wird diesen ablehnen, und die ganze Mühe war umsonst.
Was sind die Ausnahmen?
Ausnahmen bestehen jedoch, wenn die Ursache der Erwerbsminderung entweder ein Arbeitsunfall oder eine Berufserkrankung ist. In diesen Fällen müssen Sie keine fünf Jahre Wartezeit erfüllen, sondern es reicht, dass Sie Mitglied in der Rentenversicherung sind und überhaupt Beitrage geleistet haben.
Als Berufskrankheiten gelten Erkrankungen, die Versicherte wegen ihrer beruflichen Tätigkeit erleiden. Eine Liste findet sich in der Berufskrankheiten-Verordnung. (https://www.gesetze-im-internet.de/bkv/)
Typische Berufskrankheiten sind zum Beispiel Allergien durch den Umgang mit chemischen Stoffen, Lungenerkrankungen durch Asbest, Schwerhörigkeit durch Lärm am Arbeitsplatz, oder Silikose durch Quarzstaub.
Andere Berufskrankheiten stehen mit übermäßiger Belastung in Verbindung, zum Beispiel das Carpaltunnel-Syndrom durch dauerhaftes Beugen und Strecken der Handgelenke, erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen.
Auch Wie-Berufskrankheiten zählen
Bei Anträgen auf Erwerbsminderungsrenten kommt es oft zu juristischen Konflikten wegen der Frage, ob eine bestimmte Erkrankung eine Berufskrankheit darstellt. So entschied 2023 das Bundessozialgericht, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung bei Rettungssanitätern als Wie-Berufskrankheit einzustufen ist.
Eine Krankheit, die wie eine Berufskrankheit anerkannt wird, allerdings formalrechtlich keine ist, wird als Wie-Berufskrankheit bezeichnet.
Notwendig für den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente auch ohne die Wartezeit zu erfülle, ist also, dass medizinisch die Erkrankung als Berufskrankheit oder Wie-Berufkrankheit diagnostiziert ist.
Weitere Sonderregeln
Sonderregeln bei der Wartezeit gelten auch für die Zeit nach der Ausbildung. Wer innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung der Ausbildung voll erwerbsgemindert wurde, der oder die kann bereits einen Rentenanspruch haben, wenn er oder sie in den zwei Jahren zuvor mindestens zwölf Monate lang Pflichtbeiträge in die Rentenkasse leistete.
Auch längjährige Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen kann zu einem Rentenanspruch führen, ohne die Wartzeit erfüllen zu müssen.
Eine Erwerbsminderung muss dauerhaft sein
Ein weiterer notwendiger Punkt, um eine Erwerbsminderungsrente zu beziehen, ist die Dauerhaftigkeit der Leistungseinbußen. Eine vorübergehende Erwerbsminderung, zum Beispiel durch eine längere, aber heilbare Krankheit, berechtigt nicht zu einer Rente.
Ein medizinisches Gutachten muss vielmehr feststellen, dass die Erwerbsminderung dauerhaft ist. Bei Ursachen der Erwerbsminderung, die sich grundsätzlich durch erfolgreiche Therapien lindern lassen können, wird der Gesundheitszustand regelmäßig überprüft.
Dieses Gutachten liegt in der Zuständigkeit der Rentenversicherung selbst. Mit ihm wird der Zustand der Erwerbsminderung bewertet, festgestellt, ob eine solche überhaupt vorliegt, und wenn, ob es sich um eine teilweise oder um eine volle Erwerbsminderung handelt.
Volle Erwerbsminderung bedeutet, dass der oder die Betroffene weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann, teilweise Erwerbsminderung heißt, dass weniger als sechs Stunden pro Tag möglich sind.
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Was können Sie tun?
Zwar ist hier das medizinische Gutachten entscheidend, welches die Rentenkasse selbst in Auftrag gibt. Sie können diese Einschätzung jedoch zu ihren Gunsten unterstützen, wenn Sie zum Beispiel Nachweise liefern, dass Sie im Jahr zuvor dauerhaft nur wenige Stunden am Tag arbeiten konnten – wenn es geht mit Bestätigung der behandelnden Ärzte und des Arbeitgebers.
Auf dieser Grundlage entschieden nämlich Sozialgerichte bereits gegen die Rentenversicherung und für die Antragsteller und verpflichteten die Kasse, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu leisten.
Punkt 3: Sind Sie überhaupt erwerbsgemindert?
Der dritte Punkt ist der wichtigste für eine Ablehnung eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente. Die meisten Ablehnungen erfolgen, weil die Sozialmedizin der Rentenversicherung keine Erwerbsminderung erkennt.
Die Betroffenen sehen das mit Sicherheit nicht so, denn sonst hätten sie keinen Rentenantrag gestellt. Die Beurteilung ist alles andere als einfach. Es geht dabei um Fragen wie diejenige, was die Erkrankung / Verletzung / Beeinträchtigung konkret im Erwerbsleben bedeutet. Zudem muss geklärt werden, ob sich Probleme im Erwerbsleben ursächlich auf die Erkrankung zurückführen lassen.
Was können Sie selbst tun?
Zuerst einmal können Sie im Vorfeld abschätzen, ob ihr Gesundheitszustand die Rentenversicherung überzeugt, dass Sie dauerhaft erwerbsgemindert sind. Können Sie wirklich nicht mehr als drei (volle Erwerbsminderung) oder sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) pro Tag arbeiten?
Ihre subjektive Einschätzung reicht dafür nicht. Sie sollten ihren Fall unbedingt mit ihrem Hausarzt und behandelnden Fachärzten besprechen. Wenn Sie in der Reha waren, dann sollten Sie sich die Unterlagen genau durchlesen. Alle ärztlichen Atteste und Befunde, die für eine dauerhafte Erwerbsminderung sprechen, sollten Sie unbedingt dem Antrag beifügen.
Zwar prüft die Rentenversicherung die Lage selbst nach, doch aktuelle Befunde der Ärzte, die ihren Fall über lange Zeit hinweg kennen, fließen sicherlich in das Urteil der Sozialmedizin ein.
Schalten Sie Experten ein
Desweiteren sollten Sie bereits vor dem Antrag einen Anwalt für Sozialrecht einschalten. Der weiß nämlich genau, auf was die Krankenkassen gucken, auf welche Formulierungen bereits im Antrag geachtet werden muss, und welche konkreten ärztlichen Befunde wichtig sind.
Zusammengefasst: Sie müssen die Rentenversicherung überzeugen, dass sie erstens nur die jeweilige Zeit pro Tag arbeiten können, und dass dies aller Voraussicht nach dauerhaft sein wird. Gelingt diese Überzeugung nicht, dann bekommen Sie keine Erwerbsminderungsrente, und jetzt kann nur noch das Sozialgericht helfen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.