ARD und ZDF schlagen den Gang nach Karlsruhe ein, um vor dem Bundesverfassungsgericht die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu erzwingen
Die Debatte um eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags sorgt für anhaltende Diskussionen zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF sowie den Landesregierungen.
Hintergrund ist das Verfahren, bei dem die Höhe des Rundfunkbeitrags (derzeit 18,36 Euro pro Monat) alle vier Jahre neu festgelegt wird. Eine unabhängige Kommission, die sogenannte KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten), errechnet den finanziellen Bedarf, auf dessen Basis die Bundesländer dann über eine Anpassung des Beitrags entscheiden.
Der Vorschlag der KEF für 2025 sieht eine Erhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat vor.
Mehrere Bundesländer zeigen sich jedoch skeptisch – sie wollen zunächst weitreichende Reformen innerhalb von ARD und ZDF sehen, bevor einer erneuten Anhebung zugestimmt wird. Genau darin liegt der Kern der Auseinandersetzung: ARD und ZDF pochen auf eine Umsetzung der KEF-Empfehlung, wohingegen einige Bundesländer signalisieren, dass sie die Beiträge nicht erhöhen wollen, solange die Sender nicht spürbare Einsparungen vornehmen und Reformen umsetzen.
Warum klagen ARD und ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht?
Aus Sicht von ARD und ZDF liegt der finanzielle Bedarf klar auf der Hand, da die KEF ihn bereits geprüft und empfohlen hat.
Die Länder haben bisher aber weder zugestimmt noch haben sie eine verbindliche Entscheidung getroffen. ARD und ZDF argumentieren, dass sie einen „verfassungsmäßigen Anspruch“ auf eine ausreichende Finanzierung haben und sehen durch das Zögern mehrerer Bundesländer die Rundfunkfreiheit gefährdet.
Daher haben die Sender – ähnlich wie schon einmal im Jahr 2020 – eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Ziel dieser Klage ist es, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Bundesländer die KEF-Empfehlung umsetzen müssen, um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern.
Auf den Punkt gebracht: ARD und ZDF wollen per Gerichtsbeschluss klären, ob die Politik ihnen den höheren Beitrag verwehren darf, obwohl eine unabhängige Instanz (die KEF) diesen Bedarf ermittelt hat.
Welche Rolle spielt die KEF bei der Beitragsfindung?
Die KEF ist bestimmend bei der Beitragsfestlegung. Sie setzt sich aus Expertinnen und Experten zusammen, die den von ARD, ZDF und Deutschlandradio gemeldeten Finanzbedarf prüfen. Dabei gelten folgende Grundsätze:
- Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit: Die KEF kontrolliert, ob die Anstalten ihre Mittel effizient einsetzen.
- Unabhängigkeit: Sie soll frei von politischen Interessen agieren.
- Bedarfsorientierung: Die KEF berücksichtigt den Programm- und Produktionsauftrag der Sender, um daraus eine Empfehlung für den monatlichen Rundfunkbeitrag abzuleiten.
Allerdings prüft die KEF lediglich den bei ihr eingereichten Finanzbedarf. Sie selbst entscheidet nicht darüber, was sinnvoll oder weniger sinnvoll ist, sondern kann nur auf Basis der ihr zur Verfügung gestellten Daten Empfehlungen aussprechen.
Warum ist die KEF plötzlich so präsent in den Berichterstattungen von ARD und ZDF?
Sowohl in den Tagesthemen als auch in der Heute-Sendung des ZDF taucht die KEF in den Berichten besonders häufig auf.
Der Grund ist, dass die Sender ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor allem damit begründen, dass diese unabhängige Kommission eine Erhöhung für notwendig hält. Indem in den Nachrichtenbeiträgen immer wieder auf die KEF verwiesen wird, versuchen ARD und ZDF zu unterstreichen, dass hier keine willkürliche Forderung im Raum steht, sondern ein offiziell ermittelter Finanzbedarf.
Allerdings kritisieren manche Beobachter, die Sender würden die Rolle der KEF zu stark hervorheben. Vielmehr gehe es auch um die Frage, ob die ARD und das ZDF tatsächlich überall ausreichend sparen und Reformen umsetzen, bevor sie eine weitere Erhöhung verlangen.
Was bedeutet das Veto einzelner Bundesländer?
Dass sich gleich sechs von 16 Bundesländern gegen eine zeitnahe Beitragserhöhung aussprechen, ist in der Tat bemerkenswert. Einigkeit oder Einstimmigkeit der Länder ist jedoch nötig, damit eine Beitragserhöhung in Kraft treten kann. Kommt es nicht zu der erforderlichen Zustimmung, stockt das Verfahren – was ARD und ZDF jetzt zu ihrem Gang nach Karlsruhe veranlasst hat.
2020/2021 war es nur Sachsen-Anhalt, das die Zustimmung verweigerte, woraufhin ARD und ZDF schon damals erfolgreich geklagt haben. Nun steht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine ähnliche Auseinandersetzung, aber mit einer größeren Gruppe kritischer Länder, bevor.
Welche Reformen stehen zur Debatte?
In der öffentlichen Diskussion heißt es, ARD und ZDF müssten stärker sparen und umstrukturieren. Mehrere Aspekte werden dabei diskutiert:
- Strukturelle Zusammenlegung: Werden manche Redaktionen und Abteilungen doppelt vorgehalten? Könnte man in Technik, Verwaltung oder beim Einkauf Synergien besser nutzen?
- Digitale Strategien: Während ARD und ZDF im Internet verstärkt Inhalte anbieten, fragen Kritiker, ob alle Formate und Spartenprogramme weiterhin parallel aufrechtzuerhalten seien.
- Regionalität versus Zentralisierung: Viele Bundesländer legen Wert auf eine regionale Berichterstattung. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, ob eine Bündelung von Ressourcen nicht effektiver sein könnte.
Einige Bundesländer argumentieren, erst müssten Reformen wirklich greifen, bevor man über mehr Geld spricht. ARD und ZDF hingegen betonen, dass ihre Reformprozesse in vollem Gange seien, gleichwohl reiche das aktuelle Budget bei Weitem nicht aus.
Welche Bedeutung hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit?
Das Bundesverfassungsgericht fungiert als Hüter des Grundgesetzes und prüft, ob die von ARD und ZDF geforderte Beitragserhöhung aus verfassungsrechtlicher Sicht durchsetzbar ist. Kernpunkte sind dabei:
- Rundfunkfreiheit: Wie sehr darf die Politik in die finanzielle Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingreifen, ohne dessen Unabhängigkeit zu gefährden?
- Finanzierungsverantwortung: Sind die Bundesländer verpflichtet, den ermittelten Bedarf der KEF umzusetzen, oder haben sie Spielraum, diesen Bedarf zu korrigieren bzw. zu verweigern?
Schon in der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Position gestärkt und festgestellt, dass die Politik sich nicht über die Empfehlungen der KEF hinwegsetzen dürfe, wenn die Prüfung tatsächlich korrekt und frei von sachfremden Erwägungen erfolgt ist.
Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Politik und KEF?
Formal betrachtet schlagen ARD, ZDF und Deutschlandradio ihren Finanzbedarf vor, die KEF prüft ihn und empfiehlt einen Beitragssatz. Dann entscheiden die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Länder über die Annahme dieses Vorschlags. Schließlich müssen alle 16 Landesparlamente zustimmen, um die Erhöhung rechtssicher umzusetzen.
Kommt keine einstimmige Entscheidung zustande, ist die Beitragserhöhung blockiert. ARD und ZDF sehen in einem solchen Blockieren jedoch eine Gefährdung ihrer verfassungsmäßig garantierten Unabhängigkeit, weil sie dann möglicherweise nicht über ausreichende Mittel verfügen, um ihren Programmauftrag zu erfüllen.
Ist die Kritik an der KEF und am Finanzierungsmodell berechtigt?
Ein häufiger Kritikpunkt lautet, die KEF könne nur das bewerten, was ARD und ZDF an Zahlen liefern. Ob einige Sendeanstalten Gelder ineffizient ausgeben oder Doppelinfrastrukturen unterhalten, ließe sich nur begrenzt feststellen. Zudem hat die KEF keinen direkten Auftrag, über Sinn und Zweck bestimmter Programminhalte zu entscheiden.
Andererseits werden die KEF-Mitglieder von den Bundesländern ernannt und sollen gerade dafür sorgen, dass kein überhöhter Finanzbedarf gedeckt wird. Das bedeutet: Die KEF agiert als Kontrollinstanz, ist in ihrer Zuständigkeit allerdings eingegrenzt. Kritiker bemängeln seit Längerem, dass die KEF mehr Befugnisse bräuchte, um die tatsächliche Wirtschaftlichkeit von ARD und ZDF eingehend zu prüfen.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach der Klageeinreichung in Karlsruhe liegt es am Bundesverfassungsgericht, die Begründung von ARD und ZDF zu prüfen und eine Entscheidung zu fällen. Mögliche Szenarien:
- Das Gericht bestätigt den Anspruch auf die Beitragserhöhung
Das wäre eine Wiederholung der Situation von 2020/2021, als das Bundesverfassungsgericht den Sendern recht gab und die entsprechende Erhöhung rückwirkend in Kraft gesetzt wurde. - Das Gericht fordert Anpassungen oder eine Einigung
Es ist denkbar, dass das Gericht erneut die Länder auffordert, ihrer Verantwortung nachzukommen und einen Ausgleich zwischen Sparbemühungen, Programmauftrag und KEF-Empfehlung zu finden. - Das Gericht hält den Klageweg für unberechtigt
Ein eher unwahrscheinliches Szenario, da bereits frühere Urteile den Grundsatz der Staatsferne und ausreichenden Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bejahten.
Bis zu einem Urteil könnte allerdings noch einige Zeit vergehen. Oft vergehen Monate, bis das Bundesverfassungsgericht in solch komplexen Verfahren entscheidet.
Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf die GEZ-Beitragszahler?
Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist momentan noch nicht klar, ob der Beitrag tatsächlich steigen wird. Wer auf den bisherigen Beitrag vertraut, kann sich vorerst bestätigt fühlen, denn die Erhöhung ist ja (noch) nicht wirksam beschlossen.
Allerdings könnten die Sender bei einem Erfolg vor Gericht eine rückwirkende Erhebung beanspruchen, wie es schon in früheren Fällen geschah. Dann müssten die Zuschauerinnen und Zuschauer rückwirkend mehr bezahlen.
Darüber hinaus stellen sich grundsätzlich Fragen zur Akzeptanz des Systems. Kritische Stimmen fordern schon lange eine grundlegende Reform der Öffentlich-Rechtlichen, vor allem in einer Zeit, in der private Medien und Streamingdienste einen Großteil des Unterhaltungs- und Informationsangebots ausmachen.
Demgegenüber steht das Argument, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk – gerade in Krisenzeiten – seriöse Informationen bereitstellt und somit seinen Bildungs- und Informationsauftrag erfüllt.
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