Wir erinnern uns. Bereits 2023 agitierten Politiker aus CDU / CSU, FDP und der AfD gegen angebliche Arbeitsverweigerer beim Bürgergeld. Hubertus Heil, der SPD-Arbeitsminister war eine Hauptzielscheibe dieser Angriffe, denn es ging darum, die halbherzigen Verbesserungen, die das Bürgergeld Hilfebedürftigen gegenüber Hartz IV bringen sollte, auszuhebeln.
Einknicken vor der Agitation
Heil hätte dieser Scheinargumentation sachlich entgegnen können und zeigen, wo die echten Probleme zwischen Jobcentern und Arbeitssuchenden liegen, nämlich in einem Mangel an psychosozialer Betreuung, zu wenig Mitarbeitern und zu wenig qualifiziertem Personal, an fehlender Bildung sowie gesundheitlichen Einschränkungen von Leistungsberechtigten, um nur einige Stichworte zu nennen.
Eine Luftnummer
Stattdessen blies er ins gleiche Rohr und kündigte Ende 2023 an, hart gegen angebliche Arbeitsverweigerer vorzugehen. Ausgerechnet eine Anfrage der Bild weist jetzt darauf hin, dass Heils Einknicken vor den mit Falschbehauptungen gespickten Attacken eine Luftnummer war.
Denn das Arbeitsministerium konnte nicht beantworten, wie viele Sanktionen ausgesprochen wurden, auch nicht, in welchem Zeitraum, und auch nicht, ob die Jobcenter dadurch überhaupt Geld einsparten.
Bürgergeld bedeutet Existenzminimum
Das Bürgergeld entspricht dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Dieses verpflichtet den Staat dazu, denjenigen das Existenzminimum zu sichern, die dies aus eigenen Mitteln nicht können.
Folgerichtig orientieren sich die Leistungen des Regelbezugs also am sozioökonomischen Existenzminimum in Deutschland, und dieses wird nach einem festen Schlüssel ausgerechnet.
Sozialverbände kritisieren allerdings, dass diese Berechnungen mit Tricks so nach unten korrigiert werden, dass das reale Existenzminimum um einiges höher liegt.
Sanktionen drücken unter das Existenzminimum
Diese Tatsache zeigt, wie riskant Sanktionen der Jobcenter sind, die die Regelbezüge der Betroffenen kürzen, und die die Behörde besonders dann ausspricht, wenn Bürgergeld-Bezieher in den Augen der Jobcenter ihre Mitwirkung nicht erfüllen, zu der sie sich vertraglich verpflichtet haben.
Denn ein Kürzen von Leistungen, die das Existenzminimum decken, bedeutet notwendig, dass Betroffene unter dieses Existenzminimum rutschen, sich also im Klartext verschulden müssen oder hungern, sich Dinge des täglichen Lebens wie Toilettenpapier oder Zahnpasta nicht kaufen können.
Deshalb betrachtet das Bundesverfassungsgericht Sanktionen über 30 Prozent des Regelsatzes nur in Ausnahmefällen für verfassungsrechtlich möglich.
Verantwortungsloses Taktieren auf dem Rücken der Schwächsten
Das Nachdenken über harte Sanktionen für bestimmte Bürgergeld-Betroffene ist also eine höchst sensible Angelegenheit, denn es geht dabei darum, ob Menschen sich auch nur das Nötigste zum täglichen Leben kaufen können. Falsche Zahlen über angebliche Arbeitsverweigerer richten sich gezielt gegen die finanziell Schwächsten und Verletzlichsten dieser Gesellschaft.
Jede Maßnahme von Politikern, die zur Kürzung der Leistungen Hilfebedürftiger führen kann, muss also klar an belegten Fakten orientiert sein. Der Minister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil tat aber das exakte Gegenteil.
Er sprang auf den populistischen Zug auf, kündigte harte Sanktionen an, und jetzt zeigt sich, dass das Ministerium keine Fakten nennen kann, die eine Grundlage bieten würden. Das ist ein verantwortungsloses Taktieren auf dem Rücken der Schwächsten.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.