Ist das Bürgergeld ein Kündigungsgrund?

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Ein provokanter Flyer in Form einer Kündigung der aktuell immer wieder verteilt wird, stammt von LibertyRising, nach einer Einordnung von Belltower einer Gruppe von Anarchokapitalisten, die einen merkwürdigen Freiheitsbegriff vertreten:
“Freiheit (…) bedeutet [für sie] im Großen und Ganzen, sich rücksichtslos verhalten zu können.” (Quelle: Belltower.de)

Hier nun der Faktencheck zu den Behauptungen im Flyer.

Es wird wird zunächst die Situation eines Bürgergeldempfängers mit Minijob der eines Arbeitnehmers mit Mindestlohn gegenüber gestellt.
Und anschließend noch mit einer potentiellen Familiengründung überschlagen. Dieser Struktur folge ich im Faktencheck.

Alleinstehender Minijobber mit ergänzendem Bürgergeld

Zunächst einmal will ich die Berechnung prüfen.

Bedarf nach Flugzettel:
563€ Regelbedarf
525€ Kaltmiete
57€ Heizkosten
——-
1145€ Bedarf

Einkommen – Minijob:
538€ Brutto
519€ Netto (Rente nicht abgewählt)
-189€ Freibetrag
—–
330€ angerechnetes Einkommen

Bürgergeld:
1145€ Bedarf
-330€ anger. Einkommen
——
815€ Bürgergeld

Haushaltskasse:
815€ Bürgergeld
+519€ Netto
——
1334€ Haushaltskasse

Ergänzende Vergünstigungen
18€ Entfall Rundfunkbeitrag
35€ werden für weitere Vergünstigungen angesetzt, die es so aber nicht wirklich gibt.

Alleinstehender Mindestlöhner

Zunächst einmal muss der aktuelle Mindestlohn bei Vollzeit berechnet werden:
12,41€/Std x 40Std/Woche x 4,33Wochen/Monat
= 2149€ Brutto
= 1560€ Netto (StKl.1)

Damit hat er ab Mietstufe 3 Anspruch auf ergänzendes Wohngeld zwischen 11 und 33€ – je nach Wohngeldstufe. Von mindestens Wohngeldstufe 3 ist bei dieser Miethöhe auszugehen.
Damit hat er Anspruch auf die gleichen Vergünstigungen, wie der Wohngeldempfänger (außer GEZ).

Haushaltskasse:
1560€ Netto
+11-33€ Wohngeld
—–
1571-1593€

Damit hat er mindestens 237€ mehr als der Bürgergeldempfänger mit Minijob.
Für einen richtigen Erwerbsanreiz eindeutig zu wenig, aber er steht auf keinen Fall schlechter dar.
Hier ist die Berechnung im Flyer zwar eindeutig falsch, aber nicht völlig absurd.

Familie mit Minijob und ergänzendem Bürgergeld

Im Flyer wird nun wird eine Familienkonstellation mit 3 kleinen Kindern vorgerechnet.

Bei gleicher Wohnung (dann aber viel zu klein oder jetzt viel zu groß) bekommt die Familie dann im Bürgergeld mit Minijob:

Haushaltseinkommen:
519€ Netto
750€ Kindergeld
1645€ Bürgergeld (nach Anrechnung des Einkommens und Kindergelds)
—–
2914€ Haushaltskasse inklusive Miete

Familie mit Vollzeit bei Mindestlohn

Mit Mindestlohn besteht Anspruch auf Kinderzuschlag und Wohngeld

Haushaltseinkommen:
1720€ Netto (Stkl. 3)
750€ Kindergeld
876€ Kinderzuschlag
572€ Wohngeld
—–
3918€ Haushaltskasse inklusive Miete

Das sind ~1000€ mehr und nicht wie im Flyer behauptet weniger als im Bürgergeld.
Es gibt die gleichen Vergünstigungen (außer GEZ).

Fazit

Die Aussage 40Wochenstunden bei Mindestlohn würde sich gegenüber eines Minijobs im Falle einer Familiengründung nicht lohnen, ist damit vollständiger Unsinn.

1000€ monatlich mehr bedeuten für die Familie einen völlig anderen Lebensstandard – wenn auch kein luxuriöses Leben.

Wer wegen Bürgergeld seinen Job kündigt, stellt sich IMMER schlechter als mit Arbeit.

Für Familien ist das Haushaltseinkommen mit Arbeit, ergänzt durch Wohngeld und Kinderzuschlag, immer höher als der Anspruch auf Bürgergeld.

Damit ist klar – es handelt sich um libertäre Falschmeldung.