Die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen, dass es eine große Zahl an Betroffenen gibt, die zwar einen Anspruch auf diese Leistung hätten, sie aber dennoch nicht ausgezahlt bekommen. Rund 538.000 Hinterbliebene – damit ist mehr als jede zehnte Witwe oder jeder zehnte Witwer gemeint – sehen sich am Ende des Sterbevierteljahres mit der unangenehmen Situation konfrontiert, dass die Rente auf null reduziert wird. Diese sogenannte „Nullrente“ sorgt für erheblichen Frust und Unverständnis, denn die finanzielle Lücke durch den Verlust des Ehepartners ist in der Regel groß.
Warum wird die Hinterbliebenenrente nicht mehr gezahlt, obwohl ein Anspruch besteht?
Grundsätzlich haben Hinterbliebene nach dem Tod ihres Ehe- oder Lebenspartners Anspruch auf die Witwen- oder Witwerrente. Die ersten drei Monate gelten als Sterbevierteljahr, in dem die Rente des Verstorbenen in voller Höhe weitergezahlt wird. Im Anschluss kommt jedoch die Anrechnung des eigenen Einkommens des Hinterbliebenen ins Spiel.
Ab einem bestimmten Freibetrag wird die Witwenrente gekürzt und kann unter Umständen sogar ganz entfallen. Dieses Ausbleiben der Zahlung trotz bestehenden Anspruchs wird „Nullrente“ genannt.
Entscheidend ist das bereinigte Netto-Arbeitseinkommen sowie eventuelle Einkünfte aus Vermögen. Sobald es hoch genug ist, um den Freibetrag zu übersteigen, reduziert sich die Witwen- oder Witwerrente entsprechend. Erreicht das eigene Einkommen einen bestimmten Wert, bleibt am Ende null übrig.
Welche Rolle spielt das persönliche Einkommen und warum steigt die Zahl der betroffenen Frauen?
Nach Angaben der Rentenversicherung sind bisher vor allem Männer vom Phänomen der Nullrente betroffen. In den vergangenen Jahren nimmt jedoch auch die Zahl jener Frauen kontinuierlich zu, deren Witwenrente wegen der Anrechnung des eigenen Einkommens auf null sinkt.
Dahinter stehen veränderte Lebensmodelle und Erwerbsbiografien: Immer mehr Frauen sind beruflich erfolgreich, haben ein eigenständiges, mitunter hohes Einkommen oder beziehen beispielsweise betriebliche Altersvorsorge. Damit überschreiten sie schneller den Einkommensfreibetrag, der ab Juli 2025 auf 1.076,86 Euro (bereinigtes Nettoeinkommen) angehoben wird. Die stetig wachsende Frauenerwerbsquote führt dazu, dass sich inzwischen viele Witwen nicht mehr ausschließlich auf die finanzielle Absicherung ihres verstorbenen Ehepartners verlassen (können).
Warum ist der Anspruch trotzdem weiterhin wirksam, obwohl kein Geld fließt?
Der Begriff „Nullrente“ löst bei vielen Hinterbliebenen Betroffenheit aus. Er wird jedoch häufig missverstanden. Denn es geht nicht darum, dass die Witwen- oder Witwerrente aberkannt wird. Hinterbliebene behalten das sogenannte „Stammrecht“ auch dann, wenn die Auszahlung auf null gekürzt wird. Rechtlich ist der Anspruch also unverändert gegeben.
Erst wenn sich die finanzielle Lage des Hinterbliebenen ändert und das eigene Einkommen sinkt, kann erneut eine Auszahlung fließen. Das bedeutet, dass Betroffene nicht dauerhaft ohne Rentenanspruch dastehen – es ruht lediglich die Zahlung.
Wie können Hinterbliebene wieder zu einer ausgezahlten Rente gelangen?
Viele Betroffene fühlen sich ohnmächtig, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass die Witwen- oder Witwerrente nicht mehr ausgezahlt wird. Tatsächlich hängt eine mögliche Wiederauszahlung eng mit Veränderungen beim eigenen Einkommen zusammen.
Wer Gehaltseinbußen erleidet oder den Arbeitsumfang reduziert, kann bereits wegen der geringeren Einkünfte einen neuen Antrag stellen und so eine erneute Prüfung auslösen. Zusätzlich erhöht sich der Freibetrag zur Einkommensanrechnung regelmäßig durch die Rentenanpassung.
Ab Juli 2025 beispielsweise steigt er, was für einige bisherige Nullrentner bedeuten kann, dass sich der Auszahlungsbetrag für die Hinterbliebenenrente wieder erhöht – ohne dass aktiv ein Antrag gestellt werden muss. Wer allerdings besonders sicher gehen möchte, sollte im Zweifel selbst bei der Rentenversicherung nachhaken, sobald das eigene Einkommen sinkt oder sich andere relevante Faktoren ändern.
Welche Schritte sollten Betroffene jetzt gehen?
Die Einstellung der Witwen- oder Witwerrente versetzt viele Betroffene in Unsicherheit. Ob eine Reduzierung des Arbeitsumfangs, Veränderungen bei betrieblichen Altersvorsorgebeiträgen oder andere Formen der Einkommensteuerung – es existieren verschiedene Optionen, um das eigene zu hohe Einkommen zu senken. Juristischer Rat oder der Weg zu einem Rentenberater sind dabei oft sinnvoll.
Dr. Utz Anhalt, Sozialrechtsexperte rät, jede finanzielle Veränderung umgehend anzuzeigen und mit der Rentenversicherung in Kontakt zu bleiben. Ansonsten gehen Hinterbliebene das Risiko ein, mögliche Nachzahlungen zu verpassen und länger als nötig ohne Rentenzahlung dazustehen. Wer dagegen ein zusätzliches oder höheres Einkommen erzielt, muss ebenfalls zeitnah Bescheid sagen, um späteren Nachforderungen und Rückzahlungen vorzubeugen.
Fazit: Welche Schlüsse lassen sich ziehen?
Die Tatsache, dass rund 538.000 Menschen Ende 2023 zwar Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente haben, diese jedoch nicht ausgezahlt wird, wirft ein Schlaglicht auf eine wenig bekannte Regelung im Rentenrecht. Betroffene sollten begreifen, dass der Verlust des Zahlungsanspruchs nicht gleichzeitig das Ende ihres Rechtsanspruchs bedeutet.
Sinkt das Einkommen, kann die Rente wieder fließen. Die Situation ist komplex, doch wer seine Lebens- und Einkommensverhältnisse frühzeitig plant, kommt womöglich gar nicht erst in die Lage, finanzielle Engpässe durch eine unerwartete Nullrente zu erleiden. Neben stetigem Kontakt zur Rentenversicherung erweist sich kompetente Beratung als entscheidender Schritt, um langfristig Klarheit und Sicherheit zu erlangen.
So besteht die Chance, die Hinterbliebenenrente wieder als das zu empfinden, was sie sein sollte: eine wertvolle Absicherung in einer ohnehin schwierigen Zeit.