Wer Krankengeld bezieht wird sich fragen, was passiert, wenn spätestens nach 78 Wochen ist in der Regel Schluss mit dem Anspruch ist. Was passiert dann? Warum muss man sich plötzlich arbeitslos melden, obwohl man einen gültigen Arbeitsvertrag hat? Und wann ist eine Erwerbsminderungsrente sinnvoll?
Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Punkte rund um die Aussteuerung, das Ende des Krankengeldbezugs und die sich anschließenden Leistungen.
Warum endet das Krankengeld nach spätestens 78 Wochen?
Die gesetzliche Höchstbezugsdauer für Krankengeld ist auf 78 Wochen (innerhalb eines sogenannten Blockzeitraums von drei Jahren) begrenzt. Dabei wird die sechswöchige Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber auf diese 78 Wochen angerechnet.
- Wichtig: Im realen Leben bleiben den meisten Versicherten somit nur 72 Wochen reiner Krankengeldbezug (78 Wochen abzüglich sechs Wochen Lohnfortzahlung).
- Dauerhafte Krankschreibung nötig: Um Krankengeld zu erhalten, müssen Sie während Ihrer Erkrankung ohne Unterbrechung („lückenlos“) krankgeschrieben sein. Eine rückwirkende Krankschreibung für Zeiträume, in denen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlag, ist nicht möglich.
Was passiert, wenn sich das Krankengeld dem Ende nähert?
Ungefähr zwei Monate, bevor die 78 Wochen erreicht sind (das heißt etwa nach 70 Wochen Krankengeldbezug), erhalten Sie in der Regel Post von Ihrer Krankenkasse. Darin werden Sie aufgefordert, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Das ist für viele Betroffene ein Schock, denn man steht noch mitten in der Krankheit und hat außerdem ja noch einen gültigen Arbeitsvertrag.
Doch die Krankenkasse weist völlig korrekt darauf hin, dass Ihr Krankengeld in Kürze endet und Sie nur über die Agentur für Arbeit (bzw. das Arbeitslosengeld I) nahtlos abgesichert sein können.
Muss ich mich wirklich arbeitslos melden, obwohl ich krank bin?
Ja, das ist in der Regel notwendig, um eine finanzielle Lücke zu vermeiden. Auch wer einen noch gültigen Arbeitsvertrag hat und weiterhin arbeitsunfähig ist, muss sich bei der Agentur für Arbeit melden, wenn das Krankengeld endet. Das Arbeitsverhältnis ruht zwar, endet aber nicht automatisch. Trotzdem benötigen Sie eine Absicherung, sobald die Leistungen der Krankenkasse auslaufen.
Die Agentur für Arbeit prüft nun, ob Sie unter die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung (gemäß § 145 SGB III) fallen. Diese Regelung soll einen nahtlosen Übergang zwischen Krankengeld und einer möglichen Reha-Maßnahme oder Rente (z. B. Erwerbsminderungsrente) sicherstellen.
Droht mir eine Kündigung, wenn das Krankengeld ausläuft?
Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist damit nicht automatisch verbunden. Ihr Arbeitsvertrag bleibt weiter bestehen, ruht allerdings. Wichtig ist aber die Meldung bei der Agentur für Arbeit, da sonst kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I entsteht und Sie ohne Einkünfte dastehen könnten.
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Was bedeutet die Nahtlosigkeitsregelung?
Die Nahtlosigkeitsregelung greift, wenn man trotz noch bestehendem Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann und das Krankengeld bereits ausgeschöpft ist. Dann kann das Arbeitslosengeld I nach § 145 SGB III gewährt werden, ohne dass Sie dem Arbeitsmarkt tatsächlich (voll) zur Verfügung stehen müssen.
- Medizinische Prüfung durch den Ärztlichen Dienst:
- Die Agentur für Arbeit lässt durch den Ärztlichen Dienst klären, wie lange Ihre Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich noch andauern wird.
- Die Prüfung erfolgt normalerweise anhand Ihrer Gesundheitsunterlagen (Arztberichte, Befundberichte etc.).
- Ergebnis:
- Ist der Ärztliche Dienst der Auffassung, dass Ihre Erkrankung voraussichtlich noch länger als sechs Monate andauern wird, greift die Nahtlosigkeitsregelung.
- Sie müssen dann weiterhin arbeitsunfähig geschrieben sein und erhalten nahtlos Arbeitslosengeld I.
Was passiert, wenn die Nahtlosigkeitsregelung abgelehnt wird?
Wenn die Agentur für Arbeit bzw. der Ärztliche Dienst zu dem Schluss kommt, dass Sie nicht so lange (also voraussichtlich weniger als sechs Monate) arbeitsunfähig sein werden, wird die Nahtlosigkeitsregelung abgelehnt.
- Konsequenz: Um Arbeitslosengeld I zu erhalten, müssen Sie sich formal dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.
- In der Praxis heißt das: Sie dürfen sich nicht weiter krankschreiben lassen, auch wenn Sie objektiv noch krank sind und Ihr Arbeitsvertrag noch besteht.
Diese Konstellation wirkt paradox und ist für viele Betroffene eine schwierige Situation. Wer unsicher ist, sollte sich in diesem Fall unbedingt beraten lassen, um keine finanziellen Nachteile zu riskieren.
Wie lange kann ich Arbeitslosengeld I beziehen?
Die Dauer des Arbeitslosengeld-I-Anspruchs hängt neben dem Lebensalter auch davon ab, wie lange Sie in den letzten Jahren Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben (Beschäftigungszeiten). Typischerweise gilt:
- Unter 50 Jahren und mit ausreichenden Beitragszeiten gibt es bis zu 12 Monate Arbeitslosengeld I.
- Abhängig vom Alter und den eingezahlten Beiträgen kann sich dieser Zeitraum verlängern (z. B. können Personen ab 58 Jahren bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I erhalten).
Wann kommt die Erwerbsminderungsrente ins Spiel?
Die Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) kann in Betracht gezogen werden, wenn abzusehen ist, dass eine Rückkehr ins Erwerbsleben auf absehbare Zeit nicht oder nur teilweise möglich ist. Oft wird schon während des Krankengeldbezugs geprüft, ob eine Reha oder ein Rentenantrag sinnvoll oder sogar nötig ist.
- Reha vor Rente: Die Rentenversicherungsträger fordern meist, vor einer Erwerbsminderungsrente eine Rehabilitation zu versuchen („Reha vor Rente“).
- Aufgefordert werden: Sowohl die Krankenkasse als auch die Agentur für Arbeit können Sie auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen, um Ihre gesundheitliche Situation zu verbessern und eine Erwerbsminderungsrente gegebenenfalls zu vermeiden.
- Zeitpunkt: Ein Antrag auf EM-Rente kann auch nach Aussteuerung gestellt werden, insbesondere wenn sich der Gesundheitszustand längerfristig nicht bessert.
Wie geht es weiter, wenn das Arbeitslosengeld I endet?
Nach dem Ende des Arbeitslosengeld-I-Bezugs ergeben sich folgende Möglichkeiten:
- Wiedereingliederung in den Job
- Bei vielen Betroffenen bessert sich der Gesundheitszustand so weit, dass eine (teilweise) Rückkehr in den Beruf machbar ist. Auch stufenweise Wiedereingliederungen („Hamburger Modell“) sind oft noch möglich, manchmal erst nach Ende des Krankengeldbezugs.
- Antrag auf Erwerbsminderungsrente
- Wenn weiterhin keine Besserung in Sicht ist oder eine Rückkehr ins Berufsleben aus gesundheitlichen Gründen nicht realistisch erscheint, ist dies der Zeitpunkt, spätestens über eine Erwerbsminderungsrente nachzudenken.
- Bürgergeld
- Ist keine (frühzeitige) Rente möglich und besteht weiterhin keine Beschäftigungsfähigkeit, kann der Weg zum Bürgergeld (SGB II) nötig sein. Dabei sind jedoch Einkommen und Vermögen sowie das eventuelle Einkommen eines Partners mitentscheidend.
- Altersrente
- Wer sich in einem Alter befindet, in dem der Übergang in eine Altersrente bevorsteht, kann ggf. frühzeitig in den Ruhestand wechseln (ggf. mit Abschlägen). Hier lohnt eine detaillierte Rentenberatung.
Wo finde ich Unterstützung und Beratung?
Die geschilderten Abläufe sind komplex und für Laien häufig verwirrend. Das Zusammenspiel von Krankenkasse, Arbeitgeber, Agentur für Arbeit und Rentenversicherung erfordert ein hohes Maß an Wissen im Sozialrecht.
- Sozialverbände (z. B. SoVD – Sozialverband Deutschland) bieten umfassende Rechtsberatung im Sozialrecht und begleiten Sie durch Anträge und Widersprüche.
- Fachanwälte für Sozialrecht sind ebenfalls eine Möglichkeit, um die individuell beste Lösung zu finden und Fehler zu vermeiden.
- Unabhängige Beratungsstellen (z. B. Verbraucherzentralen) können je nach Bundesland und regionalem Angebot ebenfalls hilfreiche erste Orientierung geben.
Gerade wenn es um die Frage Nahtlosigkeitsregelung oder Ablehnung dieser Regelung geht, ist professionelle Unterstützung häufig unverzichtbar, um die richtigen Schritte einzuleiten und die eigenen Rechte zu wahren.
Fazit
Der Übergang vom Krankengeld ins Arbeitslosengeld – und möglicherweise später in eine Rente oder andere Leistungen – ist durch zahlreiche gesetzliche Vorgaben geregelt und kann sehr kompliziert sein. Die wichtigsten Punkte sind:
- Krankengeld läuft nach (spätestens) 78 Wochen aus, wobei die sechs Wochen Lohnfortzahlung bereits angerechnet werden.
- Etwa zwei Monate vor Ende der Krankengeldzahlung erhalten Sie eine Aufforderung der Krankenkasse, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden.
- Ein weiterhin bestehender Arbeitsvertrag wird durch die Aussteuerung nicht gekündigt; er ruht aber faktisch, solange Sie krank sind.
- Die Agentur für Arbeit prüft Ihren Gesundheitszustand (ärztlicher Dienst) und entscheidet, ob die Nahtlosigkeitsregelung greift. Ist das der Fall, können Sie Arbeitslosengeld I beziehen, ohne dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.
- Wird die Nahtlosigkeitsregelung abgelehnt, besteht nur Anspruch auf Arbeitslosengeld I, wenn Sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.
- Wer dauerhaft erwerbsgemindert ist, sollte rechtzeitig über eine Erwerbsminderungsrente nachdenken.
- Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes I bestehen ggf. weitere Ansprüche, wie z. B. auf Bürgergeld (unter Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen).
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.