Prognose führt zur Streichung von Bürgergeld

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Die Berliner Erwerbsloseninitiative schildert einen Fall, in der ein Solo-Selbstständiger, der ergänzend Bürgergeld bezieht, vom Jobcenter vor vollendete Tatsachen gestellt wird: Die Behörde behauptet, bereits im März zu wissen, dass diese Person in den Monaten April und Mai genügend Einnahmen erzielen wird, sodass sie angeblich kein Bürgergeld mehr benötigt.

Aufgrund dieser Annahme streicht das Jobcenter sämtliche Leistungen – eine gravierende Maßnahme, die Betroffene nicht nur finanziell in Bedrängnis bringt, sondern im schlimmsten Fall auch zum Verlust der Wohnung führen kann.

Diese Praxis kommt laut Ini „häufiger vor“ und wird von Betroffenen als “gezielte Taktik” beschrieben, um Menschen aus dem Leistungsbezug zu drängen. Die soziale Initiative kündigt an, gemeinsam dagegen vorzugehen, weist jedoch auf den hohen Zeit- und Kraftaufwand hin, der für Betroffene oft kaum zu stemmen ist.

Warum müssen Selbstständige ihre Einnahmen schätzen?

Wer als Solo-Selbstständige*r nicht genug verdient, um den Lebensunterhalt und die Wohnkosten zu decken, hat grundsätzlich Anspruch auf aufstockende Leistungen durch das Bürgergeld.

Da die Einkünfte häufig schwanken, verlangt das Jobcenter eine voraussichtliche Prognose: Wie viel wird in den kommenden sechs Monaten verdient? Das Ziel dieser Regelung ist eigentlich, eine flexible Anpassung des Bürgergeldes zu ermöglichen, sodass Bedarfslücken geschlossen werden können, ohne dass ständig neue Anträge gestellt werden müssen.

Doch gerade diese Prognose öffnet aus Sicht vieler Betroffener Raum für Fehlentscheidungen seitens der Jobcenter.

Denn die Behörde kann, wie im geschilderten Fall, ohne greifbare Belege behaupten, es würden in den Folgemonaten ausreichend Einnahmen erzielt – und daraufhin Leistungen streichen.

Woher die Annahme stammt, bleibt oft unklar, denn seriöse Aussagen über künftige Einnahmen sind in vielen Branchen schwer zu treffen.

Ist diese Praxis rechtlich unhaltbar?

Die Rechtmäßigkeit solcher Entscheidungen ist oft zweifelhaft. Zwar hat das Jobcenter einen gewissen Ermessensspielraum, doch die Grundlage muss immer eine realistische Schätzung sein, die nachvollziehbar belegt werden kann. Pauschale oder willkürliche Einkommensprognosen sind rechtlich angreifbar.

In solchen Fällen empfiehlt es sich, zeitnah Widerspruch gegen den entsprechenden Bescheid einzulegen. Wer eine Ablehnung oder Streichung der Leistungen erhält, sollte die Gründe in schriftlicher Form anfordern und gegebenenfalls Hilfe bei Beratungsstellen oder Initiativen in Anspruch nehmen.

Schnelle Reaktion sind entscheidend, da Fristen eingehalten werden müssen. Einem Bescheid muss innerhalb von 4 Wochen  widersprochen werden.

Wer unterstützt Betroffene in dieser Situation?

Zahlreiche Initiativen und Vereine haben es sich zur Aufgabe gemacht, Leistungsberechtigte zu beraten und zu begleiten. Die im Tweet erwähnte „Berliner Erwerbsloseninitiative“ bietet beispielsweise Unterstützung an, indem sie:

Erfahrungen bündelt und wertvolles Insiderwissen über jobcentertypische Vorgehensweisen zur Verfügung stellt.

Begleitpersonen oder Beistände zu Terminen beim Jobcenter organisiert, die Betroffene stärken und für eine gewisse Sicherheit sorgen.

Rechtliche Schritte anregt, etwa den Gang zum Sozialgericht oder das Einschalten von Fachanwält*innen für Sozialrecht.

Auch deutschlandweit gibt es Beratungsstellen, in denen Sozialverbände, Gewerkschaften oder ehrenamtliche Initiativen aktiv sind. Diese Angebote sind für viele Menschen ein wichtiger Halt, um sich gegen zweifelhafte Bescheide wehren zu können.

Fazit:

Betroffene müssen sich nicht nur gegen die fehlerhaften Bescheide selbst, sondern auch gegen die Angst und die ständige Unsicherheit wehren. Initiativen und Beratungsstellen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, leisten Aufklärungsarbeit und unterstützen  Betroffene bei rechtlichen Schritten.

Dennoch zeigt sich immer wieder, wie dringend notwendig eine Reform ist, die die Lebenswirklichkeit von Selbstständigen realistisch abbildet und ihnen ausreichend Schutz vor unzureichend begründeten Kürzungen bietet.