Rente: Bis zu 22.417 Euro Kürzungen bei privater und betrieblicher Altersvorsorge

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Seit einiger Zeit erhalten viele in Deutschland beunruhigende Post von ihren Versicherungsunternehmen. In den Anschreiben wird mitgeteilt, dass die ursprünglich zugesagte Rentenhöhe drastisch gesenkt werden muss. Einzelne Versicherte berichten von Kürzungen von bis zu 25 Prozent, was zu erheblichen Verlusten führen kann.

Für einen deutschen Durchschnittsverdiener steht dabei schnell eine Summe von 22.417 Euro im Raum. Die Aussicht, dass die hart erarbeitete und einkalkulierte Vorsorge plötzlich weniger wert sein könnte, wirft viele Fragen auf und stellt die gesamte Planung für das Alter in Frage.

Was steckt hinter den Kürzungen?

Experten, wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt weisen darauf hin, dass die Gründe für diese Entwicklung in erster Linie in der anhaltend niedrigen Zinspolitik und der allgemeinen Marktlage zu finden sind.

Versicherer, die in früheren Jahren hohe Renditeerwartungen und feste Auszahlungsgrößen zugesichert haben, sehen sich nun mit geringeren Erträgen konfrontiert.

Da der Kostendruck und die Verpflichtungen den Versicherern kaum Spielraum lassen, versuchen viele, das unternehmerische Risiko zu reduzieren, indem sie die Kürzungen weitergeben.

So wird etwa der sogenannte Rentenfaktor, der die Höhe der monatlichen Auszahlung bestimmt, nachträglich verringert.

Wie funktioniert der Rentenfaktor und warum ist er so wichtig?

Der Rentenfaktor legt fest, wie viel monatliche Rente für einen bestimmten Kapitalbetrag ausgezahlt wird. Wer beispielsweise über 10.000 Euro angespartes Kapital verfügt und einen Rentenfaktor von 40 Euro vereinbart hat, erhält monatlich 40 Euro.

Wird der Faktor nachträglich um 25 Prozent gesenkt, reduziert sich die tatsächliche Auszahlung von 400 Euro auf 300 Euro.

Dieser Unterschied summiert sich im Laufe des Rentenbezugs zu einer erheblichen Einbuße. Da die private Altersvorsorge bei vielen Menschen fester Bestandteil der Rentenplanung ist, kann ein solches Minus den kompletten Lebensabend finanziell stark beeinträchtigen.

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Welche Verträge sind besonders betroffen?

Die Kürzungen betreffen überwiegend Verträge ohne garantierte Rentenhöhe. Hierzu zählen fondsgebundene Rentenversicherungen sowie bestimmte Riester- und Rürup-Produkte.

Die betriebliche Altersvorsorge kann ebenfalls betroffen sein, sofern die Verträge variabel gestaltete Rentenfaktoren beinhalten.

“Anders ist die Situation bei klassischen Rentenversicherungen mit fester Garantiezusage. In diesen Fällen bleibt der ursprüngliche Rentenfaktor bestehen, und der Versicherer ist verpflichtet, die zugesagten Leistungen zu erbringen”, betont der Experte.

Erste Gerichte geben Recht

Inzwischen gibt es erste Urteile deutscher Gerichte, die den Versicherten recht geben. Das Landgericht Köln hat beispielsweise entschieden, dass derartige Kürzungen unzulässig sind und nicht einseitig vom Versicherer vorgenommen werden dürfen.

“Die Begründung lautet, dass schlechte Renditen und Verluste durch niedrige Zinsen ein unternehmerisches Risiko darstellen, das nicht ohne Weiteres auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgewälzt werden kann”, so Anhalt. Diese Entscheidung ist zwar richtungweisend, “jedoch bleibt eine abschließende Klärung durch den Bundesgerichtshof abzuwarten” warnt Anhalt. “Bis es zu einem endgültigen höchstrichterlichen Urteil kommt, herrscht juristisch gesehen noch eine gewisse Unsicherheit.”

Welche Möglichkeiten haben Betroffene und warum ist schnelles Handeln wichtig?

Anhalt rät dazu, nicht zu warten, bis alle Gerichtsinstanzen ihre Entscheidungen gefällt haben. Sobald ein Versicherungsunternehmen eine Kürzung mitteilt, lohnt es sich, rechtlichen Rat einzuholen.

Spezialisierte Anwälte im Versicherungsrecht können Verträge und Mitteilungen eingehend prüfen und gemeinsam mit den Versicherten Schritte unternehmen, um Ansprüche geltend zu machen. Auch Verbraucherzentralen und entsprechende Verbände unterstützen dabei, die Rechte der Kundinnen und Kunden zu wahren.

“Dabei geht es nicht nur um juristische Durchsetzung, sondern auch darum, Verjährungsfristen einzuhalten. Wer zu lange zögert, riskiert, dass Ansprüche verfallen und ein späterer Erfolg schwieriger wird”, sagt der Sozialrechtsexperte.

Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher sich schützen?

Sobald eine Kürzungsankündigung im Briefkasten liegt oder eine veränderte Abrechnung auffällt, sei es ratsam, sich umfassend zu informieren und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Rechtsberatung hilft, die individuellen Erfolgsaussichten abzuschätzen und unnötige Risiken zu vermeiden.

“Auch eine Kontaktaufnahme mit der Verbraucherzentrale kann sinnvoll sein. Dort erhalten Betroffene Informationen zu aktuellen Urteilen und Erfahrungen anderer Versicherter in ähnlichen Situationen. Darüber hinaus können sich dort Gruppen bilden, die ihre Ansprüche gemeinsam vor Gericht durchsetzen, was häufig die Kosten für den Einzelnen senkt und den Druck auf den Versicherer erhöht.

Wie wird es sich weiterentwickeln?

Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich private Altersvorsorgeverträge in den kommenden Jahren weiter verändern werden. Bestehende Verträge werden auf den Prüfstand gestellt, und neue Verträge könnten, je nach Markt- und Zinslage, ganz anders kalkuliert sein.

Da das Thema nach wie vor in der juristischen Klärung ist, blicken viele Betroffene gespannt auf weitere Gerichtsentscheidungen. Bis dahin sind die Versicherten gut beraten, aktiv zu bleiben und ihre Rechte zu wahren. Wer glaubt, dass nur „die Anderen“ betroffen sind, kann später böse Überraschungen erleben. Deshalb lohnt es sich, das eigene Produkt und die darin festgelegten Konditionen regelmäßig zu prüfen.

“Abschließend lässt sich sagen, dass die möglichen Kürzungen in der privaten Altersvorsorge ein Thema sind, das nicht nur Einzelpersonen betrifft, sondern auch ein Grundsatzproblem der Versicherungswirtschaft ist”, so Anhalt.