Rente: Nach 40 Jahren Arbeit in die Altersarmut

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Zum 1. Januar 2025 steigt der Mindestlohn in Deutschland auf 12,82 Euro pro Stunde. Diese Erhรถhung sorgt fรผr viele Fragen, die weit รผber das reine Einkommen hinausgehen. Ein Punkt ist die Frage, welche Auswirkungen diese Anpassung auf die gesetzliche Rente hat โ€“ besonders fรผr Menschen, die durchgehend zum Mindestlohn arbeiten.

Gleichzeitig rรผckt der Vergleich mit dem Bรผrgergeld (ehemals Hartz IV) in den Fokus, weil immer wieder gefordert wird, โ€žArbeit mรผsse sich lohnenโ€œ. Im Folgenden geht es um konkrete Berechnungen fรผr die Rente nach jahrzehntelanger Beschรคftigung zum Mindestlohn, die Gegenรผberstellung mit dem Bรผrgergeld und den realen finanziellen Spielraum fรผr Betroffene.

Mindestlohn 2025: Was 12,82 Euro pro Stunde bedeuten

Der neue Satz von 12,82 Euro pro Stunde gilt ab dem 1. Januar 2025. Fรผr viele Menschen, die bisher unter dieser Grenze verdient haben, ist das eine wichtige Anpassung nach oben. Gleichwohl steht im Raum, ob ein solcher Lohn langfristig ausreicht, um im Alter eine Rente zu erhalten, die oberhalb der Armutsgrenze liegt.

Der Mindestlohn von 12,82 Euro schafft rechnerisch ein Bruttomonatsgehalt, das fรผr ein normales Vollzeitpensum von 40 Stunden pro Woche bei durchschnittlich 4,32 Wochen im Monat herangezogen wird. Dadurch entsteht ein grober รœberblick, wie viel Geld tatsรคchlich im Portemonnaie landet, bevor Sozialabgaben und Steuern abgezogen werden.

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Berechnungen zur Rente: Fakten und Zahlen

Im gesetzlichen Rentensystem basiert die Rentenhรถhe auf Entgeltpunkten. Jedes Jahr sammelt man entsprechend des eigenen Jahresbruttoverdienstes eine bestimmte Menge dieser Punkte. Die durchschnittlich Versicherten erzielen exakt einen ganzen Entgeltpunkt pro Jahr. Wer weniger verdient, erhรคlt entsprechend weniger Entgeltpunkte.

Der Wert pro Entgeltpunkt wird anschlieรŸend mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert, um die letztendliche Rentenhรถhe zu bestimmen.

Fรผr 2025 ist ein vorlรคufiges Durchschnittsentgelt von 50.493 Euro pro Jahr angesetzt. Verdient jemand genau diese Summe, bekommt er oder sie genau einen Entgeltpunkt. Wer darunter liegt, sammelt weniger als einen vollen Punkt. Wer darรผber liegt, bekommt mehr.

Rente nach 40 Jahren Mindestlohn: Konkrete Zahlen

Wer ab 2025 รผber 40 Jahre hinweg stets 12,82 Euro pro Stunde verdient, muss die Berechnung auf sein Jahresbrutto beziehen.
Bei 40 Arbeitsstunden pro Woche und 4,32 Wochen pro Monat ergibt sich ein Monatsbrutto von rund 2.215 Euro.
Dieser Wert entspricht auf das Jahr gerechnet etwa 26.580 Euro.

Teilt man 26.580 Euro durch das durchschnittliche Jahresentgelt von 50.493 Euro, lassen sich die jรคhrlichen Entgeltpunkte ermitteln. Das Ergebnis liegt bei 0,5264 Entgeltpunkten pro Jahr. รœber 40 Jahre summiert sich das auf rund 21,0560 Entgeltpunkte.

Als Nรคchstes wird dieser Wert mit dem aktuellen Rentenwert (hier angenommen 39,32 Euro) multipliziert, was zu einer Bruttomonatsrente von etwa 827,92 Euro fรผhrt. Von diesem Betrag gehen in der Regel noch rund 12 % fรผr Kranken- und Pflegeversicherung ab. รœbrig bleibt eine Nettorente von etwa 728,50 Euro.

Dieser Wert zeigt, dass langjรคhrige Beschรคftigung zum Mindestlohn keine Garantiesumme oberhalb der Armutsgrenze darstellt. Wer ausschlieรŸlich auf Basis von 12,82 Euro pro Stunde arbeitet, bezieht nach 40 Jahren Arbeit eine Rente, die in vielen Teilen Deutschlands unter das Niveau der Grundsicherung fallen kann.

Rente nach 45 Jahren Mindestlohn: Weiter gerechnet

Wer fรผnf Jahre lรคnger im Job bleibt und somit 45 Jahre zum Mindestlohn arbeitet, erzielt natรผrlich mehr Entgeltpunkte. Pro Jahr kommen erneut etwa 0,5264 Punkte hinzu, sodass sich nach 45 Jahren rund 23,6880 Entgeltpunkte ergeben. Multipliziert mit 39,32 Euro ergibt das eine Bruttorente von ungefรคhr 932 Euro im Monat.

Nach Abzug von etwa 12 % fรผr Sozialversicherungsbeitrรคge verbleibt eine Nettorente von etwa 819,64 Euro. Der Unterschied zur 40-jรคhrigen Beschรคftigungszeit betrรคgt also etwas weniger als 100 Euro zusรคtzlich. Auch dieser Betrag liegt unter dem Niveau, das fรผr viele Menschen eine stabile finanzielle Absicherung im Alter bedeuten wรผrde.

Vergleich mit Bรผrgergeld: Worauf es ankommt

Das Bรผrgergeld (zuvor Hartz IV) setzt sich aus dem Regelsatz fรผr den Lebensunterhalt und den Kosten der Unterkunft zusammen. Im bundesweiten Durchschnitt werden fรผr einen alleinstehenden Erwachsenen rund 1.028 Euro im Monat ausgezahlt โ€“ ein Wert, der je nach Wohnort hรถher oder niedriger liegen kann, weil Mieten in Stรคdten wie Mรผnchen oder Hamburg teurer sind als in eher lรคndlichen Regionen.

Im direkten Vergleich mit der genannten Nettorente von 728,50 Euro (nach 40 Jahren) beziehungsweise 819,64 Euro (nach 45 Jahren) fรคllt auf, dass die Bรผrgergeld-Leistungen spรผrbar hรถher sind als die erarbeitete Rente auf Basis von 12,82 Euro pro Stunde รผber mehrere Jahrzehnte hinweg.

Diese Gegenรผberstellung fรผhrt unweigerlich zu einem Rechenexempel, bei dem sich die Frage stellt, warum man unter Umstรคnden jahrelang hart arbeitet, wenn man am Ende weniger bezieht als Menschen, die auf Grundsicherungsleistungen zurรผckgreifen.

Mindestlohn vs. Bรผrgergeld: Das monatliche Netto

Die Frage โ€žLohnt sich Arbeit bei 12,82 Euro pro Stunde รผberhaupt noch?โ€œ lรคsst sich jedoch nicht nur anhand der spรคteren Rente beantworten. Wรคhrend der Erwerbsphase stehen den Beschรคftigten monatlich etwa 1.600 Euro netto (Steuerklasse I) zur Verfรผgung โ€“ basierend auf einem Brutto von rund 2.215 Euro im Monat.

Das Bรผrgergeld von 1.028 Euro ohne Arbeit zu beziehen, schafft zwar eine gewisse finanzielle Absicherung, bleibt aber deutlich hinter dem Nettoeinkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Tรคtigkeit zum Mindestlohn zurรผck. Rein kurzfristig betrachtet, erzielt man also immer noch rund 600 Euro mehr pro Monat, wenn man zum Mindestlohn arbeitet.

Allerdings verschieben sich die Relationen im Rentenalter: Dort sind es dann eben 728,50 Euro oder 819,64 Euro Rente gegenรผber einem Bรผrgergeldbetrag von 1.028 Euro, auf den man gegebenenfalls sogar ohne eigenes Zutun einen Anspruch haben kann.

Politische Forderungen und die Realitรคt

Die Politik betont oft, dass โ€žArbeit sich lohnen mussโ€œ und Menschen, die Vollzeit arbeiten, finanziell besser stehen sollten als Leistungsbezieher. In der Praxis zeigen aber die Berechnungen, dass der Lebensstandard im Alter fรผr Beschรคftigte im Niedriglohnsektor nicht automatisch gesichert ist.

Wer 40 oder 45 Jahre im Mindestlohnsegment arbeitet, steht finanziell kaum besser da als jemand, der hauptsรคchlich Bรผrgergeld bezogen hat und dann im Alter Grundsicherung oder andere staatliche Leistungen beansprucht.

Gesellschaftlich ergibt sich hier eine Gerechtigkeitsfrage: Sollten Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, nicht mehr Rente erhalten, als wenn sie ihr Leben lang ohne Erwerbseinkommen geblieben wรคren?

SchlieรŸlich entrichten Erwerbstรคtige fortlaufend Rentenbeitrรคge. Doch wer ausschlieรŸlich im Niedriglohnsektor bleibt, wird am Ende die Erfahrung machen, dass sein Engagement nur geringfรผgig honoriert wird.

Aufstockung im Alter: Warum viele Menschen betroffen sind

Da Renten, die sich aus Mindestlohn-Einkommen speisen, hรคufig unter dem Niveau der Grundsicherung liegen, sind viele Rentnerinnen und Rentner auf aufstockende Leistungen angewiesen. Das bedeutet, dass die Differenz zwischen der ausgezahlten Rente und dem fรผr den Lebensunterhalt benรถtigten Betrag รผber die Sozialkassen ausgeglichen wird.

Fรผr Betroffene ist das eine frustrierende Situation. Wer sein Leben lang in Vollzeit gearbeitet hat, empfindet das Gefรผhl, im Alter umso mehr auf staatliche Unterstรผtzung angewiesen zu sein, als ungerecht. Dennoch bleibt die Realitรคt, dass der Mindestlohn, selbst bei einer Erhรถhung auf 12,82 Euro pro Stunde, in den meisten Fรคllen keine Rente oberhalb eines sozial abgesicherten Existenzminimums generieren kann.

Langfristige Fragen und mรถgliche Konsequenzen

Langfristig wรคre ein erster Schritt zu mehr Rentengerechtigkeit mรถglicherweise die Anhebung des Mindestrentenwertes oder ein klares Konzept fรผr Erwerbstรคtige im Niedriglohnbereich. Solange diese Anpassungen nicht politisch gewollt oder durchgesetzt sind, bleibt die Situation fรผr Betroffene prekรคr.

Aktuell lรคsst sich festhalten, dass die Auswirkungen des zum 1. Januar 2025 ansteigenden Mindestlohns im Rentenalter nur in begrenztem MaรŸe ein existenzsicherndes Niveau ermรถglichen. Ob private Vorsorge, betriebliche Altersversorgung oder andere Instrumente mรถglich sind, hรคngt stark von den individuellen Lebensumstรคnden ab.

Doch eins steht fest: Allein mit 12,82 Euro pro Stunde รผber mehrere Jahrzehnte muss man in vielen Fรคllen damit rechnen, im Alter nicht ausreichend abgesichert zu sein, sodass zusรคtzliche finanzielle Hilfen nรถtig werden.