Sozialverbände kritisieren soziale Ungerechtigkeiten beim Deutschland-Ticket, auch als 49-Euro-Ticket bekannt. Probleme sehen sie besonders im Zwang, das Ticket zu abonnieren und es nur digital nutzen zu können. Viele Rentnerinnen und Rentner scheitert an jenen Hürden.
Inhaltsverzeichnis
Ticket gibt es nur mit Smartphone
Die günstige Möglichkeit, mit Bus und Bahn durch das Land zu kommen, können nur diejenigen nutzen, die ein Smartphone haben.
Der QR-Code wird auf einer App angezeigt, die der Fahrgast anklickt und der Fahrkartenkontrolle zeigt. Ohne Smartphone / Mobiltelefon geht das nicht.
Benachteiligung von Alten und Armen
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erkennt darin eine soziale Ungleichheit:
„Einzelne Verkehrsverbunde bieten das Ticket nur in digitaler Form an. Darin sehen wir eine Benachteiligung von alten oder armen Menschen, die kein Smartphone besitzen.”
“Ticket muss auch ausgedruckt verfügbar sein”
Deshalb fordert der VdK, dass das günstige Ticket nicht nur als App verfügbar sein müsse, sondern auch als Chipkarte und Papierausdruck mit QR-Code. Das ist grundsätzlich nicht der Fall.
Ausdruck war nur im Übergang gültig
Mit Rücksicht auf Senioren war bis Ende 2023 noch ein Ausdruck auf Papier möglich, der den QR-Code enthielt und digital kontrollierbar war. Das gilt inzwischen nicht mehr.
Während bei Senioren zeitweise das Problem berücksichtigt wurde, dass ältere Menschen bisweilen digitale Technik nicht nutzen, weil sie ihnen nicht vertraut ist, wurde auch bei dieser Übergangsfrist nicht an arme Menschen gedacht.
Kein Ticket für diejenigen, die kein Geld haben
Bei diesen steht nicht im Vordergrund, dass sie digitale Technik nicht gewohnt sind, sondern dass viele von ihnen kein Handy, Smartphone oder I-Phone besitzen. Ihnen fehlt schlicht das Geld, es sich zu kaufen und die monatlichen Gebühren zu zahlen.
Diejenigen, die es am meisten brauchen, können das Ticket nicht nutzen
Gerade für diese armen Menschen ist aber ein günstiges Ticket, mit dem bundesweit Bus und Bahn nutzbar sind, von erheblicher Bedeutung.
Manche von ihnen würde der Zugang zu einem überall gültigen Ticket sogar vor dem Gefängnis schützen. Denn dort landen Habenichtse, die beim Schwarzfahren erwischt werden und das Bußgeld nicht zahlen können.
VdK warnt vor Abo-Falle
Für problematisch hält es der VdK zudem, dass das Deutschlandticket nur als Abo erhältlich ist. So sagt Bentele:
„Im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher muss es möglich sein, für 49 Euro ein einzelnes Monatsticket kaufen zu können.”
Arme Menschen würde die Hürde, ein Abo beziehen zu müssen, abschrecken: „Das Deutschlandticket darf nicht zur Abo-Falle werden.“
Wer geringfügig verdient, muss Monat für Monat, Woche für Woche planen, bisweilen sogar Tag für Tag. In einem Monat sind dann vielleicht 49 Euro vorhanden, um ein Ticket zu kaufen, im nächsten wiederum nicht. Ein solcher Spielraum ist beim Abschluss eines Abos nicht vorhanden.
Lesen Sie auch:
- Wieviel Witwenrente bekomme ich wenn ich selbst eine Rente beziehe?
- Rente: 3000 Euro Inflationsausgleich für Rentnerinnen und Rentner- Jetzt mitmachen
Was fordert der Sozialverband?
Der VdK fordert zudem ein günstigeres Deutschlandticket, nämlich einen bundesweit gültigen Sozialtarif von 29 Euro. Erst damit würde auch für Menschen mit wenig Einkommen eine flächendeckende Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich.
LINKE fordert ICE beim Deutschlandticket
Die Partei DIE LINKE, genauer gesagt ihr Abgeordneter Bernd Riexinger, fordert zudem, bis zu sechs Fahrten mit dem ICE mit dem Deutschlandticket freizugeben. In der bisherigen Form gilt das Deutschlandticket nur für den Nahverkehr.
Zwar lässt sich auch mit dem Regionalexpress durch ganz Deutschland fahren, dies ist aber mit erheblich größerem Aufwand verbunden als mit den Zügen des Fernverkehrs.
Ein Erfolgsmodell
Das Deutschlandticket kann nach gut einem Jahr als Erfolgsmodell bezeichnet werden, denn es wird im Schnitt von rund 11,2 Millionen Abonennten genutzt. Der Großteil davon sind Pendler auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule.
Günstigeres Ticket für Beschäftigte
In vielen Fällen können Arbeitnehmer das Deutschlandticket sogar günstiger als zum regulären Preis von 49 Euro bekommen. Wenn Firmen ihren Beschäftigten mindestens ein Viertel des Tickets bezahlen, dann gewährt der Bund noch einmal fünf Prozent Ermäßigung.
Betroffene zahlen dann nur noch 34,50 Euro pro Monat statt 49 Euro. Immerhin 17 Prozent der verkauften Tickets fallen unter solche Ermäßigungen.
Ticket für alle statt Hürden für Arme und Rentner
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht es ähnlich wie der VdK: „Das Deutschlandticket muss einfach und flexibel für alle erwerbbar sein – und das auch ohne Smartphone oder Internet.”
Auch die Verbraucherzentrale warnt, das reine Onlineticket sei dabei,„für viele Verbraucher zum Problem zu werden und der Abozwang zum Bumerang“.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.