Das deutsche Sozialversicherungssystem sieht für Rentner eine finanzielle Entlastung bei Ausgaben für Medikamente, Krankenhausaufenthalte und therapeutische Anwendungen vor. Wer bestimmte Bedingungen erfüllt, erhält eine Zuzahlungsbefreiung und spart dabei oft mehrere hundert Euro pro Jahr.
Inhaltsverzeichnis
Warum sich eine Befreiung lohnt
Rentnerinnen und Rentner zahlen bei jeder ärztlichen Verordnung einen Anteil selbst. Das nennt sich Zuzahlung. Studien der gesetzlichen Krankenkassen zeigen jedoch, dass viele ältere Versicherte bereits nach wenigen Monaten ihren maximalen Eigenanteil erreicht haben. Wer dann keinen Antrag auf Befreiung stellt, verschenkt Geld.
Ein Beispiel verdeutlicht den möglichen Vorteil: Bei einem jährlichen Einkommen von 20.000 Euro liegt die Zuzahlungsobergrenze bei 400 Euro. Wer ohne Befreiung längerfristig Medikamente bezieht, könnte diesen Betrag schon zur Jahresmitte ausschöpfen.
Die Höhe der Zuzahlungen
Versicherte tragen grundsätzlich zehn Prozent des Abgabepreises selbst, zahlen jedoch mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro pro verschriebenem Mittel.
Der Eigenanteil darf aber nie höher sein als die tatsächlichen Kosten. Auch bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege zahlen Sie zehn Prozent der Gesamtkosten plus einmalig zehn Euro pro Verordnung.
Das klingt auf den ersten Blick überschaubar. Doch viele Seniorinnen und Senioren, die regelmäßig mehrere Mittel benötigen, kommen so rasch auf hohe Summen. Deswegen sehen die gesetzlichen Bestimmungen eine Begrenzung vor, damit Gesundheitskosten nicht untragbar werden.
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Welches Einkommen zählt für die Befreiung?
Die Krankenkasse prüft Ihr gesamtes Jahresbruttoeinkommen. Bei Rentnerinnen und Rentnern umfasst dies:
- Ihre volle Rente (Bruttobetrag).
- Zusätzliche Arbeitseinkünfte (etwa aus einem Nebenjob).
- Miet- oder Kapitaleinnahmen (Zinsen oder Renditen).
- Sozialhilfe oder vergleichbare Leistungen.
- Falls Sie verheiratet sind, werden auch die Einkünfte des Ehepartners oder der Ehepartnerin berücksichtigt.
- Miet- und Pachteinnahmen zählen dabei in voller Höhe. Beihilfen für Körper- oder Gesundheitsschäden gelten nicht als anrechenbares Einkommen. Das Gleiche gilt für Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Falls Sie Angehörige im gleichen Haushalt haben, rechnet die Krankenkasse die Einkünfte zusammen und zieht entsprechende Freibeträge ab. Diese betragen zurzeit:
5.922 Euro für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
8.388 Euro für jedes Kind
Auch wer dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung lebt, gilt formal als Teil des gemeinsamen Haushalts. Lebt also ein Ehepartner im Pflegeheim und der andere Zuhause, zieht die Krankenkasse dessen Freibetrag weiterhin ab.
Beispielrechnung
Angenommen, ein Ehepaar hat zusammen 35.000 Euro Jahresbruttoeinkommen. Davon zieht man die Freibeträge für Ehegatten und zwei Kinder ab (5.922 Euro + 2 × 8.388 Euro = 22.689 Euro).
Übrig bleiben 12.302 Euro. Liegt die Belastungsgrenze bei zwei Prozent, zahlen sie maximal 246,04 Euro an Zuzahlungen. Handelt es sich um eine chronische Erkrankung (ein Prozent), reduziert sich die Eigenbeteiligung auf 123,02 Euro.
Wer im Laufe des Jahres sieht, dass er diese Summe bald erreichen wird, kann bei seiner Krankenkasse die vorläufige Zuzahlungsbefreiung für Rentnerinnen und Rentner beantragen.
Welche Kosten zählen
Gesetzliche Zuzahlungen fallen vor allem an bei:
- Rezeptpflichtigen Medikamenten
- Heilmitteln wie Krankengymnastik
- Häuslicher Krankenpflege
- Hilfsmitteln (z. B. Gehhilfen oder Rollstühle)
- Krankenhausaufenthalten
Die individuellen Zuzahlungen werden addiert, bis die Belastungsgrenze erreicht ist. Häufig liegen einzelne Beiträge zwischen fünf und zehn Euro pro Verordnung, mindestens jedoch fünf Euro je Rezept. Bei stationären Behandlungen zahlen Versicherte im Normalfall zehn Euro pro Tag für höchstens 28 Tage im Kalenderjahr.
Besonderer Vorteil für chronisch Kranke
Wer seine Erkrankung dauerhaft behandeln lassen muss, gibt viel Geld für Medikamente oder Therapien aus. Für diese Gruppe ist die jährliche Belastungsgrenze auf ein Prozent des Bruttoeinkommens reduziert. Sie müssen allerdings belegen, dass eine chronische Krankheit vorliegt.
Laut Richtlinien trifft das auf Menschen zu, die über einen längeren Zeitraum ambulant oder stationär medizinisch versorgt werden müssen und dadurch ohne geeignete Behandlung eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands befürchten müssten.
Seniorinnen und Senioren mit Pflegegrad 3, 4 oder 5 zählen oft zu dieser Gruppe. Sie können sich durch Vorlage ihrer Pflegebescheide auf diese niedrigere Grenze berufen. Das spart spürbar Kosten.
Antragsunterlagen: Darauf sollten Sie achten
Für eine rasche Bearbeitung empfiehlt es sich, folgende Dokumente bereitzuhalten:
- Nachweis des Bruttojahreseinkommens: z. B. Rentenbescheid oder Gehaltsabrechnungen
- Belege über Mieteinnahmen oder Zinseinkünfte (falls zutreffend)
- Bescheinigungen zum Pflegegrad oder Grad der Behinderung
- Quittungen bereits gezahlter Zuzahlungen
- Ihre Krankenversicherungsnummer und (optional) eine E-Mail-Adresse
- Nachweis einer Sozialhilfe-Leistung (falls Sie diese erhalten)
Rentnerinnen und Rentner, die in einem Pflegeheim wohnen, benötigen oft den Bescheid des Sozialhilfeträgers. Dieser bestätigt, dass die öffentliche Hand gegebenenfalls bereits einen Vorschuss für Zuzahlungen überweisen kann.
Der Antrag in wenigen Schritten
- Quittungen sammeln: Bewahren Sie jede Quittung über Zuzahlungen auf. So sehen Sie, wann die Belastungsgrenze wahrscheinlich erreicht wird.
- Formular anfordern: Die meisten Krankenkassen stellen den Antrag als Download bereit. Alternativ können Sie ihn telefonisch oder vor Ort erhalten.
- Einkommensnachweise beilegen: Legen Sie neben Ihrem Rentenbescheid auch andere Einkünfte offen.
- Abschicken: Senden Sie den Antrag an Ihre Krankenkasse. Elektronische Einreichung ist bei vielen Versicherungen ebenfalls möglich.
- Bestätigung abwarten: Erhalten Sie Ihre Befreiungsbescheinigung, brauchen Sie für den Rest des Kalenderjahres keine oder nur anteilige Zuzahlungen zu leisten.
Tipp: Die Befreiung kann rückwirkend bis zu vier Jahre beantragt werden. Wer also in den Vorjahren die Belastungsgrenze überschritten hat, kann unter Umständen zu viel gezahltes Geld zurückbekommen.
Pflegeheimbewohner nicht vergessen
Seniorinnen und Senioren, die in einer stationären Einrichtung leben, haben oft komplexe Kostenstrukturen. Bei geringem Einkommen lohnt es sich besonders, die Zuzahlungsbefreiung zu prüfen. Einige Sozialämter übernehmen die Vorauszahlungen an die Krankenkasse und entlasten damit das Pflegeheim-Budget.
Das Pflegegeld selbst wird in dieser Rechnung nicht angerechnet. Das wirkt sich positiv auf den zu ermittelnden Eigenanteil aus.
Medikamente ohne Zuzahlung
Es existieren bestimmte Arzneimittel, die laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen keine Zuzahlung erfordern. Die Hersteller müssen diese Präparate allerdings mindestens 30 Prozent unter dem festgelegten Festbetrag anbieten. Eine Liste mit möglichen Medikamenten veröffentlicht jede Krankenkasse regelmäßig.
Auch wenn Ihr Arzneimittel nicht aufgeführt ist, kann ein Wechsel zu einem günstigeren Generikum sinnvoll sein. Das besprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
Was gilt nicht als Zuzahlung?
Nicht alle Aufwendungen fließen in die Berechnung Ihrer Belastungsgrenze ein. Eigenanteile für Zahnersatz, Brillen oder Kontaktlinsen zählen zum Beispiel nicht dazu. Auch Kosten für sogenannte IGeL-Leistungen (Individuelle Gesundheitsleistungen) bleiben unberücksichtigt.
Hohe Summen für Zuzahlungen in Deutschland
Laut Daten der Deutschen Apothekerschaft haben die gesetzlich Versicherten 2023 alleine für rezeptpflichtige Medikamente rund 2,4 Milliarden Euro an Eigenanteilen geleistet.
Damit unterstützen sie die Krankenkassen bei deren Finanzierung. Dennoch nutzten nur etwa 6,9 Prozent der Versicherten die Möglichkeit einer ganzjährigen Zuzahlungsbefreiung.
Die meisten davon sind chronisch Kranke, die von der reduzierten Belastungsgrenze auf ein Prozent profitieren. Alle anderen Anspruchsberechtigten stellen einen deutlich geringeren Anteil. Das deutet darauf hin, dass viele Menschen ihre Rechte nicht kennen oder den Antragsprozess scheuen.