Viele Erwerbstätige suchen nach Wegen, den Ruhestand deutlich früher zu erreichen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Bezug von Arbeitslosengeld 1 (ALG I) mit einem vorgezogenen Rentenbeginn zu kombinieren. Dafür muss die Phase der Arbeitslosigkeit konkret zwischen dem Ende der Berufstätigkeit und dem gewünschten Renteneinstieg liegen.
Sinnvoll ist dieses Vorgehen vor allem, wenn die Bezugsdauer von ALG I bei maximal 24 Monaten liegt und wenn bereits eine ausreichende Zahl an Beitragsjahren erreicht wurde.
Voraussetzung ALG I
Voraussetzung für einen 24-monatigen Bezug von ALG I ist, dass die antragstellende Person mindestens 58 Jahre alt ist und in den letzten fünf Jahren vor Antragsstellung mindestens 48 Monate versicherungspflichtig gearbeitet (oder anrechenbare Zeiten wie Kindererziehung, Krankengeld oder Wehrdienst) vorzuweisen hat.
Wer jünger ist oder weniger Versicherungszeiten vorweisen kann, bekommt entsprechend kürzer ALG I. Im Gegensatz zum Bürgergeld (Arbeitslosengeld 2) erfolgt beim ALG I keine Anrechnung von Vermögen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes liegt bei rund 60 % des letzten Nettogehalts, mit Kindern steigt der Prozentsatz auf etwa 67 %.
Zeiten des ALG I Bezugs fließen in Rente ein
Da die Arbeitsagentur Rentenbeiträge auf Basis von rund 80 % des vorherigen Bruttogehalts leistet, fließen die Zeiten des ALG-I-Bezugs weiterhin in die Berechnung der späteren Rente ein. Bis zu zwei Jahre vor dem eigentlichen Rentenbeginn werden sie voll als Versicherungszeit anerkannt. Nach Ablauf dieser zwei Jahre zählen Arbeitslosenzeiten nur unter bestimmten Bedingungen (z. B. Insolvenz oder Betriebsschließung).
ALG I vs. Rente: Finanzielle Gegenüberstellung
Manche Menschen stellen fest, dass das Arbeitslosengeld 1 höher ausfällt als ihre vorher prognostizierte Rente. Grund dafür ist, dass die Rentenhöhe vor allem auf den über das gesamte Berufsleben erworbenen Rentenpunkten basiert. Wenn jemand zuletzt gut verdient hat, kann es sein, dass 60 % (bzw. 67 %) des Nettogehalts über dem liegt, was die gesetzliche Rente netto auszahlt.
Eine beispielhafte Gegenüberstellung verdeutlicht dieses Prinzip:
Szenario | Bruttoeinkommen zuletzt | Nettorente (geschätzt) | ALG I (ca. 60 %) | ALG I (ca. 67 % mit Kindern) |
Gutes Einkommen | 4.000€ | 1.100€ | 1.500€ | 1.650€ |
Höheres Einkommen | 5.000€ | 1.400€ | 1.900€ | 2.100€ |
Mittleres Einkommen | 3.000€ | 900€ | 1.100€ | 1.250€ |
Die Werte veranschaulichen die ungefähre Größenordnung. Wer vor Renteneintritt einen gut dotierten Job hatte, erzielt mit ALG I unter Umständen einen höheren monatlichen Betrag als durch die eigentliche Rente.
6 Jahre Vorsprung: So entsteht der Zeitgewinn
Sobald jemand in Deutschland die Voraussetzungen erfüllt, ist es möglich, bis zu vier Jahre vor der regulären Altersgrenze eine vorgezogene Rente zu beziehen, meist verbunden mit Abschlägen von 3,6 % pro Jahr. Zusätzlich kann noch ein 24-monatiger Bezug von ALG I davor liegen. Dadurch ergeben sich in Summe bis zu sechs Jahre Abstand zum eigentlichen Rentenbeginn.
Wer diese Planung beabsichtigt, muss genau prüfen, welchen Geburtsjahrgang er hat, wie sich die Abschläge auf die spätere Rentenhöhe auswirken und inwieweit sich die Versicherungsjahre durch die ALG-I-Zeit vervollständigen lassen. Entscheidend ist, ob jemand bereits 35 oder 45 beitragspflichtige Jahre gesammelt hat. In solchen Fällen kann der Zeitpunkt des Rentenantritts individueller gestaltet werden.
Mögliche Stolperfallen
Die Kombination aus ALG I und Rente ermöglicht zwar einen deutlich früheren Ruhestand, bringt aber auch verschiedene Risiken mit sich. Wer etwa selbst kündigt, muss drei Monate Sperrzeit hinnehmen. Dadurch verkürzt sich in vielen Fällen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 24 auf 21 Monate.
Befindet sich jemand in einer Situation, in der ein Aufhebungsvertrag mit Abfindung angeboten wird, sollte genau geprüft werden, ob und in welcher Höhe diese Abfindung eine Sperrzeit auslöst. Gleichzeitig lässt sich eine Abfindung oft zur Ausgleichszahlung für Rentenabschläge einsetzen, was die spätere Rente erhöht und steuerlich absetzbar ist.
Folgende Tabelle zeigt Stolperfallen, deren Konsequenzen und mögliche Lösungswege:
Stolperfalle | Auswirkung | Mögliche Strategie |
Eigenkündigung | Drei Monate Sperrzeit, weniger ALG I-Bezug | Kündigung vermeiden, betriebsbedingte Lösung anstreben |
Unterschreiben eines Aufhebungsvertrags | Eventuell Sperrzeit und Abzüge beim ALG I | Vorher Beratung einholen, Abfindung gezielt nutzen |
ALG I endet vor Rentenbeginn | Bürgergeld notwendig, Vermögensprüfung | Genauen Zeitplan erstellen, alternative Einkünfte prüfen |
Nur 80 % Einzahlungsbasis ins Rentensystem während ALG I | Langfristig geringere Rente |
Abschläge durch Sonderzahlungen ausgleichen, ggf. weiterarbeiten
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Pflicht zur Arbeitsvermittlung | Regelmäßige Termine bei der Agentur für Arbeit |
Persönliches Zeitmanagement anpassen, rechtzeitig informieren
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In jeder dieser Situationen lohnt sich eine umfassende Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung, bei der Bundesagentur für Arbeit oder bei einem Sozialverband. Diese Institutionen können individuelle Daten analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen aussprechen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.