Schwerbehinderung: 1500 Euro extra Zuschuss den kaum jemand kennt

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Wer Pflegeleistungen benötigt, hat oft Anspruch auf den sogenannten Entlastungsbetrag, ohne es zu wissen. Nach einer Studie des Sozialverbandes VdK nehmen rund 80 Prozent der Berechtigten diese Zusatzleistung gar nicht in Anspruch – und verschenken damit teilweise bis zu 1.500 Euro pro Jahr.

Denn der Entlastungsbetrag ist kein Ersatz für andere Pflegeleistungen, sondern wird zusätzlich gewährt. Besonders Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 1 übersehen diese Möglichkeit häufig, weil sie glauben, ohnehin keine weiteren Hilfen zu bekommen.

Doch gerade für sie kann sich der Entlastungsbetrag lohnen, um im Alltag Entlastung zu erhalten.

Dr. Utz Anhalt: Pflege-Zuschuss von 1500 Euro den kaum jemand kennt

Wichtig ist: Alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1 haben das Recht, den Entlastungsbetrag zu beziehen – unabhängig davon, ob sie bereits andere Leistungen der Pflegeversicherung nutzen oder nicht.

Bei höheren Pflegegraden, also ab Pflegegrad 2, werden in der Regel schon einige Leistungen in Anspruch genommen, sodass vielen die Möglichkeit des zusätzlichen Entlastungsbetrags eher bekannt ist.

Dennoch bleibt viel Geld ungenutzt, wenn Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen sich nicht aktiv um diese Möglichkeit kümmern.

Wofür kann ich den Entlastungsbetrag verwenden?

Der Entlastungsbetrag ist zweckgebunden. Das bedeutet, dass er nicht einfach zur freien Verfügung steht, sondern nur für bestimmte Leistungen rund um die Pflege genutzt werden kann. Hierzu zählen vor allem:

  • Pflegedienste: Wenn beispielsweise ein ambulanter Dienst ins Haus kommt, um bei Körperpflege oder im Haushalt zu unterstützen, kann der Entlastungsbetrag hierfür eingesetzt werden.
  • Betreuung und Alltagsbegleitung: Dazu gehören etwa Begleitung beim Einkaufen, leichte hauswirtschaftliche Tätigkeiten oder auch gemeinsame Aktivitäten zur Erhaltung geistiger und körperlicher Fähigkeiten.
  • Spezielle Entlastungsangebote: Viele Kommunen bieten zusätzliche Betreuungs- oder Entlastungsangebote an, zum Beispiel stundenweise Nachbarschaftshilfe, Begleitung bei Arztbesuchen oder Hilfe im Haushalt.

Wichtig ist also: Der Betrag fließt immer in konkrete Dienstleistungen, die wiederum von einem anerkannten Anbieter oder einer entsprechend qualifizierten Person erbracht werden müssen.

Ein netter Nebeneffekt: Auch bei vergleichsweise kleinen Pflegegraden kann dieser Entlastungsbetrag dazu beitragen, die Selbstständigkeit zu erhalten, da Pflegebedürftige die Möglichkeit haben, Alltagsunterstützung flexibel hinzuzubuchen.

Wie viel Geld steht mir zu?

Der Gesetzgeber hat den Entlastungsbetrag mit bis zu 125 Euro pro Monat festgelegt, was aufs Jahr gerechnet 1.500 Euro ergibt. Entscheidend ist dabei, dass die Pflegekasse nur die tatsächlichen Kosten übernimmt, die nachweislich für entsprechende Betreuungs- und Entlastungsangebote angefallen sind.

Das heißt: Wer in einem Monat keine Leistungen in Anspruch nimmt, sammelt die nicht genutzten Beträge an. Bis zum 30. Juni des Folgejahres können diese dann noch genutzt werden.

Danach verfällt jedoch der nicht ausgegebene Betrag. Wer also nicht jeden Monat auf den vollen Entlastungsbetrag zugreifen kann oder möchte, sollte sich immer gut überlegen, wie das Guthaben eingesetzt wird und die Fristen genau im Blick behalten.

Wie stelle ich den Antrag und wie komme ich an mein Geld?

Die Beantragung selbst ist vergleichsweise unkompliziert:

  1. Dienstleistung in Anspruch nehmen: Zunächst nutzt man die gewünschte Pflege- oder Betreuungsleistung.
  2. Rechnung einreichen: Anschließend wird die Rechnung beim zuständigen Pflegeversicherungsträger (in der Regel die Pflegekasse) eingereicht.
  3. Erstattung erhalten: Die Pflegekasse prüft, ob die Leistung ordnungsgemäß anerkannt ist, und überweist dann den entsprechenden Betrag zurück.

Beachten sollte man, dass es keinen Vorschuss gibt. Eine andere Möglichkeit ist, den Anspruch an den Dienstleister abzutreten. In diesem Fall rechnet der Anbieter direkt mit der Pflegekasse ab. Man selbst muss dann nicht in Vorleistung treten, hat jedoch den Nachteil, weniger Einfluss auf die Abrechnung zu nehmen.

Wie kann ich den Entlastungsbetrag flexibler nutzen?

Ab Pflegegrad 2 besteht zudem die Option, 40 Prozent der Pflegesachleistungen in Geldleistungen umzuwandeln. Auf diese Weise können Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen noch flexibler entscheiden, wo und wie sie Unterstützung einkaufen möchten.

Das verschafft mehr Spielraum, um Alltagshilfen gezielt einzusetzen – egal ob es um Hilfe beim Einkaufen, beim Kochen oder um eine stundenweise Betreuung zur Entlastung pflegender Angehöriger geht.

Wo finde ich zugelassene Dienstleister und Angebote?

Einen Überblick über geeignete Dienstleister, die über den Entlastungsbetrag abrechnen können, geben:

  • Lokale Pflegedienste: Sie informieren in der Regel auf ihren Websites und in persönlichen Beratungsgesprächen, ob ihre Leistungen über den Entlastungsbetrag genutzt werden können.
  • Kommunale Anlaufstellen: Viele Kommunen oder Bundesländer betreiben Online-Suchportale. Dort kann man anhand der eigenen Postleitzahl sehen, welche anerkannten Anbieter in der Nähe verfügbar sind.
  • Pflegeberatung: Es gibt das Recht auf eine kostenfreie Pflegeberatung. Dabei handelt es sich um eine neutrale Stelle (z. B. Pflegestützpunkte), die detaillierte Informationen zu Anbietern und Leistungen vor Ort liefern kann.

Gerade für Menschen, die sich bisher wenig mit dem Thema Pflege auseinandergesetzt haben, ist die Kontaktaufnahme zu einer professionellen Pflegeberatung besonders hilfreich. Man erhält dort oft einen umfassenden Überblick über sämtliche Unterstützungsmöglichkeiten, die sonst leicht übersehen werden.

Können auch Freunde, Nachbarn oder Bekannte über den Entlastungsbetrag bezahlt werden?

Viele Pflegebedürftige möchten lieber von ihnen bekannten und vertrauten Personen unterstützt werden, als Fremde in den Haushalt zu lassen. Hierfür gibt es in zahlreichen Bundesländern, darunter Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern, die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag auch für Nachbarn, Freunde oder Bekannte zu nutzen.

Die Voraussetzung: Diese Interessierten müssen oft einen kurzen Lehrgang absolvieren. In diesem Kurs werden sie über wichtige medizinische und pflegerische Grundlagen informiert, um so einer professionellen Pflegeleistung möglichst nahezukommen.

Ist dieser Nachweis erbracht, können die Leistungen vergütet werden. Dadurch bleibt die Pflege in vertrauter Hand, und gleichzeitig wird pflegenden Angehörigen oder Bekannten eine finanzielle Anerkennung für ihr Engagement ermöglicht.

Warum lohnt es sich, genauer hinzusehen?

Viele Menschen verzichten aus Unwissen oder Scheu vor bürokratischem Aufwand auf den Entlastungsbetrag. Doch das “Pflegegeld-Extra” entlastet sowohl finanziell als auch organisatorisch:

  • Mehr Selbstständigkeit: Wer nur einen niedrigen Pflegegrad hat, erhält sich durch externe Hilfe oft länger die eigene Unabhängigkeit im Alltag.
  • Entlastung der Angehörigen: Bei höheren Pflegegraden profitieren vor allem Familienmitglieder und Nahestehende, da sie nicht jeden Handgriff alleine erledigen müssen.
  • Weniger Bürokratie als gedacht: Die Antragstellung ist relativ überschaubar, und wenn man seinen Anspruch an den Dienstleister abtritt, entfällt sogar die Vorfinanzierung.

Wer sich unsicher ist, findet in Beratungsstellen oder bei Pflegestützpunkten qualifizierte Ansprechpartner, die bei allen Schritten zur Seite stehen. Gerade wenn man sich an neue Anbieter wendet oder private Hilfen in Anspruch nehmen möchte, ist eine umfassende Information unverzichtbar.

Extra-Tipp: Nicht warten, sondern aktiv werden

Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren und keine Scheu vor Anträgen oder Beratungsangeboten zu haben. Auch wenn alles anfangs kompliziert wirkt, ist es mit der richtigen Unterstützung meist einfacher als erwartet.

Zudem sollte man die Fristen im Blick behalten: Wer den Entlastungsbetrag nicht nutzt, gibt kostbare Unterstützung und finanzielle Entlastung praktisch ungenutzt wieder ab.

Es lohnt sich also, den Entlastungsbetrag rechtzeitig zu beantragen und passgenau zu verwenden.