Schwerbehinderung: Anspruch auf 200 Euro Mehrbedarf pro Monat

Lesedauer 4 Minuten

Menschen mit Schwerbehinderung erhalten nicht automatisch eine hรถhere Bรผrgergeldleistung. Auch fรผr sie gilt der normale Eckregelsatz von 563 Euro pro Monat.

Aber: Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn bestimmte Voraussetzungen erfรผllt sind und MaรŸnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen tatsรคchlich gewรคhrt werden. In diesem Fall kann ein Mehrbedarf gewรคhrt werden, der knapp 200 Euro betrรคgt.

Eines vorab: Eine unseriรถse Seite verbreitet gerade Falschinformationen, weshalb wir hier einiges richtig stellen.

Wann besteht ein Anspruch auf Mehrbedarf?

Erwerbsfรคhige Bรผrgergeld-Bezieher mit Behinderung kรถnnen einen Mehrbedarf von 35 Prozent des Regelsatzes erhalten. Das bedeutet, dass bei einem Regelsatz von 563 Euro ein zusรคtzlicher Betrag von 197,05 Euro gewรคhrt wird, was zu einer monatlichen Gesamtleistung von 760,05 Euro fรผhrt.

Teilnahme an MaรŸnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Der Mehrbedarf wird jedoch nur dann gewรคhrt, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen tatsรคchlich gewรคhrt werden.

Beispielsweise erhalten Menschen mit Behinderung, die sich in einer Ausbildung befinden, in der Regel keinen Mehrbedarf, da hier andere Unterstรผtzungssysteme wie BAfรถG vorrangig sind.

Voraussetzungen fรผr den Erhalt des Mehrbedarfs

Ein Anspruch auf Mehrbedarf besteht nicht automatisch. Folgende Bedingungen mรผssen erfรผllt sein:

  • Teilnahme an einer MaรŸnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach ยง 33 SGB IX.
  • Bezug sonstiger Hilfen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

Nur wenn eine dieser Bedingungen erfรผllt ist, wird der Mehrbedarf gewรคhrt. Wichtig ist, dass der Mehrbedarf nur zusรคtzlich zur Regelleistung gewรคhrt wird.

Lesen Sie auch:

Kein Mehrbedarf ohne Bewilligungsbescheid

Um den Mehrbedarf zu erhalten, muss ein aktueller Bewilligungsbescheid des Rehabilitationstrรคgers beim Jobcenter vorgelegt werden.

Ohne diesen Bescheid wird kein Mehrbedarf gewรคhrt. Es reicht nicht aus, lediglich die Voraussetzungen zu erfรผllen oder nur Beratung und Vermittlung nach ยง 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX erhalten zu haben.

Hรถhe des Mehrbedarfs bei Schwerbehinderung

Die Hรถhe des Mehrbedarfs variiert je nach Lebenssituation:

  • Alleinlebende erwerbsfรคhige Menschen mit Behinderung: 35 Prozent des maรŸgebenden Regelsatzes, was 197,05 Euro entspricht.
  • Volljรคhrige erwerbsfรคhige behinderte Angehรถrige einer Bedarfsgemeinschaft: 35 Prozent der 90-prozentigen Regelleistung.
  • Sonstige erwerbsfรคhige behinderte Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft: 35 Prozent der 80-prozentigen Regelleistung.

Mehrbedarf bei voller Erwerbsminderung

Fรผr Schwerbehinderte, die aufgrund einer Behinderung voll erwerbsgemindert sind (weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kรถnnen) und einer Bรผrgergeld-Bedarfsgemeinschaft angehรถren, wird ein Mehrbedarf von 17 Prozent gewรคhrt, sofern im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen โ€žGโ€œ aufgefรผhrt ist.

Wohnraumanpassung fรผr Menschen mit Behinderung

Bรผrgergeld-Empfรคnger haben Anspruch auf die รœbernahme der Mietkosten, sofern die Wohnung angemessen groรŸ ist. Fรผr Alleinstehende gelten etwa 45 mยฒ als angemessen. Fรผr jede weitere Person im Haushalt kann die Wohnung um ca. 15 mยฒ grรถรŸer sein.

Fรผr Personen mit Schwerbehindertenausweis und Merkzeichen โ€œGโ€ oder โ€œaGโ€, die auf einen Rollstuhl oder eine Gehhilfe angewiesen sind, gilt ein zusรคtzlicher Wohnraum von bis zu 15 Quadratmetern als angemessen.

Mehrbedarf in Hรคrtefรคllen

In bestimmten Fรคllen besteht ein Anspruch auf zusรคtzliche Leistungen fรผr regelmรครŸig wiederkehrende und unabweisbare Ausgaben.

Dies hรคngt von der individuellen Situation ab. Beispielsweise kรถnnten Menschen mit einer Gehbehinderung einen Mehrbedarf fรผr eine Haushaltshilfe oder spezielle Pflegeprodukte geltend machen.

Mehrbedarf wรคhrend der Ausbildung

Fรผr Auszubildende, deren Ausbildung nach BAfรถG oder den Leistungen zur Fรถrderung der Berufsausbildung (ยงยง 60 bis 62 SGB III) fรถrderfรคhig ist, bestehen besondere Regelungen. Sie haben keinen Anspruch auf Mehrbedarf gemรครŸ ยง 7 Abs. 5 SGB II.

Schรผler und Studenten, die Sozialgeld und Leistungen fรผr Bildung und Teilhabe nach ยง 28 Abs. 1 SGB II beziehen, kรถnnen den Mehrbedarf auch fรผr eine schulische oder Hochschulausbildung erhalten, sofern sie Eingliederungshilfe nach ยง 54 Abs.1 und 2 SGB XII erhalten.

Auch nach Beendigung der MaรŸnahme kann der Mehrbedarf weiter gewรคhrt werden, wenn sich die Person in einer รœbergangszeit, wie etwa der Einarbeitungszeit, befindet.

Mehrbedarf fรผr Schwerbehinderte mit Merkzeichen G

Nicht erwerbsfรคhige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft ab 15 Jahren mit dem Merkzeichen G oder aG im Schwerbehindertenausweis erhalten einen Mehrbedarf von 17 Prozent ihres Regelbedarfs. Dieser Mehrbedarf wird jedoch nicht gewรคhrt, wenn bereits ein anderer Mehrbedarf fรผr Menschen mit Behinderungen besteht.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock:
Unerheblich fรผr den Mehrbedarf nach ยง 21 Abs. 4 SGB II ist, dass die fragliche Leistungsgewรคhrung nicht auf einer Bewilligung des Jobcenters beruht. Ausreichend fรผr die Erfรผllung des Merkmals โ€žerbracht werdenโ€œ ist vielmehr, dass eine in der Regelung bezeichnete EingliederungsmaรŸnahme tatsรคchlich durchgefรผhrt wird, unabhรคngig davon, wer Trรคger der Teilhabeleistung ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2017 -B 14 AS 27/16 R – ).

Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung begrรผnden als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben einen Mehrbedarf bei Behinderung ( BSG, Urteil vom 05.07.2017 – B 14 AS 27/16 R – ).

Ein Beispiel aus der Praxis

Frau Mรผller ist 45 Jahre alt, alleinstehend und bezieht Bรผrgergeld. Sie hat einen anerkannten Grad der Behinderung von 60 und nimmt an einer vom Jobcenter anerkannten MaรŸnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil.

Regelbedarf: Als Alleinstehende erhรคlt Frau Mรผller einen monatlichen Regelbedarf von 563 Euro.
Mehrbedarf: Aufgrund ihrer Teilnahme an der MaรŸnahme steht ihr ein Mehrbedarf von 35 % des Regelbedarfs zu, was 197,05 Euro entspricht.

Insgesamt erhรคlt Frau Mรผller somit monatlich 760,05 Euro (563 Euro Regelbedarf + 197,05 Euro Mehrbedarf).

Voraussetzungen fรผr den Mehrbedarf

Erwerbsfรคhigkeit: Die Person muss erwerbsfรคhig sein, d.h., sie kann mindestens drei Stunden tรคglich arbeiten.
Teilnahme an MaรŸnahmen: Es muss eine Teilnahme an MaรŸnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder an sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes erfolgen.

Hinweis: Der Mehrbedarf muss nicht gesondert beantragt werden. Es ist jedoch erforderlich, dem Jobcenter die Schwerbehinderung und die Teilnahme an entsprechenden MaรŸnahmen nachzuweisen, beispielsweise durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises und einer Teilnahmebescheinigung.