Schwerbehinderung: Bei halber EM-Rente trotzdem Anspruch auf Arbeitslosengeld

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In Deutschland bestehen verschiedene Lohnersatzleistungen, die Menschen mit schwerer oder chronischer Erkrankung vor einem kompletten Einkommensverlust schรผtzen sollen. Eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) ist dabei eine Option, wenn Betroffene lรคnger als sechs Monate nicht in der Lage sind, ihren Beruf oder auch andere Tรคtigkeiten auszuรผben.

Allerdings wird diese Rente hรคufig nur in halber Hรถhe gewรคhrt, sobald die tรคgliche Leistungsfรคhigkeit zwischen drei und unter sechs Stunden liegt. Oft stellt sich dann die Frage, welche ergรคnzenden Leistungen in Anspruch genommen werden kรถnnen, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Gesetzliche Hintergrรผnde: Die 5-5-3-Regel bei der EM-Rente

Die Rente wegen Erwerbsminderung orientiert sich nicht allein am Gesundheitszustand. Zusรคtzlich mรผssen bestimmte versicherungsrechtliche Kriterien erfรผllt sein. Der gebrรคuchliche Begriff โ€ž5-5-3-Regelโ€œ beschreibt diese Voraussetzungen: Zum einen verlangt die Deutsche Rentenversicherung mindestens fรผnf Beitragsjahre, zum anderen mรผssen in den fรผnf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Pflichtbeitragsjahre liegen.

Abgesehen davon wird die tatsรคchliche Arbeitsfรคhigkeit รคrztlich geprรผft. Liegt sie unter drei Stunden tรคglich, kommt eine volle EM-Rente in Betracht. Zwischen drei und sechs Stunden wird nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente gezahlt.

Dieses Verfahren soll sicherstellen, dass vor allem Menschen unterstรผtzt werden, die durch chronische oder schwere Krankheiten in ihrer Leistungsfรคhigkeit erheblich eingeschrรคnkt sind und gleichzeitig Beitrรคge in das Rentensystem geleistet haben.

Denn obwohl die gesundheitliche Komponente im Vordergrund steht, erfรผllt nicht jede schwerwiegende Erkrankung automatisch die strengen Anforderungen, um eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen zu kรถnnen.

Finanzielle Engpรคsse: Warum die halbe EM-Rente oft zu wenig ist

Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche monatliche Zahlbetrag fรผr eine volle EM-Rente bei rund 950,27 Euro. Wer lediglich eine halbe EM-Rente bezieht, muss mit einem entsprechend geringeren Beitrag auskommen und benรถtigt hรคufig ergรคnzende Einkommensquellen.

Nach sechs Wochen der Lohnfortzahlung springt zwar die Krankenkasse fรผr maximal 78 Wochen mit Krankengeld ein, doch auch diese Leistung hat ein Ablaufdatum. Lรคuft das Krankengeld aus, รผbernimmt normalerweise die Agentur fรผr Arbeit die weitere finanzielle Absicherung.

Entscheidend ist hier jedoch der Gesundheitszustand. Wer weder eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht, noch einer Vollzeitbeschรคftigung nachgehen kann, steht schnell vor einer komplizierten Gemengelage verschiedener Leistungsansprรผche.

Denn neben einer mรถglichen Teilrente kommen unter Umstรคnden Arbeitslosengeld oder โ€” falls gar keine Erwerbsfรคhigkeit mehr gegeben ist โ€” das Bรผrgergeld (ehemals Hartz IV) in Betracht.

Aufstockung der halben EM-Rente: Mรถglichkeiten von Teilzeit bis ALG

Oft ist es durchaus erwรผnscht, weiter in Teilzeit zu arbeiten, um das eigene Einkommen zu stabilisieren. Ein bestehender Arbeitsplatz kann in diesem Fall beibehalten werden, solange gesundheitlich eine Beschรคftigung von drei bis unter sechs Stunden tรคglich mรถglich bleibt.

Dann flieรŸt zusรคtzlich zur halben EM-Rente ein Teilzeitgehalt. In der Praxis wird die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zunรคchst befristet bewilligt. Am Ende dieser Frist prรผft die Rentenversicherung, ob weiterhin Anspruch besteht.

Wer hingegen keinen Arbeitsplatz mehr hat, sucht hรคufig nach Alternativen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld. Befindet sich jemand noch im Krankengeld-Bezug, wird die halbe EM-Rente nicht vollstรคndig addiert, sondern als Hinzuverdienst gewertet. Ein vergleichbares Prinzip gilt auch beim Arbeitslosengeld.

Steht Betroffenen der Arbeitsmarkt nur in Teilzeit offen, zahlt die Agentur fรผr Arbeit das ALG lediglich in halber Hรถhe. Aus Sicht der Behรถrde ist dies eine logische Konsequenz, da eine volle ALG-Leistung nur Personen zugutekommt, die den Arbeitsmarkt in vollem Umfang bedienen kรถnnen.

Letzte Option: Bรผrgergeld als Auffangnetz

Wenn neben der halben Erwerbsminderungsrente weder ein Teilzeitarbeitsplatz noch Krankengeld oder Arbeitslosengeld das Existenzminimum abdecken, bleibt in Deutschland das Bรผrgergeld als letztes Sicherungsinstrument. Hierbei รผbernimmt das Jobcenter die Kosten der Unterkunft und zahlt einen Regelsatz (aktuell 563 Euro), von dem allerdings die halbe EM-Rente abgezogen wird.

Das Ziel dieses Modells besteht darin, dass niemand trotz Krankheit vollstรคndig mittellos bleibt, gleichzeitig jedoch kein hรถheres Gesamteinkommen entsteht als bei Personen ohne Erwerbsminderungsrente.

Christian Schultz vom Sozialverband in Kiel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Kombination aus halber EM-Rente und halbem Arbeitslosengeld sinnvoll sein kann, um sich zumindest eine Teilabsicherung zu sichern.

Der wichtige Unterschied zur vollen EM-Rente besteht darin, dass bei einer verminderten Erwerbsfรคhigkeit noch eine gewisse Restarbeitskapazitรคt vorliegt, die entsprechend honoriert โ€” oder eben begrenzt โ€” wird.