Schwerbehinderung: Keine Diskriminierung bei Ablehnung eines Bewerbers – Aktuelles Urteil

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Ein Arbeitsgericht im Rheinland sah keine Diskriminierung, als ein Ausbildungsbetrieb die Zusage an einen Bewerber mit Schwerbehinderung zurücknahm. Der Grund lag in einer ungünstigen medizinischen Einschätzung durch einen Betriebsarzt. Das Gericht urteilte, dass die Behinderung selbst nicht ausschlaggebend war.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber Gesundheitsgutachten beauftragen dürfen und sich auf deren Ergebnis verlassen können. Dieser Fall hat Bedeutung für alle, die entweder Bewerbungsverfahren gestalten oder daran teilnehmen.

Hintergrund des Falls

Ein junger Mann mit einer schweren Form von Diabetes Typ 1 bewarb sich um einen Ausbildungsplatz. Er erhielt eine vorläufige Einstellungszusage. Diese war an zwei Bedingungen geknüpft: Erstens sollte ein polizeiliches Führungszeugnis ohne relevanten Eintrag vorgelegt werden.

Zweitens musste eine ärztliche Untersuchung die gesundheitliche Eignung bestätigen. Als ein vom Arbeitgeber beauftragter Arzt die Ausbildungstauglichkeit verneinte, zog das Unternehmen das Angebot zurück.

Nach eigener Aussage sah der Bewerber seine Behinderung als Grund für die Rücknahme. Seine persönlichen Ärzte hielten ihn für voll einsatzfähig. Die abweichende Einschätzung des Betriebsarztes sorgte für Unverständnis. Daraufhin forderte er eine Entschädigung, weil er sich durch diesen Vorgang diskriminiert fühlte.

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Rechtliche Einordnung

Die Klage stützte sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dieses Gesetz schützt unter anderem vor Benachteiligungen wegen einer Behinderung. In § 7 Abs. 1 AGG steht klar, dass eine Benachteiligung aus Gründen wie Behinderung unzulässig ist. In § 15 Abs. 2 AGG wird geregelt, dass bei Verstößen Schadensersatzforderungen entstehen können.

Arbeitgeber haften allerdings nicht, wenn sie die Benachteiligung nicht zu verantworten haben.

Der Bewerber argumentierte, dass die ärztliche Einschätzung veraltet und unzutreffend sei. Aus seiner Sicht hätte das Unternehmen wenigstens eine zweite Meinung einholen müssen. Zudem fühlte er sich ungerecht behandelt, weil die Ablehnung mit seiner Diabetes-Erkrankung zusammenhing.

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Die Sicht des Gerichts

Das Arbeitsgericht entschied, dass der Vorwurf einer Diskriminierung nicht haltbar sei (Az. 3 Ca 1654/23). Der Betrieb hatte die Bewerbung zunächst positiv beurteilt und erst nach dem ungünstigen Gesundheitsgutachten reagiert.

Nach Ansicht des Gerichts lag die Ursache für die Absage allein in der negativen ärztlichen Bewertung der Eignung. Dass diese Bewertung sich auf die Erkrankung bezog, wertete das Gericht nicht als Diskriminierung der Behinderung selbst.

Wichtig dabei: Das Gericht prüfte genau, ob der Arbeitgeber absichtlich wegen der Schwerbehinderung absagte. Da das Unternehmen zunächst eine Einstellungszusage aussprach, folgerten die Richter, dass die Behinderung an sich keinen Hinderungsgrund darstellte.

Vielmehr vertraute der Arbeitgeber auf die Expertise des betrieblichen Arztes. Für das Gericht sprach dies gegen eine unfaire Benachteiligung.

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Warum spielte die Behinderung keine Rolle?

Die Kernfrage lautete: Hat der Arbeitgeber den Bewerber abgelehnt, weil er an Diabetes leidet, oder weil ein Facharzt die gesundheitliche Eignung für den konkreten Ausbildungsberuf verneinte?

Das Gericht bestätigte Letzteres. Es betonte, dass die Behinderung selbst kein ausschlaggebendes Kriterium war. Entscheidend war die Einschätzung, dass die nötige Belastbarkeit nicht gewährleistet sei.

Menschen mit Diabetes Typ 1 können viele Berufe ausüben. In diesem Fall sah der Betriebsarzt jedoch ein erhöhtes Risiko für den konkreten Ausbildungszweig.

Das Gericht folgerte, dass der Arbeitgeber keine Spezialkenntnisse haben muss, um die medizinische Diagnose infrage zu stellen. Er darf sich auf das Ergebnis eines beauftragten Arztes verlassen. Dabei handelt es sich laut Gericht um eine Entscheidung, die generell für jeden Bewerber gelten könnte, wenn dieselbe Diagnose vorläge.

Auswirkungen für Bewerber und Arbeitgeber

Das Urteil bekräftigt, dass Arbeitgeber eine gesundheitliche Eignung als Einstellungsvoraussetzung festlegen dürfen. Unter bestimmten Bedingungen ist es sogar üblich, dass Betriebe Gesundheitsprüfungen veranlassen, beispielsweise in sicherheitsrelevanten Bereichen oder bei Stellen mit besonderen körperlichen Anforderungen.

Bewerber mit Behinderung, die eine Zusage erhalten, sollten wissen: Eine Rücknahme des Angebots ist möglich, wenn ein medizinischer Check negativ ausfällt. Für sie ist es ratsam, bereits im Vorstellungsgespräch zu klären, welche gesundheitlichen Anforderungen existieren.

Ein frühzeitiges Gespräch mit den eigenen Ärzten kann helfen, potenzielle Missverständnisse auszuräumen. Sollte es doch zu einer Diskriminierungsvermutung kommen, empfiehlt es sich, alle Unterlagen zu sichern und gegebenenfalls Rechtsrat einzuholen.

Arbeitgeber sind gut beraten, die Kriterien für die gesundheitliche Eignung klar und objektiv zu formulieren. So vermeiden sie Missinterpretationen und unklare Situationen. Im Idealfall entsteht kein Eindruck, dass die Behinderung selbst der Grund für eine Ablehnung sein könnte. Für den Fall, dass ein Betriebsarzt ein Gutachten erstellt, lohnt es sich, die Kriterien nachvollziehbar zu kommunizieren.

Prüfungspflichten und Grenzen

Arbeitgeber bewegen sich in einem rechtssicheren Rahmen, wenn sie Gleichbehandlungsgrundsätze befolgen und individuelle Gesundheitsprüfungen sachlich begründen. Zwar dürfen sie bei einem Bewerber mit Behinderung nicht willkürlich handeln. Doch sie brauchen die Schilderung eines Facharztes nicht zu ignorieren. Die Grenze verläuft dort, wo nachweislich Vorurteile gegen bestimmte Erkrankungen den Ausschlag geben.

Gerichte stellen in vergleichbaren Fällen die Frage, ob das Unternehmen den Bewerber ohne Krankheit unter identischen Umständen ebenfalls abgelehnt hätte. Wenn die Antwort Ja lautet, ist eine Diskriminierung wegen einer Behinderung meist schwer zu belegen.

Berufung und möglicher Ausblick

Der abgelehnte Bewerber legte Berufung ein, sodass eine nächste Instanz den Sachverhalt nochmals prüfen wird. Möglicherweise fällt ein anderes Gericht ein abweichendes Urteil, sollte es neue Beweise oder alternative Gutachten geben.

Dennoch bleibt die zentrale Botschaft bestehen: Betriebe dürfen eine Zusage widerrufen, wenn eine ärztliche Untersuchung nicht zur gewünschten Eignung rät.

Zukünftige Entscheidungen könnten mehr Klarheit schaffen, wie detailgenau Ärzte ihre Gutachten begründen sollten. Denkbar ist, dass Gerichte einen höheren Prüfaufwand für Arbeitgeber verlangen, wenn sehr unterschiedliche medizinische Meinungen vorliegen. Damit könnte vermieden werden, dass eine einzige Untersuchung den Ausschlag gibt.