Schwerbehinderung: Mehr Rente trotz früherem Ausstieg

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2023 entschieden sich über 62.000 Menschen in Deutschland für den Eintritt in die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Im Schnitt erhielten sie eine monatliche Bruttorente von 1.302 Euro. Im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Rente für die über 212.000 langjährig Versicherten, die ebenfalls 2023 in den Ruhestand gingen, mit 1.172 Euro spürbar niedriger. Doch woran liegt dieser Unterschied?

Ein genauer Blick auf die Mechanismen der Rentenberechnung zeigt: Nicht der Status allein entscheidet über die Rentenhöhe – vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt des Renteneintritts und die damit verbundenen Abschläge an.

Vier Wege zur Altersrente – nicht alle sind gleich

Das deutsche Rentenrecht unterscheidet vier grundlegende Arten der Altersrente: die Regelaltersrente, die Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren, die Altersrente für langjährig Versicherte mit mindestens 35 Beitragsjahren sowie die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Während die ersten beiden Rentenarten in der Regel abschlagsfrei in Anspruch genommen werden können, müssen Versicherte bei den beiden letztgenannten Varianten häufig mit finanziellen Einbußen rechnen – insbesondere dann, wenn sie vor dem regulären Rentenalter aus dem Erwerbsleben ausscheiden möchten.

Abschläge: Je früher der Start, desto größer der Verlust

Wer vorzeitig in den Ruhestand geht, erhält pro Monat vor dem regulären Renteneintritt 0,3 % weniger. Diese Kürzung ist dauerhaft und kann sich erheblich auf die Rentenhöhe auswirken.

Bei Renteneintritt mit 63 Jahren ergibt sich folgendes Bild für Geburtsjahrgänge ab 1964:

  • Langjährig Versicherte müssen einen maximalen Abschlag von 14,4 % verkraften.
  • Schwerbehinderte Versicherte kommen hingegen mit maximal 10,8 % davon – oft sogar mit weniger.

Dieser Unterschied wirkt sich massiv auf den monatlichen Rentenbetrag aus, wie das folgende Rechenbeispiel verdeutlicht.

Praxisbeispiel: Petra geht 2027 in Rente – aber wie?

Petra, geboren am 1. Januar 1964, möchte ab dem 1. Januar 2027 nicht mehr arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt hat sie insgesamt 43,56 Entgeltpunkte angesammelt. Sie erfüllt sowohl die Voraussetzungen für die Altersrente für langjährig Versicherte als auch für die schwerbehinderten Rente.

Bei einem Rentenwert von 40,79 € (gültig ab 1. Juli 2025) ergibt sich folgende Berechnung:

Langjährig Versicherte:

  • Rentenbeginn vier Jahre vor dem regulären Alter → 14,4 % Abschlag
  • Zugangsfaktor: 0,856
  • Monatsrente: 43,56 EP × 0,856 × 40,79 € = 1.520,79 €

Schwerbehinderte:

  • Rentenbeginn zwei Jahre vor dem regulären Alter → 7,2 % Abschlag
  • Zugangsfaktor: 0,928
  • Monatsrente: 43,56 EP × 0,928 × 40,79 € = 1.648,71 €

Petra hätte also einen monatlichen Mehrbetrag von 127,92 Euro, wenn sie die Rente für schwerbehinderte Menschen wählt – obwohl beide Rentenformen am selben Tag beginnen.

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Was bedeutet das für Sie?

Viele Versicherte entscheiden sich vorschnell für die erstbeste Möglichkeit, in Rente zu gehen, ohne die langfristigen finanziellen Folgen ihrer Wahl genau zu kennen. Dabei kann die gezielte Auswahl der passenden Rentenart über die Jahre hinweg mehrere hundert Euro zusätzlich im Jahr einbringen.

Wer frühzeitig eine individuelle Rentenberatung in Anspruch nimmt, verschafft sich einen klaren Überblick über realistische Optionen und vermeidet Fehlentscheidungen. Ein sorgfältiger Vergleich der verschiedenen Rentenarten macht Unterschiede in der Rentenhöhe deutlich sichtbar.

Selbst vermeintlich geringe Abschläge können sich über die Dauer des Ruhestands zu erheblichen Summen aufaddieren – eine vorausschauende Planung lohnt sich daher in jedem Fall.

Der Status „schwerbehindert“ bringt mehr als nur steuerliche Vorteile

Neben besseren Abschlagsbedingungen profitieren schwerbehinderte Menschen auch bei der Altersrente – vorausgesetzt, sie lassen sich diesen Status offiziell anerkennen. Entscheidend ist dabei:

  • Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 betragen.
  • Der Status muss mindestens beim Rentenantrag vorliegen, besser deutlich früher.
  • In bestimmten Fällen zählen auch Gleichstellungen ab einem GdB von 30, wenn eine Gleichbehandlung durch die Agentur für Arbeit vorliegt.

Rentenwahl bewusst treffen – statt Geld zu verschenken

Die Entscheidung für eine bestimmte Rentenart sollte gut überlegt und keinesfalls spontan getroffen werden. Selbst wenn der Wunsch nach einem baldigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben verständlich und dringend erscheint, lohnt sich eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den eigenen Möglichkeiten – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.

Versicherte sollten zunächst eine aktuelle Rentenauskunft anfordern und ihre Versicherungszeiten sorgfältig auf Vollständigkeit prüfen. Etwaige Lücken können sich negativ auf die Rentenhöhe auswirken. Darüber hinaus ist es ratsam, mithilfe von Rentenberatern konkrete Rechenbeispiele erstellen zu lassen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Wer voreilig einen Antrag stellt, ohne vorher die verschiedenen Rentenarten miteinander zu vergleichen, riskiert langfristig finanzielle Einbußen.