Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen in Deutschland und werden dennoch oft unterschätzt, weil sie nicht immer offensichtlich sind. Bei manchen Betroffenen führt die Erkrankung zu großen Schwierigkeiten im Beruf und im Privatleben.
In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, Depressionen als Behinderung anerkennen zu lassen. Das verschafft unter anderem finanzielle Vorteile, besonderen Kündigungsschutz oder mehr Unterstützung im Alltag.
Inhaltsverzeichnis
Wann erkennt das Versorgungsamt Depressionen als Behinderung an?
Die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) übernimmt das Versorgungsamt, das je nach Bundesland unterschiedliche Namen tragen kann. Bei seiner Entscheidung orientiert es sich an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.
Dabei ist nicht nur die ärztliche Diagnose wichtig, sondern vor allem, wie stark du tatsächlich im Alltag eingeschränkt bist. Damit das Amt alle Aspekte berücksichtigt, sollte man genau schildern, in welchen Lebensbereichen du durch die Depression Probleme hast.
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Welche Vorteile kann ein festgestellter GdB mit sich bringen?
Sobald die Depression als Behinderung anerkannt wird, können verschiedene Entlastungen helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Vor allem im Arbeitsleben sowie finanziell und sozial kann sich das spürbar auswirken.
Erleichterungen und Vergünstigungen
- Schon ab einem GdB von 20 kann man den Behindertenpauschbetrag steuerlich geltend machen.
- Bei einem GdB von 30 hat man unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Gleichstellung und damit einen besonderen Kündigungsschutz.
- Ab einem GdB von 50 erhält man den Schwerbehindertenausweis. Damit bekommt man unter anderem eine Woche Zusatzurlaub, eine vorgezogene Rente ohne Abschläge und oft auch Preisvorteile in Kultureinrichtungen oder im Nahverkehr.
Viele wissen gar nicht, dass diese Hilfen schon bei psychischen Erkrankungen beantragt werden können, wenn der Alltag dadurch erheblich erschwert ist. Es lohnt sich also, rechtzeitig einen Antrag zu stellen.
Wie werden Depressionen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen unterschieden?
Depressionen können je nach Intensität und Dauer sehr unterschiedlich sein. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze führen sie sowohl unter „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumata“ als auch unter „affektive Psychosen“.
- Leichte Depressionen, die nur zu geringen Einschränkungen führen, werden oft mit GdB 20 bewertet.
- Bei stärkerer Beeinträchtigung in Beruf und Alltag kann es auch GdB 30 oder 40 sein.
- Ab GdB 50 spricht man von einer Schwerbehinderung. Dafür muss die Depression in der Regel länger als ein halbes Jahr andauern oder wiederholt auftreten.
Liegt zusätzlich eine bipolare Störung oder manische Phase vor, wird meist genauer geprüft, wie häufig und lang anhaltend diese Episoden sind.
Was bedeuten soziale Anpassungsstörungen für den GdB?
Oft wirken Depressionen nicht nur auf die Stimmung oder den Antrieb, sondern auch auf Beziehungen und den Alltag. Gerät man wegen der Erkrankung immer wieder in Konflikte oder man verliert den Job, spricht man von sozialen Anpassungsstörungen.
Das Amt berücksichtigt solche Folgen sehr genau, wenn es um die Höhe des GdB geht. Deshalb ist es wichtig, im Antrag möglichst konkret zu erklären, welche Lebensbereiche durch die Depression beeinträchtigt werden. Auch die Stellungnahmen von Ärztinnen und Therapeuten sollten das Ausmaß dieser Anpassungsstörungen verdeutlichen.
Wann liegt eine affektive Psychose vor und was ist die Heilungsbewährung?
Liegen lang anhaltende depressive Phasen oder bipolare Verläufe vor, können die Symptome als affektive Psychosen eingestuft werden. Das kann zu einem GdB zwischen 50 und 100 führen, wenn wiederkehrende schwere Episoden oder ein sehr hoher Leidensdruck vorhanden sind.
- Hält eine schwere depressive Phase länger als sechs Monate an oder wiederholt sie sich oft, ist ein hoher GdB denkbar.
- Mitunter wird eine sogenannte „Heilungsbewährung“ von zwei Jahren eingeräumt. Während dieser Zeit bleibt ein hoher GdB bestehen, auch wenn die Symptome vorübergehend nachlassen, da das Rückfallrisiko sehr hoch sein kann.
Bei einer einmaligen, rein depressiven Episode ohne manische Anteile entfällt diese Heilungsbewährung meist, wenn es nicht zu einem weiteren Rückfall kommt.
Was tun, wenn der Bescheid zu niedrig ausfällt oder sich die Situation ändert?
Weil Depressionen schwieriger messbar sind als körperliche Erkrankungen, kann es vorkommen, dass das Versorgungsamt einen zu niedrigen GdB festlegt. Wenn man mit dem Bescheid nicht einverstanden ist, kann man Widerspruch einlegen und notfalls klagen.
Wichtige Hinweise zum Vorgehen
- Innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einlegen.
- Falls der Widerspruch abgelehnt wird, bleibt die Klage beim Sozialgericht als nächste Instanz.
- Verschlechtert sich dein Zustand oder kommen weitere Erkrankungen hinzu, kann man einen Neufeststellungsantrag stellen.
Warum es wichtig ist, frühzeitig aktiv zu werden
Depressionen wirken sich häufig nicht nur auf die Psyche, sondern auch auf das soziale und finanzielle Leben aus. Besonders wer Probleme im Job oder dauerhaft hohe Belastungen hat, profitiert von besseren Schutzregelungen. Auch zusätzliche Urlaubstage und Steuererleichterungen können im Alltag entlasten.
Dennoch wissen viele Betroffene nicht, dass sie mit einer Depression überhaupt einen GdB beantragen können. Ein offenes Gespräch mit Ärztinnen, Therapeuten oder Beratungsstellen hilft dabei weiter, die nötigen Schritte einzuleiten.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.