Viele Politiker fordern immer neue Repressionen gegen Leistungsberechtigte im Bürgergeld-Bezug und dazu gehört Zwangsarbeit bei Sozialleistungen. Manche Städte und Kommunen springen auf diesen Zug auf, darunter die Stadt Essen.
Diese feilt die verfassungswidrigen Pläne, Bürgergeld-Bezieher in eine Arbeitspflicht zum Fast-Nulltarif zu stecken noch weiter aus und will Leistungsberechtigte jetzt danach prüfen, wie arbeitsfähig sie sind.
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Wer nicht voll erwerbsgemindert ist, muss arbeiten
Wer nicht voll erwerbsgemindert ist, also mindestens drei Stunden am Tag arbeiten kann, soll zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Dieses Model entwirft Peter Renzel, Dezernent für Soziales und Arbeit in Essen.
Das öffentliche Gesundheitsamt soll in einer Musterung wie seinerzeit beim Wehrdienst klären, wer „tauglich“ ist. Bürgergeld Berechtigte unter 65 Jahren sollen dann einmal pro Jahr auf ihre Erwerbsfähigkeit untersucht werden.
Renzel behauptet, dies solle niemand diffamieren, es gehe um Beteiligung und Mitwirkung, denn schließlich käme die Allgemeinheit für das Bürgergeld auf.
Hoher Aufwand und enorme Kosten
Ein solches Drücken in kaum bezahlte Beschäftigung wäre extrem aufwendig, verschlingt Zeit, Kosten und Ressourcen. Die Betroffenen müssen angeleitet werden und gegen ihren Willen den Job erledigen.
Das weiß der Dezernent auch. Er will kein Kürzen der Sozialleistungen, sondern spricht von einer „Politik des Hinterherlaufens“ und dafür bräuchte es Ressourcen und Personal.
Geringe Motivation und Verdrängung regulärer Arbeit
Im Umfeld der Bundesagentur der Arbeit stoßen diese Pläne auf Ablehnung, zum Beispiel Bernd Fitzenberger vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das der Bundesagentur angeschlossen ist.
Fitzenberger meint, die Motivation für Arbeiten, die man sich nicht selbst aussuchen können und die meist nicht mit der eigenen Qualifikation einher gehen sei gering. Außerdem würden eine solche Arbeitspflicht reguläre und produktive Beschäftigung verdrängen.
Als einzigen positiven Punkt dieses Konzeptes nennt er, dass Leistungsberechtigte so die Chance hätten, Erfahrungen zu sammeln.
Work-First
Das Modell der sofortigen Arbeitssuche ist nicht neu, sondern stammt aus den Niederlanden und wird als „ Iedereen werkt mee“ bezeichnet, und das bedeutet „alle arbeiten mit“.
Das niederländische Institut für Arbeitnehmerversicherungen (UWV), ein Art Jobcenter, schickt die Betroffenen direkt in die Stellenvermittlung, und wer keine reguläre Stelle findet, kommt in eine Werk Akademie.
Es gibt intensive Arbeitsförderung
Die Leistungsberechtigten müssen acht Stunden an dieser Maßnahme teilnehmen und dabei an vier Tagen die Woche vier Stunden am Tag nach Stellen suchen, dabei leiten Experten und Coaches sie an und sie tauschen sich die ganze Zeit mit anderen Arbeitssuchenden aus.
Hier unterscheidet sich der Ansatz von Work First extrem von den Forderungen aus CDU / CSU, FDP und AfD und der „Tauglichkeitsprüfung“ in Essen.
Motivation zur Arbeitssuche
Denn während in deutschen Jobcentern die Mittel für Arbeitsförderung zusammen gestrichen werden und die Mitarbeiter Erfolgsprojekte zur Förderung von Langzeiterwerbslosen und Familien einstampfen müssen, kurbelt Work First die Motivation und Arbeitssuche enorm an.
Austausch ist wichtig
Dirk Vink, der die Werk Akademie entwickelte, sagt: „Deshalb ist der Austausch zwischen den Teilnehmern bei uns ein wichtiges Element. Die Coaches halten sich eher zurück, helfen aber beim Optimieren der Lebensläufe oder motivieren, wenn es nötig wird.“
Der Bewerber steht im Mittelpunkt
Er ergänzt: „Ich wollte nach einer Lösung suchen, bei dem der Bewerber im Mittelpunkt steht und selbst die Lösung findet. Ich war es leid, den Menschen die Jobs auf dem Silbertablett servieren zu müssen. Das bringt doch nichts.“
Das eigene Potenzial entwickeln statt den Boden unter den Füßen wegreißen
Leistungsberechtigte darin zu unterstützen, ihr eigenes Potenzial zu entwickeln, sie als als Individuen zu betrachten, sie in den Mittelpunkt zu stellen, und zum selbstständigen Denken wie Handeln zu motivieren, ist das exakte Gegenteil davon, Bürgergeld-Bezieher in Arbeitspflicht zum Fast-Nulltarif zu drücken und ihnen ansonsten die Mittel zum Lebensunterhalt zu rauben.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.