Nach einer Trennung von Eltern stellt sich immer die Frage, wie es mit den Kindern weitergeht. Eine Option ist das Wechselmodell – die Kinder leben etwa gleich lang bei beiden Elternteilen. Sozialrechtlich ist das komplex – und unfair!
Inhaltsverzeichnis
Beispiel:
Jana und Paul sind Eltern von Lara (9). Sie haben sich getrennt und leben das Wechselmodell. Beide zahlen für ihre Wohnungen in Dresden 500€ Bruttokalt + 80€ Heizung und verdienen 1500€ Netto (1887 Brutto). Das Kindergeld bezieht Jana und gibt die Hälfte davon Paul.
1. Bürgergeld (Grundsicherung) und das Wechselmodell
13 -17 Tage gelten als Wechselmodell. Beide bekommen den 1/2 Regelbedarf fürs Kind und den 1/2 Mehrbedarf Alleinerziehung. Bei beiden wird Lara voll bei den Wohnkosten und dem Kindersofortzuschlag berücksichtigt.
Bedarf (beide Haushalte):
563€ Regelbedarf
33,78€ Mehrbedarf Alleinerziehung (1/2)
195€ Regelbedarf Kind (1/2 von 390€)
500€ Kaltmiete
80€ Heizkosten
25€ Kindersofortzuschlag
——–
1396,78€ Bedarf
Einkommen (beide Haushalte)
1500€ Netto
-378€ Freibetrag
——–
1122€ angerechnet
127,50€ Kindergeld (1/2 des Kindergelds)
——–
1249,50€ angerechnetes Einkommen
Bürgergeld:
1396,78€ Bedarf
-1249,50€ angerechnetes Einkommen
————-
147,28€ Bürgergeld
Im Bürgergeld ergeben sich keinerlei Unterschiede – beide Elternteile hätten jeweils einen Anspruch auf 147,28€ Bürgergeld. Aber es gibt ja noch die vorrangigen Leistungen Wohngeld und Kinderzuschlag.
2. Wohngeld und das Wechselmodell
Im Wohngeld gilt das Kind ab 11 Tagen voll als Haushaltsmitglied, Lara wird also bei beiden voll berücksichtigt. Unterschiede ergeben sich durch die Weiterleitung des Kindergelds von Jana an Paul.
Jana kann die Weiterleitung des 1/2 Kindergelds als Unterhaltszahlung absetzen, während es bei Paul als erhaltenen Unterhalt angerechnet wird.
Dadurch ergeben sich verschiedene Ansprüche, die ich hier mit http://wohngeld-mv.de/rechner errechnet habe:
Jana: 401€
Paul: 304€


3. Kinderzuschlag und das Wechselmodell
KIZ bekommt nur die kindergeldbeziehende Jana. Paul ist ausgeschlossen.
Berechnung:
a) Elternbedarf:
563€ Regelbedarf
33,78€ MB Alleinerziehung (1/2)
446,60€ Wohnkostenanteil (77% von 580€ Warm)
——–
1043,38€ Elternbedarf
b) Elterneinkommen
1500€ Netto
-378€ Freibetrag
——–
1122€ angerechnet nach SGB II
c) Bedarfsübersteigendes Elterneinkommen
1122€ anger. nach SGB II
-1043,38€ Elternbedarf
——–
78,62€ überst. Elterneinkommen
Wird zu 45% auf den KiZ angerechnet = 35,38€
d) Kindereinkommen
Das Kindergeld wird nicht als Kindereinkommen angerechnet – also hat Lara kein Einkommen.
e) Kinderzuschlag
297€ maximaler Kinderzuschlag
-35,38€ auf KiZ anger. Elterneinkommen
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261,62€
~262€ Kinderzuschlag
4. Haushaltskasse Jana
Jana hat einen höheren Anspruch auf Wohngeld+Kinderzuschlag als auf Bürgergeld, erhält also diese.
1500€ Netto
255€ Kindergeld
401€ Wohngeld
262€ Kinderzuschlag
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2418€
-127,50€ Kindergeld an Paul
-580€ Warm
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1710,50€ zum Leben
5. Haushaltskasse Paul
Paul hat einen höheren Anspruch auf Wohngeldals auf Bürgergeld, erhält also diese Leistung.
1500€ Netto
127,50€ Kindergeld von Jana
304€ Wohngeld
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1931,50€ Einnahmen
-580€ Warmmiete
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1351,50€ zum Leben
6. Vergleich Haushaltskassen
Zum Leben bleibt jeweils mit 1/2 Zeit mit Lara:
Jana: 1710,50€
Paul: 1351,50€
↔️: 359€
Diese Differenz wird nur dadurch ausgelöst, dass Jana das Kindergeld bezieht und sich dieses nicht auf beide Elternteile aufteilen lässt.
Würde Paul das Kindergeld erhalten hätte er 359€ mehr und sie 359€ weniger.
Bewertung und Handlungsoptionen der Politik
Gerade in dieser Situation, in der sich beide Elternteile die Betreuung paritätisch aufteilen, sollte nicht durch antiquierte rechtliche Regeln künstlich ein Unterschied erzeugt werden.
Noch unsinniger wird es, wenn man sich das Kindergeld steuerrechtlich ansieht.
Bei der Steuererklärung wird eine Günstigerprüfung durchgeführt zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag auf das Einkommen (dadurch bekommen Einkommensstarke im Prinzip mehr Kindergeld).
Kinderfreibetrag und Kindergeld erfüllen somit die gleiche Funktion die Unterstützung von Eltern.
ABER:
– Der Kinderfreibetrag wird zwischen den Eltern aufgeteilt: §32 Abs6 S1 EStG
– Das Kindergeld kann nur ein Elternteil beziehen: §3 Abs1 BKGG
Gerade für das Wechselmodell, besser noch in allen Fällen sollte die Möglichkeit geschaffen werden, das Kindergeld auf Antrag hälftig an beide Elternteile und auszuzahlen – so könnte man die aktuell bestehende Ungerechtigkeit beheben.