Die Frage, wie eigenes Einkommen auf eine Witwen- oder Witwerrente anzurechnen ist, führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (LSG) zeigt, welche gravierenden Folgen unvollständige oder falsche Angaben haben können.
Was geschah im konkreten Fall und warum kam es zur Rückforderung?
Der Witwer bezog seit dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1987 eine Witwerrente. Im Jahr 2007 beantragte er zusätzlich eine Altersrente, ohne diesen neuen Einkommensbezug bei der für die Witwerrente zuständigen Rentenversicherung zu melden.
Erst 2020 stellte sich heraus, dass der Mann über Jahre hinweg eine Altersrente bezogen hatte, die auf seine Witwerrente hätte angerechnet werden müssen.
Weil die Rentenversicherung nicht über das zusätzliche Einkommen informiert war, erhielt er erheblich mehr Hinterbliebenenleistung, als ihm zustand. Nachdem dies auffiel, forderte die Rentenversicherung eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 10.788 Euro zurück.
Mitwirkungs- und Meldepflichten “vergessen”
Der Witwer erhielt bereits bei der Antragstellung auf Witwenrente den Hinweis, dass jede Art von Erwerbseinkommen oder vergleichbaren Einkünften (etwa einer Altersrente) unverzüglich mitzuteilen ist. Diese Pflicht, alle Einkünfte wahrheitsgemäß anzugeben, gilt nicht nur zum Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung, sondern grundsätzlich für die gesamte Dauer des Rentenbezugs.
Genau hier setzte das Landessozialgericht an. Die Richterinnen und Richter kamen zu dem Schluss, dass der Mann bewusst unvollständige oder falsche Angaben gemacht hatte. Er habe diese Pflichten gekannt und dennoch keinen Hinweis auf seinen Bezug der Altersrente gegeben, was sie als grob fahrlässig einstuften.
Warum kann falsches Verhalten in solchen Fällen so weitreichende Folgen haben?
In Hinterbliebenenrentenbescheiden wird zwar auf die Meldepflicht hingewiesen, allerdings sind die Formulierungen nicht immer leicht verständlich. Wer diese Hinweise jedoch übergeht, muss damit rechnen, die zu viel gezahlten Leistungen zurückzahlen zu müssen.
Die Rentenversicherung kann ihre Ansprüche selbst Jahre später geltend machen, sofern sie erst dann Kenntnis davon erlangt, dass gewisse Einkünfte verschwiegen oder nicht korrekt angegeben wurden. In gravierenden Fällen, in denen ein vorsätzliches Handeln festgestellt werden könnte, wäre sogar eine strafrechtliche Relevanz denkbar.
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Was bedeutet das Urteil für andere Hinterbliebene?
Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt bestätigt den Grundsatz, dass jede Einkommensart (einschließlich eigener Rentenleistungen) auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden muss, sofern die gesetzlichen Freibeträge überschritten werden.
Hinterbliebene sind daher gut beraten, von Anfang an offen zu legen, welche Einkünfte sie beziehen. Dabei gilt es sowohl auf Veränderungen im Beschäftigungsverhältnis als auch auf andere Einkünfte, etwa Mieteinnahmen oder Kapitaleinkünfte, zu achten. Wer sich unsicher ist, ob eine bestimmte Einkunftsquelle angegeben werden muss, kann sich bei einer Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung oder bei einem zugelassenen Rentenberater informieren.
Im Alltag kann das konsequente Melden von Einkommensveränderungen sogar Vorteile haben, wenn sich das Einkommen reduziert. Sinkt nämlich das anrechenbare Einkommen in erheblichem Umfang, lässt sich eine höhere Witwen- oder Witwerrente geltend machen. Besonders dann sollten Betroffene nicht zögern, die Rentenversicherung über geänderte Einkommensverhältnisse zu informieren, damit die Rente neu berechnet werden kann.
Was ist aus dem Urteil und dem Fall zu lernen?
Der konkrete Fall zeigt, wie problematisch es sein kann, eine bereits laufende Witwenrente mit weiteren Einkünften zu kombinieren, ohne dies der Rentenversicherung mitzuteilen.
Die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten sehen eine umfassende Offenlegung sämtlicher Einkünfte vor, damit die Hinterbliebenenrente korrekt berechnet werden kann. Wer diese Vorgaben missachtet, begibt sich in ein hohes Risiko, irgendwann mit Rückforderungen konfrontiert zu werden.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt sprach in diesem Fall von grober Fahrlässigkeit und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Rückforderung.
Wäre die Sache noch deutlicher als vorsätzlich einzustufen gewesen, hätten sich für den Betroffenen nicht nur finanzielle, sondern möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen ergeben können.
Eine grundsätzliche Empfehlung lautet daher, alle Bescheide genau zu lesen, Veränderungen rechtzeitig zu melden und sich bei Unsicherheiten fachlichen Rat zu holen.
Auf diese Weise lassen sich langwierige und oft kostspielige Auseinandersetzungen vermeiden. Ebenso sind die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung angehalten, alle relevanten Informationen so transparent wie möglich mitzuteilen und den Betroffenen die Zusammenhänge zu erläutern.
Wer Witwen- oder Witwerrente bezieht, sollte sich zudem damit befassen, ob das alte oder neue Hinterbliebenenrecht für ihn beziehungsweise für sie gilt.
Anhand dieses Unterscheidungsmerkmals können sich in der Praxis andere Freibeträge oder abweichende Regelungen ergeben. Auch dies gehört zur sorgfältigen Prüfung, um eine spätere Rückforderung und eine mögliche finanzielle Überlastung zu vermeiden.
Wie geht es konkret weiter?
Im geschilderten Fall endete der Rechtsstreit mit der Niederlage des Klägers, der die überzahlten 10.788 Euro an die Rentenversicherung zurückerstatten muss.
Der Fall zeigt, dass es durchaus lohnend sein kann, auf Einsprüche oder Berufungen zu verzichten, wenn ersichtlich ist, dass die entsprechenden Angaben tatsächlich versäumt wurden und eine Rechtswidrigkeit gegeben ist. Wer hingegen zu Unrecht einer Rückforderung ausgesetzt ist oder meint, berechtigte Einwendungen zu haben, sollte sich an fachkundige Stellen oder Rechtsbeistände wenden.
“In der Regel besteht die Möglichkeit, gegen einen Rückforderungsbescheid Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls vor den Sozialgerichten zu klagen. Wann ein solcher Schritt sinnvoll ist, hängt von den Umständen des Falls ab”, sagt der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt. “Ist allerdings klar, dass Einkünfte absichtlich oder grob fahrlässig verschwiegen wurden, sinken die Erfolgsaussichten für ein Rechtsmittel erheblich.” (Az: L 3 R 319/22)
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.