Eine Frau erhält von der Rentenversicherung seit über zehn Jahren Geld, das ihrem verstorbenen Ehemann eigentlich nicht zustand. Trotzdem muss sie nichts zurückzahlen. Das Bundessozialgericht entschied, dass der Rückforderungsanspruch verjährt war. (Quelle: BSG, Urteil – B 13 R 19/19 R)
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Rentenversicherung fordert Überzahlung zurück
Die Witwe beantragte nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2011 eine Hinterbliebenenrente. Dabei stellte sich heraus, dass ihr Gatte bereits zu Lebzeiten eine monatliche Verletztenrente aus einem Arbeitsunfall (1968) bezogen hatte. Dies hätte seine Altersrente mindern müssen.
Er hatte jedoch nie darüber informiert. Laut Rentenversicherung führte diese Verschleierung zu einer Überzahlung in Höhe von 28.000 Euro. Die Witwe erfuhr davon erst, als sie ihre eigenen Ansprüche geltend machte.
Die Rentenkasse forderte das Geld zurück und sah sich durch den unrechtmäßigen Bezug zu einer Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheids berechtigt. Dabei spielte der Vorwurf eine Rolle, der Ehemann habe arglistig getäuscht, weil er die Verletztenrente verschwiegen hatte.
Die Witwe sei dadurch zwar begünstigt worden, doch sie habe selbst keine unrichtigen Angaben gemacht. Der Fall ging über mehrere Instanzen bis vor das Bundessozialgericht (BSG).
Ablauf der Gerichtsverfahren
Der Rechtsstreit begann vor dem Sozialgericht (SG). Dort machte die Witwe glaubhaft, sie habe weder vom falschen Altersrentenantrag ihres Mannes noch von der monatlichen Verletztenrente gewusst. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen bestätigte ihre Argumente und lehnte die Rückforderung ab.
Die Rentenversicherung legte Revision beim Bundessozialgericht ein. Das BSG folgte schließlich dem LSG und urteilte, dass nach zehn Jahren kein Erstattungsanspruch mehr geltend gemacht werden kann. Eine arglistige Täuschung durch die Witwe war nicht belegbar.
Das BSG klärte damit auch eine Frage nach der Auslegung des § 45 SGB X: Selbst wenn der Verstorbene arglistig getäuscht hat, darf eine Behörde das Geld nur innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist zurückverlangen. Danach bleibt nichts anderes übrig, als den Verlust hinzunehmen.
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Bedeutung des BSG-Urteils für Witwen und Witwer
Die obersten Sozialrichter bestätigten, dass die Witwe nicht haftet. Obwohl der ursprüngliche Rentenanspruch auf falschen Angaben ihres Mannes beruhte, blieb die Rückforderung ohne Erfolg. Das Gericht bekräftigte, dass nach Ablauf der maximalen Zehnjahresfrist keine Erstattung mehr verlangt werden kann, auch wenn Versicherte oder deren Angehörige falsche Angaben gemacht haben.
Dieses Ergebnis sorgt für Rechtsklarheit. Hinterbliebene oder Versicherte müssen nicht unbegrenzt mit Nachforderungen rechnen, sobald ein rechtswidriger Rentenbescheid länger als zehn Jahre besteht.
Zudem stärkt das Urteil das Prinzip, dass lediglich die Person haftet, die vorsätzlich unrichtige Aussagen traf. Angehörige können nur dann zur Kasse gebeten werden, wenn sie selbst aktiv beteiligt waren. Im vorliegenden Fall führte die Witwe glaubhaft aus, sie habe bis zu seinem Tod nie erfahren, dass der Ehemann eine Verletztenrente verschwiegen hatte.
Grenzen des Rückforderungsrechts
Die gesetzliche Regelung sieht zwei Fristen vor: eine zweijährige Frist sowie eine erweiterte Frist von zehn Jahren. Ersteres greift, wenn die Behörde innerhalb von zwei Jahren ab Kenntnis des fehlerhaften Bescheids aktiv wird und der Betroffene nicht arglistig getäuscht hat.
Ist eine Täuschung erkennbar, dehnt sich die Frist auf zehn Jahre aus. Doch auch diese längste Frist läuft nach ihrem Ablauf ab. Ein Bescheid kann dann nicht mehr rückwirkend kassiert werden.
Wichtig: Sobald Sie einen Rentenbescheid erhalten, sollten Sie sicherstellen, dass alle Einkommensquellen korrekt erfasst sind. Das schützt vor Forderungen, die vielleicht erst viele Jahre später auftauchen. Falls bereits mehr als zehn Jahre vergangen sind, stützt Sie das Urteil des BSG, weil dann keine Rückforderung mehr erfolgen kann.
Wie sieht der rechtliche Rahmen aus?
Deutsche Sozialgerichte prüfen bei Streitigkeiten dieser Art, ob eine Behörde rückwirkend Leistungen zurückfordern darf. Entscheidend ist § 45 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Er regelt, dass ein rechtswidriger, aber begünstigender Bescheid nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann.
Zwar greift bei Vorsatz und Täuschung oft keine Verjährung nach zwei Jahren, doch spätestens nach zehn Jahren endet das Rückforderungsrecht.
In diesem Fall lagen zwar Falschangaben vor, doch die Witwe selbst hatte nie aktiv getäuscht. Zudem waren mehr als zehn Jahre seit der ursprünglichen Rentenbewilligung vergangen. Damit endete die Frist für den Widerruf des fehlerhaften Bescheids. Die Forderung von 28.000 Euro war damit unzulässig.
Das können Versicherte tun
Wer diese Zusammenhänge kennt, spart Nerven und Geld. Sie können bereits beim ersten Rentenantrag alle relevanten Bezüge, vor allem ehemalige Unfall- oder Verletztenrenten, offenlegen. Das gilt auch für Hinterbliebene, die eigene Rentenansprüche haben. Setzen Sie auf doppelte Absicherung:
- Dokumentieren Sie alle Angaben: Bewahren Sie Kopien Ihrer Antragsunterlagen auf.
- Fragen Sie bei Unklarheiten nach: Eine kurze Rücksprache mit der Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft hilft, Unstimmigkeiten zu klären.
- Holen Sie sich fachlichen Rat: Unabhängige Rentenberater erkennen mögliche Überschneidungen im Leistungsbezug und verhindern Fehleinschätzungen.
Damit vermeiden Sie Rückforderungsrisiken und sind auf der sicheren Seite. Liegen ältere Bescheide vor und Sie entdecken erst spät Unstimmigkeiten, lohnt sich ebenfalls eine Beratung. Mit Blick auf die Zehnjahresfrist ergeben sich je nach Einzelfall gute Erfolgsaussichten, einer Nachforderung zu entgehen.
Vermeiden Sie typische Fehler
Sie können typische Fehler vermeiden, indem Sie jede zusätzliche Rente oder jedes Einkommen, das Einfluss auf Ihre Altersrente haben könnte, rechtzeitig melden. Dazu zählen etwa:
- Unfall und Verletztenrenten
- Einkünfte aus Teilzeitarbeit oder Minijobs
- Auslandsrenten
- Eigene Hinterbliebenenrenten bei Mehrfachbezug
Informieren Sie die zuständige Stelle möglichst schriftlich. So schaffen Sie Klarheit und vermeiden jahrelange Rückforderungsprozesse.