Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung – Wegweisendes Urteil

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Liegt โ€“ wie hier beim Antragstellerโ€“ eine schwere spezifische Leistungseinschrรคnkung vor, hat der Rentenversicherungstrรคger eine geeignete Verweisungstรคtigkeit konkret zu benennen (BSG, Urteil vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – ).

Es ist dann das kรถrperliche, geistige und kognitive Leistungsvermรถgen mit dem beruflichen Anforderungsprofil zu vergleichen. Hierbei ist auch zu fragen, ob die/der Versicherte die fachlichen Qualifikationen hat bzw. ob sie/er sie in drei Monaten erlernen kann.

Nicht verwiesen werden darf aber auf Tรคtigkeiten, die die Voraussetzungen der sog. (Seltenheits-)Katalogfรคlle Nr. 3 bis 7 (Nr. 3: Einsetzbarkeit nur in einem Teilbereich des Tรคtigkeitsfeldes, Nr. 4: Einsetzbarkeit nur auf Schonarbeitsplรคtzen, Nr. 5: Einsetzbarkeit nur auf Arbeitsplรคtzen, die an Berufsfremde nicht vergeben werden dรผrfen, Nr. 6: Einsetzbarkeit in Aufstiegspositionen, Nr. 7: Einsetzbarkeit auf Arbeitsplรคtzen, die in ganz geringer Zahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommen) erfรผllen.

Kann der Versicherte die Verweisungstรคtigkeit nicht ausรผben, ist er auch dann (voll) erwerbsgemindert, wenn sein zeitliches Leistungsvermรถgen uneingeschrรคnkt ist.

So aktuell der 2. Senat des Landessozialgerichts Baden-Wรผrttemberg Az. L 2 R 1695/23 – Urteil vom 19.02.2025

Der Rentenversicherungstrรคger hat hier als Verweisungstรคtigkeiten jene des Verpackers von Kleinteilen, des Warensortierers/Warenaufmachers/Versandfertigmachers und jene des Pfรถrtners benannt und hierzu berufliche Anforderungsprofile รผbersandt.

Anforderungsprofile werden dem Restleistungsvermรถgen des Klรคgers aber – nicht gerecht

Diesen Anforderungsprofilen wird das Restleistungsvermรถgen des Klรคgers aber – nicht gerecht. Denn den Verweisungstรคtigkeiten des Verpackers von Kleinteilen, des Warensortierers/Warenaufmachers/Versandfertigmachers steht bereits das zuvor festgestellte, deutlich verlangsamte Arbeitstempo des Klรคgers entgegen. Der Verweisungstรคtigkeit des Pfรถrtners steht entgegen, dass dem Klรคger keine Arbeiten in Nachtschicht mehr zumutbar sind.

Weiter fรผhrt das Gericht aus

“Zwar kann nach der stรคndigen Rechtsprechung des BSG fรผr den Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermรถgen noch kรถrperlich leichte bis mittelschwere Tรคtigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschrรคnkungen) tรคglich mindestens sechs Stunden verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen รผblichen Bedingungen erwerbstรคtig sein kann.

Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermรถgen in der Regel noch mรถglich, diejenigen Verrichtungen auszufรผhren, die in ungelernten Tรคtigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (BSG, Urteile vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – ).

Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung jedoch ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstรผndigen Erwerbsfรคhigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschrรคnkungen als verschlossen anzusehen ist.

Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfรคhigkeit nur dann mรถglich ist, wenn nicht nur die theoretische Mรถglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. ”

Verbleibendes Restleistungsvermรถgen des Antragstellers lรคsst gerade nicht eine im Sinne dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – relativ โ€“ schnelle – Zuordnung von Arbeitsfeldern bzw. typischen Verrichtungen zu

Das verbliebene Restleistungsvermรถgen des Klรคgers lรคsst gerade nicht eine im Sinne dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – relativ โ€žschnelleโ€œ Zuordnung von Arbeitsfeldern bzw. typischen Verrichtungen zu, die nur mit kรถrperlich leichten Belastungen einhergehen, wie z.B. Sortier- und Montagetรคtigkeiten, Boten- und Bรผrodienste bzw. Bedienen von Maschinen oder Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, Messen, Prรผfen, รœberwachen, (Qualitรคts-)Kontrolle von Produktionsvorgรคngen.

Solche abstrakten Handlungsfelder lassen sich fรผr den Klรคger aufgrund der vom Gericht festgestellten, krankheitsbedingten qualitativen Einschrรคnkungen nicht beschreiben.

Vielmehr versperren sie dem Klรคger ein weites Feld an Einsatzmรถglichkeiten und stellen eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar.

Fazit:

Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, wenn wie hier beim Antragstellerโ€“ eine schwere spezifische Leistungseinschrรคnkung vorliegt ,der Rentenversicherungstrรคger aber keine geeignete Verweisungstรคtigkeit konkret benannt hat (BSG, Urteil vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – ).