Betriebliche Rente gesichert – auch wenn die Erwerbsminderung nur befristet ist

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Eine betriebliche Invaliditätsversorgung bei dauernder völliger Erwerbsunfähigkeit muss auch dann ausgezahlt werden, wenn eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente nur befristet gewährt wird. So entschied das Bundesarbeitsgericht (3 AZR 440/20)

Anspruch auf Invaliditätsrente

Der Kläger stand von 1995 bis 2017 in einem Arbeitsverhältnis und hatte Anspruch auf eine monatliche betriebliche Invaliditätsversorgung. Diese galt bei einer dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts, und zwar längstens für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit.

Rente wegen voller Erwerbsminderung

Rückwirkend ab Juni 2017 erhielt der Betroffene bis zum 31. Mai 2020 eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Befristung begründete die Deutsche Rentenversicherung Nord damit, dass die medizinischen Befunde es nicht unwahrscheinlich erscheinen ließen, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Ab dem 16. März 2020 wurde ihm die Rente wegen voller Erwerbsminderung dann unbegrenzt gewährt.

Kläger fordert Invalidenversorgung auch für die Zeit der Befristung

Der Erwerbsgeminderte klagte, weil der Arbeitgeber ihm für Juni 2017 bis April 2020 keine betriebliche Invalidenrente gezahlt hatte. Er machte 40,95 Euro brutto pro Monat geltend, also insgesamt 1.433,25 Euro nebst Zinsen.

Kein Anspruch wegen nur befristeter Erwerbsminderung

Der Arbeitgeber vertrat hingegen die Auffassung, für diesen Zeitraum hätte er keinen Anspruch auf die betriebliche Rente. Die Erwerbsminderungsrente sei bis April 2020 nämlich nur befristet gewesen, und nicht dauerhaft gewährt. Er habe jedoch nur bei einer dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit Anspruch auf die Invalidenversorgung.

Arbeitsgericht weist die Klage ab, und Landesarbeitsgericht stimmt dem Kläger zu

In der ersten Instanz blieb die Klage erfolglos, doch das Landesarbeitsgericht gab dem Betroffenen Recht. Der Arbeitgeber verlangte deshalb beim Bundesarbeitsgericht eine Revision und stellte einen Klageabweisungsantrag. Der Erwerbsgeminderte begehrte, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision bleibt ohne Erfolg

Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision als unbegründet ab und sprach dem Kläger vom 1. Juni 2017 bis zum 30. April 2020 Anspruch auf eine monatliche Invalidenrente in Höhe von 40,95 Euro brutto zu. Die Voraussetzungen für die Invalidenversorgung für eine „voraussichtlich dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ hätten im Juni 2017 vorgelegen.

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Objektiver Inhalt und typischer Sinn

Wörtlich heißt es: „Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.“

Dabei gelte in diesem Fall: „Danach besteht ein Anspruch auf die betriebliche Invalidenrente nach der Versorgungszusage vom 2. Januar 2000, wenn der Versorgungsberechtigte voll erwerbsgemindert iSd. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist und deshalb eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält.“

Die Versorgungszusage bezöge sich mit der Wendung „völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ sogar ausdrücklich auf die sozialversicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten.

Befristet oder unbefristet spielt keine Rolle

Dabei komme es für die Definition des Versorgungsfalls, mit der Formulierung nach der „voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“, nicht darauf an, ob die gesetzliche Erwerbsminderungsrente befristet oder unbefristet bewilligt werde.

Die Nachweise sind ausreichend

Diese Verfahrensvorschriften legten nicht den Begriff der dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts fest, den die Versorgungszusage zitiert. Der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Nord vom 7. Juni 2018 weise die Voraussetzung für die betriebliche Invaliditätsrente auch ausreichend nach.

Fazit

Dieses Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmern, die wegen einer Erwerbsminderung ihre Beschäftigung nicht mehr ausüben können und Anspruch auf eine betriebliche Invalidenrente haben.

In diesem Fall bezog sich der Arbeitgeber zwar direkt auf die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, legte diese aber falsch aus. Denn die gesetzliche Rentenversicherung gewährt eine Erwerbsminderungsrente grundsätzlich erst einmal nur befristet. Unbefristet wird eine Erwerbsminderung erst dann gewährt, wenn keine Verbesserung abzusehen ist, und davon wird nach neun Jahren ausgegangen.

Von Anfang an wird die Erwerbsminderungsrente nur dann unbefristet gezahlt, wenn bereits bei der Antragstellung deutlich wird, dass eine Verbesserung unwahrscheinlich ist. Das Landessozialgericht Stuttgart stellte klar, dass Unwahrscheinlichkeit vorliege, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten eine Besserung nicht anzunehmen sei. (L 10 R 2529/21)

Das ist aber die absolute Ausnahme, und selbst diese schließt eine erneute Gesundheitsprüfung durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht aus. Fast immer wird eine Erwerbsminderungsrente nur für drei Jahre gewährt, und danach müssen die Betroffenen einen Antrag auf Weiterbewilligung stellen. Ihre Erwerbsminderung wird dann erneut geprüft. Erst nach dreimaliger befristeter Erwerbsminderung gilt diese als dauerhaft, und die Rente gilt unbegrenzt.

Es handelt sich dabei um eine Verfahrensvorschrift, die nicht identisch ist mit der Formulierung der betrieblichen Invaliditätsversorgung. Das Urteil stärkt die Rechte der Arbeitnehmer. Wenn Arbeitgeber nämlich das Verfahren der Rentenversicherung als Vorlage nehmen dürften, dann könnten sie fast jedem voll Erwerbsgeminderten für neun Jahre die Invaliditätsversorgung verweigern.

Dem schob das Bundesarbeitsgericht einen Riegel vor.