Das Bundessozialgericht hat sich grundlegend zur Frage geäußert, wie Betriebskostenguthaben beim Arbeitslosengeld II (Bürgergeld) zu berücksichtigen sind.
Es geht dabei um die Frage, ob eine solche Rückzahlung als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten verteilt werden darf oder ob sie nur in einem bestimmten Monat oder in unmittelbar folgenden Monaten berücksichtigt werden muss.
Inhaltsverzeichnis
Rückzahlungen oder Guthaben, die die Wohnkosten mindern
Das Gericht stellte klar, dass Rückzahlungen oder Gutschriften aus Betriebskostenabrechnungen (oder vergleichbaren Posten), die unmittelbar die Ausgaben für Unterkunft und Heizung reduzieren, nicht monatsübergreifend verteilt werden dürfen.
Sie sind zwar grundsätzlich als Einkommen zu verstehen, sollen jedoch nach den Regelungen des § 22 Abs. 3 SGB II ausschließlich die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab dem Folgemonat ihres Zuflusses mindern. Eine Verteilung auf mehrere Monate findet nicht statt.
Diese Entscheidung ist besonders wichtig für Leistungsempfänger, denen aufgrund eines größeren Guthabens für einen Monat eventuell gar keine Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen. Nun steht aber fest, dass eine solche Summe nicht künstlich „gestreckt“ werden darf.
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Was das Bundessozialgericht angeordnet hat
Die für diesen Rechtsstreit relevanten Urteile der Vorinstanzen wurden aufgehoben oder abgeändert. Das Bundessozialgericht verurteilte den beklagten Leistungsträger dazu, Ansprüche auf Arbeitslosengeld II in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung in einer höheren Summe festzusetzen, nämlich 124,07 Euro pro Kläger (anstelle der zuvor angesetzten 93,05 Euro). Bereits ausgezahlte 120,26 Euro werden auf diese Ansprüche angerechnet.
Hintergründe und Streit um die Betriebskostenabrechnung
Im Mittelpunkt standen zwei Eheleute, Jahrgänge 1958 und 1968, nach einer vorläufigen Bewilligung von Arbeitslosengeld II eine endgültige Festsetzung und Zahlung höherer Leistungen forderten. Strittig war konkret, wie sich ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung auswirkt.
Seit 2001 wohnen sie in einer 91,4 Quadratmeter großen Wohnung in Berlin. Dort lebten sie zunächst mit allen Kindern, ab Januar 2016 mit zwei Söhnen der Jahrgänge 1989 und 1996. Die Kosten für Wohnung und Gasheizung lagen ab Januar 2016 insgesamt bei 680,37 Euro monatlich.
Der Ehemann verdiente zwischen Dezember 2014 und Juli 2016 Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Auch einer der Söhne war ab Februar 2016 berufstätig.
Vorläufige Leistungsbewilligung vom Jobcenter
Weil die genauen Einkünfte im Zeitpunkt der Beantragung nicht feststanden, bewilligte das Jobcenter die Leistungen vorläufig. Dabei wurde zunächst ein fiktives Einkommen des Ehemanns angerechnet, was zu monatlichen Zahlungen an die Kläger und den Sohn führte.
Später – als feststand, dass der Sohn genügend eigenes Einkommen erzielte – rechnete man dessen Bedarf heraus. Den Klägern selbst wurden schließlich vorläufig 120,26 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt.
Neuberechnung löst hohe Rückforderungen aus
Im Februar 2016 erhielt der Ehemann dann eine Gutschrift über 744,46 Euro aus einer Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum Mai 2014 bis April 2015. Das Jobcenter erfuhr davon im Juli 2016, als die Kläger die Unterlagen einreichten. Daraufhin entschied der Beklagte, diese 744,46 Euro auf sechs Monate zu verteilen. Im Ergebnis wurde für bestimmte Monate ein geringerer Leistungsanspruch (bzw. gar keiner) errechnet, was bei den Klägern hohe Rückforderungen auslöste.
Die Eheleute erhoben nur für Juni 2016 Klage, weil sie für diesen Monat ihren vollen Bedarf für Unterkunft und Heizung (170,09 Euro pro Person) geltend machen wollten. Ihrer Auffassung nach hätte das Guthaben sich entweder vollständig auf März 2016 oder anteilig noch auf April 2016 auswirken dürfen, nicht aber monatsweise bis in den Juni hinein. In zwei Instanzen unterlagen sie zunächst, ehe das Bundessozialgericht ihnen recht gab.
Warum das Guthaben nicht auf sechs Monate verteilt werden darf
Die entscheidenden Vorschriften liegen in § 19, § 7 ff. und § 22 SGB II. Das BSG stellte fest, dass Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II ausschließlich vom jeweiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung abgezogen werden dürfen.
Eine Anrechnung als Einmalzahlung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II, die bei sonstigem Einkommen eine Verteilung auf mehrere Monate zulässt, kommt hier nicht in Betracht. § 22 Abs. 3 SGB II ist eine spezielle Regelung, die allein für die Frage gilt, wie mit Betriebskostenguthaben umzugehen ist.
Würde man diese Gutschriften in die allgemeine Systematik der Einkommensanrechnung integrieren, so das Gericht, verliefe der vom Gesetzgeber gewollte Mechanismus ins Leere: Es soll nämlich sichergestellt werden, dass die Kommunen, die tatsächlich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung tragen, unmittelbar entlastet werden und nicht über eine künstliche Verteilung in mehreren Monaten.
Verteilung der Summe auf mehrere Monate nicht zulässig
Das Urteil bekräftigt damit die Rechtsauffassung, dass solche Rückzahlungen zwar als Einkommen gelten, aber in genau demjenigen Monat, der auf den tatsächlichen Zufluss folgt, bzw. in den Folgemonaten so lange angerechnet werden, bis sie aufgebraucht sind.
Ein systematisches Verteilen der Summe auf ein halbes Jahr, um den Ausfall eines kompletten Leistungsmonats zu verhindern, ist nicht zulässig. Für den konkreten Rechtsfall bedeutete dies, dass das schon im Februar 2016 ausgezahlte Guthaben höchstens für März und eventuell April 2016 zu einer Minderung des Unterkunftsbedarfs führen konnte, nicht aber erst im Juni.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.