Bürgergeld: Jobcenter muss 112 Euro mehr Leistungen zahlen – Urteil

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Der Landkreis Göttingen darf nicht willkürlich die Entscheidungen anderer Kommunen ignorieren, entschied das Sozialgericht Hildesheim. Deshalb muss das Jobcenter Göttingen einer jungen Erwachsenen, die aus der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter in Northeim auszog und obdachlos wurde, 112 Euro mehr Bürgergeld bezahlen (Aktenzeichen S 26 AS 4060/24 ER).

Betroffene klagt vor Sozialgericht

Die Betroffene ist 21 Jahre alt. Sie lebte im Landkreis Northeim gemeinsam mit ihrer Mutter und zog aus, weil die Situation zu Hause unzumutbar war. Das hatten das Jobcenter Northeim und das dortige Jugendamt 2021 ausdrücklich bestätigt.

Die zuständige Sozialbehörde in Göttingen behauptete jetzt, es gebe keine schwerwiegenden Gründe gegen die Rückkehr ins Elternhaus. Die Betroffene klagte erfolgreich vor dem Sozialgericht Hildesheim. Dieses entschied, dass die Göttinger Sozialbehörde 112 EUR mehr Bürgergeld an die Frau zahlen müsse, als sie ihr zugestanden hätten.

Wie begründete das Gericht das Urteil?

Laut Gericht hatte eine Prüfung des Jugendamts in Northeim ergeben, dass es für die Betroffene eine unzumutbare Härte darstellte, mit der geschiedenen Mutter unter einem Dach zu leben. Das Jobcenter Northeim hatte deshalb 2021 entschieden, dass die Betroffene eine eigene Wohnung anmieten dürfe, da ein Verweis auf die Wohnung der Mutter nicht möglich sei.

Laut dem Sozialgericht Hildesheim hätte der Landkreis Göttingen, und damit die zuständige Göttinger Sozialbehörde, keine Befugnis, die Entscheidungen der Northeimer Behörden (oder die anderer Kommunen) zu übergehen. Vielmehr sei das Jobcenter in Göttingen an die vorherige Zusicherung des Jobcenters Northeim gebunden.

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Die eigene Wohnung darf bezogen werden

Wörtlich heißt es: “Die einmal erteilte Zusicherung ist aus Sicht der Kammer dergestalt zu verstehen, dass der Antragstellerin bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres im Sinne einer Grundentscheidung (ohne Verpflichtung zur tatsächlichen Wohnungsanmietung) gestattet ist, eine eigene Wohnung außerhalb des Haushalts der Eltern zu beziehen, ohne im Falle der Hilfebedürftigkeit den Leistungsanspruch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Absatz 1 SGB II zu verlieren.”

Auf welche Rechtslage bezieht sich das Sozialgericht?

Das Gericht argumentiert folgendermaßen: “Im vorliegenden Einzelfall hat die Antragstellerin anlässlich des Auszuges aus dem Haushalt der Mutter eine fortwirkende und nicht unwirksam gewordene Zusicherung gemäß § 22 Absatz 5 SGB II am 08. September 2021 von dem zum damaligen Zeitpunkt örtlich zuständigen Jobcenter Northeim erhalten, wobei die Entscheidung nach eingehender Prüfung unter Hinzuziehung des Jugendamts getroffen wurde.”

Hier gelten, so das Gericht, die Regelungen eines Verwaltungsaktes. Es führt aus: “Diese Zusicherung stellt einen Verwaltungsakt gemäß §§ 34, 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) dar, welche – anders als nach § 22 Absatz 4 SGB II – nicht an eine bestimmte Unterkunft gebunden ist.”

Einmal erteilte Zusicherung bindend

Eine einmal erteilte Zusicherung sei in diesem Fall für den Leistungsträger dauerhaft bindend, nach Art einer Grundentscheidung. In der Rechtsfolge seien unter 25-jährigen Leistungsberechtigten Unterkunftskosten zu gewähren, und dies gelte auch für den später zuständig werdenden Träger der Grundsicherung, also in diesem Fall das Jobcenter Göttingen.