Das Jobcenter muss wiederholte Mietschulden sowie Verfahrenskosten in einem Wohnungsräumungsverfahren übernehmen. Die Übernahme der Mietschulden ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II der gesetzlich gewollte Regelfall.
Die Nichterbringung des Darlehens der Ausnahmefall, der nicht bereits dann vorliegt, wenn sich ein Verschulden des Leistungsempfängers an der Entstehung der Verbindlichkeiten feststellen lässt. Denn Verschuldensgesichtspunkte treten im Falle der Übernahme von Mietschulden – ganz regelmäßig zurück!
Inhaltsverzeichnis
Wann ist eine Mietschuldenübernahme nicht gerechtfertigt?
Die Miet- Schuldenübernahme ist ausnahmsweise erst dann nicht gerechtfertigt, wenn 1. der aufgelaufene Rückstand z.B. auf einer Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten beruht.
2. Oder auf den Missbrauch von Sozialleistungen wegen Nichtweiterleitung der für Unterkunft und Heizung bestimmten Mittel an die Vermieterseite.
Das Jobcenter musste den Hilfebedürftigen zum 2. Mal ein – Darlehen i.H.v. 4.384,91 EUR für entstandene Mietschulden und die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Räumungs- und Vollstreckungsverfahrens gewähren ( Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2014 – L 19 AS 1909/14 B ER – rechtskräftig ).
Einstweilige Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung zur Begleichung von Mietschulden sowie der Verfahrenskosten in einem Wohnungsräumungsverfahren – Zurücktreten von Verschuldensgesichtspunkten
Das Jobcenter vertritt von Anfang an den Standpunkt:
Die Übernahme von Schulden scheide grundsätzlich dann als nicht gerechtfertigt aus, wenn es wiederholt zu Mietrückständen gekommen sei und ein Wille des Hilfebedürftigen, sein Verhalten zu ändern, nicht erkennbar sei.
Das Jobcenter irrte von Anfang an in diesem Einzelfall – Die Richter verdonnern das Jobcenter zur Übernahme der wiederholten Mietschulden und Verfahrenskosten in einem Wohnungsräumungsverfahren
Das Landessozialgericht NRW hat der Beschwerde des Jobcenters nicht abgeholfen, im Gegenteil, es verdonnerte das Jobcenter dazu, die wiederholten Mietschulden sowie die Verfahrenskosten in einem Wohnungsräumungsverfahren zu übernehmen.
Die Feststellung des Jobcenters, dass sich die Antragstellerin schuldhaft verhalten hat, indem sie durch unterlassene rechtzeitiger Antragstellung die Entstehung weiterer Verbindlichkeiten und deren Folgekosten nicht abgewendet hat, rechtfertigt die Annahme, dass die Schuldenübernahme i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II nicht gerechtfertigt ist, – nicht!
Der Verschuldensgesichtspunkt tritt im Falle der Mietschuldenübernahme ganz regelmäßig zurück
Denn es geht um die Behebung einer gegenwärtigen Notlage. Eine Reduzierung der Möglichkeiten einer Darlehensgewährung auf die Fälle, in denen den Leistungsbezieher keinerlei Verschulden an der Entstehung von Verbindlichkeiten betrifft, würde den Anwendungsbereich der Vorschrift in nicht gesetzesentsprechender Weise verengen.
Wann ist die die Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt?
Die Miet- Schuldenübernahme ist ausnahmsweise erst dann nicht gerechtfertigt, wenn
1. der aufgelaufene Rückstand z.B. auf einer Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten beruht oder 2. auf den Missbrauch von Sozialleistungen wegen Nichtweiterleitung der für Unterkunft und Heizung bestimmten Mittel an die Vermieterseite.
3. Gleiches kann gelten, wenn es trotz entsprechender Hilfeangebote und Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen ist und kein Wille zur Selbsthilfe erkennbar ist.
Keine dieser Konstellationen ist im Falle der Antragstellerinnen aber gegeben.
Weder haben sie bei der Entstehung der aktuell im Streit stehenden Verbindlichkeiten zur Abdeckung ihrer Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zugewendete Mittel für andere Zwecke missbraucht noch in Zeiten fehlenden Leistungsbezugs und ohne Kontakte mit Stellen des Jobcenters sozialhilferechtliche Obliegenheiten verletzt.
Nur durch vollständige Erfüllung der vermieterseitigen Forderung war die Unterkunft der Antragstellerinnen zu erhalten bzw. ein Mietverhältnis erneut zu begründen (vgl. zur Erforderlichkeit der Neubegründung eines Mietverhältnisses bei Vorliegen eines Räumungstitels Beschluss des Senats vom 31.08.2010 – L 19 AS 1106/10 B ER).
Auch stand den Antragstellerinnen kein Ersatzwohnraum zur Verfügung.
19. Senat des Landessozialgerichts befürwortet entgegen der Auffassung des JC – die Übernahme der Verfahrenskosten in dem Wohnungsräumungsverfahren als Kosten der Unterkunft
Die Richter des Landessozialgerichts NRW sind sich auch einig, dass das Jobcenter die Verfahrenskosten in dem Wohnungsräumungsverfahren übernehmen muss.
Denn zu keinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens hat das Jobcenter für die Antragstellerinnen oder das Sozialgericht erkennbar seine Bereitschaft erklärt, diese weiteren laufenden Unterkunftskosten zu übernehmen.
Er hat sich vielmehr so verhalten, als rechne er sicher mit einer Zwangsräumung. Damit hat das Sozialgericht das Jobcenter zu Recht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen verpflichtet.
Fazit
Auch wiederholte Mietschulden sind im Einzelfall vom Jobcenter zu übernehmen, nur bei atypischen Verhalten der Antragsteller kommt in der Regel keine Übernahme in Betracht.
Außerdem können die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Räumungs- und Vollstreckungsverfahrens als Darlehen zu gewähren sein.
Wann ist eine Mietschuldenübernahme ausnahmsweise nicht gerechtfertigt – 2 wichtige Punkte
Die Miet- Schuldenübernahme ist ausnahmsweise erst dann – nicht gerechtfertigt -, 1. wenn der aufgelaufene Rückstand z.B. auf einer Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten beruht oder auf den Missbrauch von Sozialleistungen wegen Nichtweiterleitung der für Unterkunft und Heizung bestimmten Mittel an die Vermieterseite.
2. Gleiches kann gelten, wenn es trotz entsprechender Hilfeangebote und Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen ist und kein Wille zur Selbsthilfe erkennbar ist.
Praxistipp zur Sozialhilfe bei wiederholten Mietrückständen
SG Kiel S 22 SO 9/14 ER
Allein das wiederholte Entstehen von Mietrückständen und die bereits im Jahr 2004 und 2011 erfolgten wohnungssichernden Hilfen begründen noch kein gezieltes Handeln zu Lasten des Sozialamtes, das zu einer rechtmäßigen Versagung der existenzsichernden Hilfe fahren würde.
Persönliche Anmerkung zu diesem Beschluss
Hier hat das Jobcenter eine Ohrfeige und vor allem eine richtig teurere Nachhilfestunde vom Landessozialgericht bekommen.
Zu keinem Zeitpunkt hatte hier das Jobcenter signalisiert, dass es gewillt ist, die Mietschulden darlehensweise zu übernehmen.
Im Gegenteil, es vertrat bis zum Schluss die Auffassung, dass wiederholte Mietrückstände nicht zu übernehmen sind und dass hier in diesem Einzelfall auch mit der Zwangsräumung zu rechnen sei.
Aber das Jobcenter hatte die Rechnung ohne die Richter des 19. Senats des LSG NRW gemacht.