Bürgergeld: Jobcenter verweigerte unrechtmäßig den Auszug

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Ein Jobcenter lehnte es ab, die Mietkosten für einen 49-Jährigen, der bei seinen Eltern wohnte und in eine eigene Unterkunft ziehen wollte, zu übernehmen. Das Sozialgericht Reutlingen setzte die Behörde auf den Teppich und verpflichtete sie, die Zusicherung zur Übernahme der Umzugs- und Mietkosten zu erteilen. (S 3 AS 1494/21)

Klage des Betroffenen

Der Betroffene beantragte erstmalig Bürgergeld. Danach lebte er mit seinen Eltern zusammen in deren Wohnung, ohne dafür Miete zahlen zu müssen. Doch nach ein paar Monaten kriselte es. Er selbst gab an, „es gebe ständig Streit“.

Deshalb beantragte er beim Jobcenter die Kostenübernahme einer eigenen Wohnung.

Das Jobcenter sieht Streit nicht als Grund an

Das Jobcenter lehnte seinen Antrag auf „Zusicherung zur Anerkennung von Kosten der Unterkunft und Heizung bei Umzug“ aber ab. Diese Weigerung begründete die Behörde damit, dass der Streit mit den Eltern „keinen wichtigen Grund für einen Aus- bzw. Umzug aus der mietfreien Wohnung“ darstelle.

Das sah der Betroffene anders und ging vor das Sozialgericht.

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Das Sozialgericht verweist auf das Grundgesetz

Das Sozialgericht erteilte der Vorstellung des Jobcenters eine klare Absage. Denn ein „plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund“ richte sich erstens auch danach, wie jemand, der kein Bürgergeld bezieht, in solch einer Situation reagieren würde.

Zweitens sei bereits das Alter bei einem Leistungsberechtigten, der mindestens 25 Jahre alt sei, ein hinreichender Grund dafür, bei den Eltern auszuziehen. Dies entspreche auch dem Grundgesetz.

Gleich zwei Artikel des Grundgesetzes gelten

Denn laut Artikel 2 des Grundgesetzes, den verfassungsrechtlichen Erwägungen der Freizügigkeit und laut Artikel 11 des Grundgesetzes, der freien Gestaltung der Persönlichkeit, müsse einem Menschen, der 25 Jahre oder älter ist, eine eigene Wohnung zugesprochen werden. Und dafür sei keine weitere Begründung erforderlich.

Was bedeutet freie Entfaltung und Freizügigkeit?

Der Artikel 2 des Grundgesetzes sagt in Absatz 1: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Artikel 11 Absatz 1 stellt fest, dass alle Deutschen im gesamten Bundesgebiet Freizügigkeit genießen und dieses Recht nur in Ausnahmefällen beschränkt werden darf.

In Absatz 2 wird konkretisiert, dass eine solche Beschränkung nur durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig ist. Dies darf ausschließlich dann geschehen, wenn eine ausreichende Lebensgrundlage nicht gegeben ist und der Allgemeinheit dadurch besondere Lasten entstünden oder wenn die Einschränkung notwendig ist, um eine drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes abzuwenden.

Wenn man unter 25 Jahren ist, gelten andere Regeln

Wer im Bürgergeld-Bezug ist und jünger als 25 Jahre, kann jedoch nicht damit rechnen, dass das Jobcenter ihm einen Aus- und Umzug bezahlen muss und danach die Kosten der eigenen Wohnung übernehmen.

Hier brauchen Sie tatsächlich die Zustimmung vom Jobcenter, die dieses Ihnen nur bei einem wichtigen Grund geben wird. Ständiger Streit mit den Eltern kann jedoch ein solcher ernsthafter Grund sein.

So schreibt das Jobcenter Rendsburg-Eckernförde auf seiner Webseite: „Das Gesetz sagt, solange Sie noch unter 25 Jahre alt sind, sollten Sie eigentlich bei Ihren Eltern leben. (…)
Doch es gibt Ausnahmen und Sie können einen Antrag auf eine eigene Wohnung stellen, wenn Sie etwa ernsthafte Probleme mit Ihren Eltern haben.“