Aktuell gibt das LSG Baden-Württemberg mit Urteil AZ: L 3 AS 2341/23 bekannt, dass ein Bürgergeld- Empfänger kein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des Versagungsbescheides vom Jobcenter hat, wenn mit Erlass der Bewilligungsbescheide gemäß § 39 Abs. 2 SGB X sich dieser auf andere Weise erledigt hat.
Mithin mangelt es an einem Rechtsschutzinteresse für dieses Begehren.
Wirksamkeit eines Verwaltungsakts – Versagungsbescheid – Erledigung auf andere Weise nach dem Erlass von Bewilligungsbescheiden
Denn ein Versagungsbescheid erledigt sich auf sonstige Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X, wenn das JobCenter dem Adressaten (Bürgergeldempfänger) die entzogene verfahrensrechtliche Position vollständig wieder einräume und ihm ungekürzt Leistungen wieder erbringe.
Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtung des erledigten Versagungsbescheids – fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
In einer solchen Konstellation besteht kein Rechtsschutzinteresse für ein isoliertes, auf Aufhebung des Versagungsbescheides gerichtetes Anfechtungsbegehren, weil die begehrte gerichtliche Entscheidung nicht geeignet wäre, die Stellung des Betroffenen zu verbessern.
Dem Gericht ist bewusst, dass nach der Rechtsprechung des BSG im Falle der Entziehung einer Sozialleistung wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach den §§ 66 und 60 SGB I sich diese Regelung nicht automatisch mit der Nachholung der geschuldeten Mitwirkung durch den Sozialleistungsempfänger erledigt, sondern vielmehr die Behörde über die Aufhebung der Entziehung wegen Nachholung der geschuldeten Mitwirkung durch einen erneuten Verwaltungsakt entscheiden muss.
Auf andere Weise im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt sich ein Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist.
Eine solche Erledigung liegt vor, wenn durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage das Regelungsobjekt des Verwaltungsaktes entfällt. Dazu zählen insbesondere Sachverhalte, bei denen für die getroffene Regelung nach der eingetretenen Änderung kein Anwendungsbereich mehr verbleibt, bzw. bei denen der geregelte Tatbestand selbst entfällt.
Für die Gegenstandslosigkeit des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage ist damit maßgeblich, ob er auch für den Fall geänderter Umstände noch Geltung beansprucht oder nicht.
Waren Bestand oder Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes für den Adressaten erkennbar an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, wird er gegenstandslos, wenn diese Situation nicht mehr besteht.
Praxistipp:
LSG Berlin-Brandenburg, 19.05.2022 – L 19 AS 1242/21 –
1. Eine Versagungsentscheidung nach § 66 Abs 1 S 1 SGB I erledigt sich, wenn eine Behörde dem Adressaten die entzogene verfahrensrechtliche Position vollständig wieder einräumt und ihm ungekürzt Leistungen erbringt. (Rn.22)
2. Hat sich eine mit Widerspruch angegriffene Verfügung erledigt, muss der Widerspruch grundsätzlich nicht mehr beschieden werden.
Beispiel:
Das Jobcenter versagt die Leistungen ab dem 01.11.2020.
Demgegenüber wurden mit Bewilligungsbescheid vom 14.06.2021 sowie mit Änderungsbescheid vom 05.10.2021 dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis 30.04.2021 sowie mit Bewilligungsbescheid vom 05.10.2021 dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis 31.01.2021 gewährt.
Durch diese Regelungen ist die vorhergehende Versagungsentscheidung gegenstandslos geworden, da das Regelungsobjekt des Versagungsbescheides vollständig entfallen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.05.2022 – L 19 AS 1242/21 – ).
Somit fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Klage selbst im Falle ihres Erfolgs für den Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann, also wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 24/10 R –).
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.