Nach § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II sind die tatsächlichen Mietaufwendungen – soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen – als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.
Um den Hilfebedürftigen über die Unangemessenheit seiner Unterkunfts- und Heizkosten in Kenntnis und die Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Gang zu setzen, erhält er vom Leistungsträger in der Regel ein Aufforderungsschreiben, seine Unterkunfts- und Heizkosten zu senken.
Hierbei handelt es sich um ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion, das den Eintritt in einen Dialog eröffnen soll, und nicht um einen Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 28.02.2024 – B 4 AS 18/22 R – ).
In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob sich aus Einzelfallumständen ein abweichender Leistungsanspruch ergibt. Insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle können es als unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen.
Keine KdU Absenkungen bei veralteten Kostensenkungsaufforderungen
Unzumutbar ist eine veraltete Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters/Sozialamtes, denn spätere Konzepte können nicht als nachgeschobene Gründe für vergangene Kostensenkungsverfahren herangezogen werden (BSG vom 30.1.2019 – B 14 AS 11/18 R – ).
Eine Kostensenkungsaufforderung, die Jahre vor Erarbeitung eines Unterkunftskostenkonzepts an einen Hilfeempfänger gerichtet wird, ist nicht geeignet, in Hinblick auf dieses Konzept eine 6-monatige Regelhöchstfrist in Gang zu setzen (Anschluss an BSG vom 30.1.2019 – B 14 AS 11/18 R – , so auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.10.20 – L 3 AS 116/17 – ).
Die Rückschreibung eines Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft in die Zeit vor der Aufstellung des Konzepts ist unzulässig.
Eine rechnerisch mögliche Rückschreibung ist mit den Anforderungen an ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht vereinbar.
Eine Kostensenkungsaufforderung aus dem Jahr 2015 ist veraltet und nicht mehr heranzuziehen. Die späteren Konzepte können jedenfalls nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG Grundlage für die Kostensenkung im Jahr 2015 und einen sich daran anschließenden „Dialog“ über die richtige Höhe der Unterkunftskosten sein, so ausdrücklich SG Kassel, Urteil vom 13.06.2024 – S 14 AS 97/22 – ).
Fazit:
Veraltete Kostensenkungsaufforderungen setzen die 6- Monatsfrist des Jobcenters nicht in Gang.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.