Bürgergeld: Nur Schuldner der Miete bekommen Miete vom Jobcenter

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Nur Schuldner der Mietzahlungen können vom Jobcenter Bedarfe für Unterkunft und Heizung beanspruchen. Denn Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind zu verneinen bzw. vom Jobcenter nicht zu übernehmen, weil Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne einer Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entstanden sind.

Mutter und Tochter können keine Mietzahlungen beim Jobcenter geltend machen, wenn der Ex- Mann die Miete zahlt und diese aber mit dem Unterhalt der Tochter verrechnet hat!

Dabei handelt es sich um eine rechtswidrige Kürzung der Unterhaltszahlung, die nicht auf einer wirksamen zivilrechtlichen Forderung basiert (so aktuell das LSG Berlin-Brandenburg – L 1 AS 382/21- ).

Nachweis der Ernsthaftigkeit vertraglicher Beziehungen zwischen Verwandten als Voraussetzung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung/ Bürgergeld

Ist Schuldner der Mietzahlungen alleine der geschiedene Ehemann bzw. Vater, der der Zahlungspflicht auch nachkomme, kann die Ex-Ehefrau bzw. Tochter keine Bedarfe für Unterkunft beim Jobcenter geltend machen, auch wenn der Ex-Mann die gezahlte Miete mit dem Unterhalt der Tochter verrechnet.

Verrechnung der Mietzahlungen mit dem Unterhalt begründet keinen Anspruch auf Mietzahlungen vom JobCenter

Vielmehr handele es sich hierbei um eine rechtswidrige Kürzung der Unterhaltszahlung, die nicht auf einer wirksamen zivilrechtlichen Forderung basiere.

Dass die Tochter diese Kürzung hinnehme, lasse die Rechtswidrigkeit der Verrechnung nicht entfallen.

Eine Zahlungsverpflichtung der Tochter gegenüber folge hieraus nicht.

Nichtvorliegen eines Untermietverhältnisses

Auch für ein Untermietverhältnis zwischen dem Ex-Ehemann/Kindesvater und seiner Ex-Ehefrau bzw. Tochter, aus welchem eine wirksame Untermietzahlungspflicht resultieren könne, liege nicht vor.

Somit gilt:

Für die Annahme tatsächlicher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass sich der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt gesehen hat (BSG, Urteile vom 5. Juni 2014 – B 4 AS 32/13 R –, vom 7. Mai 2009 -B 14 AS 31/07 R- mit Bezugnahme auf Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. September 2021 – L 1 AS 702/19 –).

Dass Vertragsverhältnisse zwischen Familienangehörigen einem Fremdvergleich unterzogen werden – ist nicht verfassungswidrig

Es verstößt dabei nicht gegen Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn Vertragsverhältnisse zwischen Familienangehörigen einem Fremdvergleich unterzogen werde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2000 – 1 BvR 444/00 – ).

Praxistipp:

LSG Berlin-Brandenburg, 06.03.2024 – L 32 AS 39/24 B ER –

Keine grundsätzliche Nichtigkeit von Mietverträgen unter nahen Angehörigen – JobCenter dürfen bei Bürgergeldempfängern keine Vermutungen ins – Blaue – führen.

Das sollten Bürgergeldempfänger wissen, aber auch Jobcentermitarbeiter.

Wie weisen Betroffene einen Mietvertrag mit Verwandten gegenüber dem Jobcenter nach?

Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei sind nur solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht.

Unerheblich ist, ob tatsächlich bereits Zahlungen geleistet sind.

Denn Tatsächliche Aufwendungen für eine Wohnung liegen auch dann vor, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum (vgl. dazu BSG vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R – ) einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG v. 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R; BSG v. 25.08.2011, – B 8 SO 29/10 R – ).

Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rn. 27).

Ausschlaggebend ist dabei aber nicht lediglich, dass eine Vertragsurkunde vorgelegt werden kann

Auch die mündliche Vereinbarung einer Miete genügt (vgl. BSG v. 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R – Ablehnung der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung darf nicht bloß mit fehlender Schriftform des Mietvertrags begründet werden ).

Allerdings muss das Mietverhältnis tatsächlich gewollt bzw. vereinbart sein, was u.a. dann zweifelhaft ist, wenn bei ein Verwandtenmietverhältnis von einer unter nicht Verwandten üblichen Vertragsgestaltung bzw. –durchführung abweicht oder nur zu dem Zweck abgeschlossen ist, entsprechende Leistungen von dem Grundsicherungsträger zu erhalten.

Gelegentliche freiwillige Zahlungen reichen nicht aus, um eine rechtswirksame mietvertragliche Bindung anzunehmen (vgl. BSG: Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 48/08 R).

Selbstverständlich kann die Monatsmiete bargeldlos zumindest gegen Ausstellung einer – Quittung ( LSG NSB L 9 AS 272/19) bezahlt werden .

Bei Mietverträgen unter Verwandten ist ein mündlicher Mietvertrag und eine bargeldlose Zahlung ( zu mindestens gegen Quittung ) erfahrungsgemäß nicht zu empfehlen.

Wichtiger Hinweis zur Sozialhilfe bei Mietverträgen unter Verwandten:

Wenn erwachsene behinderte erwerbsgeminderte Empfänger von Sozialhilfe aus finanziellen Gründen mietfrei bei ihren Eltern wohnen, können sie die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bis zu dem Betrag als Bedarf fordern, der für einen Einpersonenhaushalt angemessen ist ( § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII – LSG NRW, Urt. v. 17.08.2023 – L 9 SO 519/21 – ) .

Grundsätzliches zu den Kosten der Unterkunft in der Sozialhilfe – besondere Wohnformen

Grundsätzlich gelten auch für Grundsicherungsberechtigte vorrangig §§ 35, 35a SGB XII, wenn Sie allein oder mit einem Partner oder Kind eine eigene abgeschlossene Wohnung angemietet haben.

§ 42 a SGBX II regelt für Grundsicherungsberechtigte die Berücksichtigung von (pauschalen) Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie mit ihren Eltern oder ihren volljährigen Geschwistern oder volljährigen Kindern, die selber nicht leistungsberechtigt sind, in einer gemeinsamen Wohnung leben.

Auch die Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft für Grundsicherungsberechtigte in Wohngemeinschaften mit nicht bedürftigen Mitbewohnern wird gesondert geregelt.

Darüber hinaus enthält § 42 a SGB XII eine Regelung zur Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft für Personen, die nicht in einer Einrichtung, aber auch nicht in einer Wohnung im Sinne des § 42 a Abs. 2 Satz 2 sondern in einer sonstigen Unterkunft leben.

Durch die Neuregelung ist bei der Bemessung der Unterkunfts- und Heizkosten für einige Leistungsberechtigte weder die Kopfteilmethode anzuwenden noch ist es maßgeblich, ob die Unterkunftskosten auch tatsächlich anfallen. Damit weicht § 42a SGB XII in Teilen vom Bedarfsdeckungsprinzip ab.

Ab 01.01.2020 gelten gemäß § 42 a Abs. 5 und 6 Regelungen für die Kosten der Unterkunft in besonderen Wohnformen, das sind die ehemaligen Einrichtungen für behinderte Menschen.