Bürgergeld: Privates Darlehen wird nicht übernommen – Urteil

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Das Sozialgericht Konstanz hat entschieden, dass Zinszahlungen in Höhe von monatlich 150 Euro aus einem privaten Darlehen – hier gewährt durch die Kinder des Leistungsempfängers – nicht als Kosten der Unterkunft (KdU) im Sinne des § 22 SGB II anzuerkennen sind (Az.: S 10 AS 245/23).

Hintergrund: Selbst genutztes Wohneigentum und Darlehensverpflichtungen

Bürgergeld-Empfänger können unter bestimmten Voraussetzungen Kosten für selbst genutztes Wohneigentum als Unterkunftskosten geltend machen. Dazu zählen laut Bundessozialgericht (BSG) neben den laufenden Nebenkosten auch Schuldzinsen aus Darlehen, die nachweislich für den Erwerb oder den Erhalt der Immobilie aufgenommen wurden (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 74/08 R; BSG, Urteil vom 07.07.2011 – B 14 AS 51/10 R).

In Ausnahmefällen können auch Tilgungsraten übernommen werden – insbesondere, wenn nur noch eine geringe Restschuld besteht. Bei sogenannten Annuitätendarlehen verschiebt sich mit der Zeit das Verhältnis von Zins zu Tilgungsanteil. In bestimmten Fällen wird daher eine Kostenübernahme für Tilgungsleistungen als gerechtfertigt angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2019 – B 14 AS 26/18 R).

Warum in diesem Fall keine Übernahme erfolgt

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an grundlegenden Voraussetzungen für eine Anerkennung der Zahlungen:

  1. Fehlende schriftliche Vereinbarung: Es liegt kein schriftlicher Darlehensvertrag über die Summe von 150.000 Euro vor. Auch eine Vereinbarung über die Rückzahlung fehlt.
  2. Keine klare Zweckbindung: Es wurde nicht nachgewiesen, dass das Darlehen tatsächlich für die Unterkunft oder deren Erhalt verwendet wurde. Vielmehr wurde es laut Angaben des Klägers zur Finanzierung eines Bauprozesses und für Anwaltskosten eingesetzt – solche Ausgaben gelten nicht als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II.
  3. Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Vertrags: Die monatlichen Zahlungen an die drei Kinder (jeweils 50 Euro) werden zwar als Zinszahlungen bezeichnet. Da jedoch weder klare Rückzahlungsmodalitäten noch vertragliche Vereinbarungen vorliegen, bleibt der tatsächliche Charakter der Zahlungen unklar. Die Kammer sieht daher die Gefahr, dass es sich um verschleierte Schenkungen oder freiwillige Unterhaltsleistungen handelt.

Anforderungen an Darlehensverträge unter Verwandten

Bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen gelten hohe Anforderungen, damit sie als ernsthafte, zivilrechtlich wirksame Vereinbarungen im Sinne des § 488 BGB anerkannt werden können. Voraussetzung ist, dass der Vertragsabschluss klar nachvollziehbar ist und die tatsächliche Durchführung des Darlehens erkennbar wird.

Zudem müssen die Rückzahlungsmodalitäten eindeutig und verbindlich geregelt sein. Entscheidend ist auch, dass sich das Darlehen eindeutig von einer verdeckten Schenkung oder einer freiwilligen Unterhaltsleistung abgrenzen lässt.

Fehlen hingegen im Geschäftsverkehr übliche Modalitäten – wie etwa die Schriftform oder klare Absprachen zu Zinshöhe und Rückzahlung – spricht dies in der Regel gegen die Ernsthaftigkeit und rechtliche Verbindlichkeit eines solchen Vertrags.

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Fremdvergleich nicht bestanden

Ein solcher Darlehensvertrag muss einem sogenannten Fremdvergleich standhalten – also so gestaltet sein, wie es auch unter nicht verwandten Personen üblich wäre. Das war hier nicht der Fall. Insbesondere:

Die Zahlungshöhe und Rückzahlungsbedingungen sind nicht dokumentiert.
Aus dem Verwendungszweck der Überweisungen ist nicht erkennbar, ob es sich um Zins, Tilgungsraten oder etwas anderes handelt.
Eine Rückzahlungsvereinbarung fehlt vollständig, was den Charakter als Darlehen fraglich macht.

Rechtliche Bewertung und abweichende Einschätzungen

Einige Stimmen in der Fachwelt – etwa Detlef Brock, Experte für Sozialrecht – sehen die Sache differenzierter. Er verweist auf das Urteil des BSG vom 17.06.2010 (B 14 AS 46/09 R), wonach nicht zwingend alle Modalitäten wie bei einem Bankdarlehen erfüllt sein müssen, um ein Darlehen unter Verwandten anzuerkennen. Weder Schriftform, Zinsvereinbarung noch Sicherheiten seien zwingend erforderlich, wenn aus dem Gesamtbild eine Rückzahlungsverpflichtung erkennbar ist.

Mehrere Landessozialgerichte haben dieser Auffassung in ähnlichen Fällen bereits zugestimmt – so auch das Sozialgericht Karlsruhe mit Urteil vom 29.10.2024 (S 12 AS 1592/23).

Weitere Urteile zur Abgrenzung

LSG Hamburg, Urteil vom 09.09.2021 – L 4 AS 279/20 (nachgehend BSG, 09.06.2023 – B 7/14 AS 87/21 R):
Zinsraten aus einem zusätzlichen Privatdarlehen, das nicht dem Erwerb oder Erhalt der Wohnung dient, sind nicht berücksichtigungsfähig.

LSG SachsenAnhalt, Az. L 2 AS 257/14:
Zinsforderungen aus bereits gekündigten Immobiliendarlehen, die vor dem Leistungsbezug aufgenommen wurden, gelten ebenfalls nicht als KdU.

Fazit

Die monatlichen Zahlungen an die Kinder des Leistungsempfängers können nicht als Kosten der Unterkunft anerkannt werden, da kein ausreichend belegter Darlehensvertrag vorliegt. Selbst wenn ein Darlehen bestanden hätte, wäre eine Übernahme durch das Jobcenter ausgeschlossen, da der verwendete Betrag nicht dem Erhalt der Unterkunft, sondern anderen Zwecken diente.